Essen. Stadtweit sind am Ferienende mehr als 50 Lehrerstellen an Essener Grundschulen dauerhaft unbesetzt. Doch das Problem ist noch viel größer.

Für mehr als 60.000 Schülerinnen und Schüler in Essen beginnt am Mittwoch, 10. August, nach sechseinhalb Wochen Sommerferien wieder der Unterricht. Besonders die Grundschulen gehen personell stark geschwächt ins neue Schuljahr: Nach Angaben der Bezirksregierung sind derzeit mehr als 50 Vollzeit-Lehrerstellen an den 84 Grundschulen im Stadtgebiet dauerhaft nicht besetzt.

50 fehlende Lehrerinnen und Lehrer – das sind gerade mal drei Prozent, wenn man bedenkt, dass an Essener Grundschulen 1525 Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt sind; 855 davon in Voll- und 670 in Teilzeit.

Offiziell drei Prozent der Stellen unbesetzt – doch eigentlich sind es viel mehr

Doch die Statistik sagt nichts über die real existierenden Verhältnisse: „Die dauerhaft unbesetzten Lehrerstellen berücksichtigen nicht die Schwangerschaften, Mutterschutz-Fehlzeiten und Dauererkrankungen“, sagt Ulrike Oberreuter, Leiterin der Grundschule an der Rahmstraße in Altenessen. Allein an ihrer Schule fehlten auch im jetzt beginnenden Schuljahr vier Kolleginnen aus oben genannten Gründen. An der Emscherschule in Altenessen fehlten im vergangenen Winter mehr als die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer.

Besonders chronisch Kranke bereiteten ihren Kollegien dauerhafte Probleme: „Bis die Stelle eines chronisch erkrankten Kollegen mal neu ausgeschrieben wird, vergehen oft Jahre“, berichtet Anke Seifert, Leiterin der Ardeyschule in Rellinghausen.

Selbst Vertretungsstellen bleiben unbesetzt

Auch Corona hat in den letzten Jahren wiederholt Lücken gerissen; und während der letzten Ferientage bekamen viele Leiter von Grundschulen bereits neue Krankmeldungen auf den Tisch wegen Covid 19. Die Bezirksregierung räumt ein: „Leider besteht ein Lehrkräftemangel, sodass die Gewinnung von Lehrkräften sehr schwierig und leider nicht immer erfolgreich ist.“ Das gelte weder nur für Essen noch ausschließlich nur für den Regierungsbezirk. Selbst Vertretungsstellen könnten flächendeckend nicht immer besetzt werden, „dies ist, wie bei den Stellen für dauerhafte Lehrkräfte, auf einen Mangel an Bewerberinnen und Bewerber zurückzuführen.“

Die Leiterin einer Grundschule aus dem Essener Norden berichtet: Als Quereinsteiger-Kandidaten hätten bei ihr schon studierte Architekten vorgesprochen oder Informatiker. „Ohne jede pädagogische Erfahrung wird es sehr schwierig“, sagt sie. Das Lehren müsse man schließlich erst lernen, „wozu haben wir studiert und ein Referendariat gemacht“. An ihrer Schule habe man auf die letzten beiden regulären Stellenausschreibungen genau null Bewerbungen erhalten.

Viele Berufsanfänger wollen nicht im Essener Norden unterrichten

Dabei berichten vor allem die Lehrerinnen und Lehrer aus dem Norden, dass das Arbeiten mit Kindern aus schwierigen Vierteln nicht nur „große Freude“ bereite, sondern auch sehr viel Sinn und Erfüllung biete: „Die Kinder und Familien sind oft sehr dankbar.“ Trotzdem: Die Lehramts-Anwärter könnten sich angesichts der vielen freien Stellen den Job aussuchen – „und viele lehnen es ab, im Norden zu unterrichten“, hat die Schulleiterin beobachtet.

Auch an Förderschulen sind 40 Lehrerstellen unbesetzt

Die dauerhaft unbesetzten Stellen an Essener Schulen verteilen sich nach Angaben der Düsseldorfer Bezirksregierung wie folgt: An den Grundschulen sind 50 Stellen dauerhaft unbesetzt, an den Förderschulen 40 Stellen, an Hauptschulen elf Stellen, an Realschulen 27 Stellen, an Gymnasien zwei Stellen, an Gesamtschulen neun Stellen und an den Berufskollegs in Essen fünf Stellen.

Wenig Abhilfe schaffen da auch die sogenannten MPT-Kräfte – MPT steht für „Multiprofessionelle Teams“. Gemeint sind nicht reine Pädagogen, sondern Sozialarbeiter, Erzieher und Männer und Frauen aus anderen pädagogischen Berufen. Sie werden im Unterricht mittlerweile häufig unterstützend eingesetzt. Je höher der sogenannte „Sozialindex“ einer Schule, desto mehr Stellen bekommt eine Schule zugesprochen. Der Sozialindex wird errechnet aus Faktoren wie: Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder aus Hartz-IV-Familien, Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. „Wir konnten unsere zwei MPT-Stellen besetzen, darüber sind wir sehr froh“, sagt Ulrike Oberreuter aus Altenessen. Doch klar sei auch: Ein vollwertiger Ersatz für studierte Pädagogen seien die Kräfte nicht.