Essen. Grundschulleiter werden dringend gesucht, überall sind Stellen offen. Irena Richter (34), Essens jüngste Rektorin, erzählt, was sie antreibt.
Viele Essener Grundschulen haben seit Jahren keine Leiterinnen oder Leiter. An der Emscherschule in Altenessen-Nord gibt es seit Januar eine neue Rektorin, die sagt: „Ich verstehe nicht, warum man nicht an einer Grundschule arbeiten will.“
Irena Richter (34) ist Essens jüngste Schulleiterin. Mit zehn Jahren sagte sie damals ihrer Klassenlehrerin, die später auch Schulleiterin wurde: „Ich will auch Lehrerin werden.“ Irena Richter erinnert sich: „Sie war für mich ein absolutes Vorbild. Sie war so klar und fair.“
Sie kommt, wie sie selbst sagt, aus einem „Arbeiterhaushalt“ in Duisburg, ging immer gern zur Schule, engagierte sich später ehrenamtlich in Kindergottesdiensten und gründete mit Freunden einen Verein, der Ferienfreizeiten für bedürftige Kinder organisierte. „Ich war früh mit Leitungsaufgaben beschäftigt, mir hat das immer Spaß gemacht.“
Referendariat an einer Schule auf dem Land – danach wollte sie zurück ins Ruhrgebiet
Entsprechend früh war auch klar, dass sie Lehramt studiert. Sie ging dafür nach Koblenz, absolvierte ihr Referendariat bei Aachen an einer Schule auf dem Land. Heile Welt, brave Kinder, solide Verhältnisse. Bewusst kehrte sie ins Ruhrgebiet zurück, wollte an Schulen, die sich den Herausforderungen von Großstädten, von Migration und Armut stellen müssen. „Ich wollte dahin, wo ich was verändern und helfen kann.“
Sie kam an die Grundschule im Nordviertel, Beisingstraße, eine der größten Grundschulen im Stadtgebiet, Migrationsanteil bei den Kindern etwa 90 Prozent. Dort übernahm sie zunächst das Amt der Stellvertreterin, später die kommissarische Leitung. Als im Nordviertel dann eine neue, dauerhafte Leitung installiert war, war Irena Richter klar: „Jetzt gibt es kein Zurück mehr.“ Sie war Schulleiterin geworden und wollte es immer bleiben. Folgerichtig steuert sie jetzt die Geschicke der Emscherschule. Dort hatte es seit 2021 Unruhe gegeben, weil sehr viel Unterricht ausfiel.
„Das Problem des Unterrichtsausfalls ist weitgehend behoben“, berichtet die Schulleiterin, „der Regelunterricht findet statt, Vertretungsstunden können gewährleistet werden.“ Sie möchte als Schulleiterin den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort größtmögliche Entlastung bieten, das ist Teil ihres Selbstverständnisses als Rektorin. „Der Job birgt große Burnout-Gefahren, und es ist meine Aufgabe, ein Ausbrennen zu verhindern.“ Dazu zählt auch, dass der gesamte Management- und administrative Aufwand, den der Schulleiter-Job mit sich bringt, möglichst geräuschlos vonstattengehen soll: „Ich fülle auch gerne Excel-Tabellen aus, das macht mir nichts, ich mache alles gern, was den Betrieb weiterbringt.“
Die Schule hat immer noch kein WLAN im gesamten Gebäude
Einen inhaltlichen Schwerpunkt sieht Irena Richter bei der Förderung der sogenannten „Soft Skills“ ihrer Schüler: „Seit Corona merken wir, dass die Kinder noch viel frustrationsanfälliger sind, ungeduldiger und noch mehr Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren.“ Ansonsten will sie Schule „zukunftsfähig“ machen, dazu zählt auch der Umgang mit neuen Medien. „Wir haben leider immer noch kein WLAN im ganzen Haus, zählen zu den letzten Schulen in Essen, die bald damit versorgt werden.“
Damit alle sehen, dass an der Emscherschule an der Stapenhorststraße jetzt ein neuer Geist weht, hat die Leiterin ein neues Logo entwickeln lassen, das künftig alle Briefköpfe und offizielle Schriften der Schule ziert. Das Signet zeigt die zwei Pferde, die als Steinskulpturen seit Jahrzehnten den Schulhof zieren.
Pferde stehen bekanntlich für Freiheit. Die Kinder aus Altenessen und Umgebung sollen an der Emscherschule die Freiheit haben, sich voll und ganz entfalten zu können. Das – nicht mehr, aber auch nicht weniger – will die neue Schulleiterin erreichen.