Essen. Corona hat in Essen zum Teil dramatische Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen – so ein Bericht des Kinderschutzbundes.
In Berichten an den Deutschen Städtetag hat das Essener Jugendamt auf zum Teil dramatische Langzeitfolgen der Corona-Pandemie für Kinder und junge Menschen hingewiesen. Und neue Belastungen kämen hinzu. Neben dem Krieg in der Ukraine erschütterten auch die Energiekrise und die Folgen der Inflation das Sicherheitsgefühl junger Menschen, heißt es. „Insbesondere bei Eltern werden Ängste deutlich, ihre Kinder nicht mehr angemessen versorgen zu können.“
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Essener Kinderschutzbundes (DKSB) aus dem Fachbereich Kindesentwicklung hätten die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder bis zu neun Jahren deutlich gemacht, heißt es in einem Bericht des Jugendamtes im Jugendhilfeausschuss zur Post-Corona-Strategie der Stadt Essen. Die Befunde sind zum Teil alarmierend.
So seien in den vergangenen drei Jahren erheblich mehr jüngere Kinder (zwischen zwei und drei Jahren) mit komplexeren Auffälligkeiten in verschiedenen Bereichen (Motorik/Sprache/Verhalten/Interaktion) angemeldet worden.
Experten diagnostizieren deutliche Verzögerungen in der Sprachentwicklung
Ferner verzeichne der DKSB gehäuft Probleme im Bereich der Interaktion. Das heißt: Es gebe wenig bis kein produktives und gemeinschaftliches Spielen. Auch zeigten die Kinder oft wenig bis keinen Blickkontakt. Als Folgeerscheinung seien deutliche Verzögerungen in der Sprachentwicklung beobachtet worden, darunter seien viele drei- bis vierjährige Kinder, die – so wörtlich – keine Sprache zeigten.
Auffällig sei die Zunahme an „sehr unruhigen Kindern“. Sie seien zwar im Raum orientiert, ohne jedoch ein Spiel zu entwickeln. Abzuwarten, zuzuhören und sich zu konzentrieren falle ihnen schwer. Bei Schulkindern werden neben Sprachproblematiken auch große Probleme in der Stifthaltung, beim Umgang mit der Schere und Konzentrationsschwierigkeiten festgestellt. Die Kinder haben deutlich mehr Auffälligkeiten in der Handlungsplanung, in sozialen Fähigkeiten und zeigen oft geringe Leistungsbereitschaft, wenig Frustrationstoleranz, mangelndes Konfliktmanagement und kaum Ressourcen zur Problemlösung.
Außerdem sei eine deutliche Zunahme von Entwicklungsstörungen des emotional-sozialen Bereichs, vor allem bei ganz jungen Kindern, beobachtet worden.
Verhaltensauffällig und aggressiv: Kindertagesstätten bekommen dies zu spüren
Ein stark angestiegener Medienkonsum verstärke diese Problematiken. Teilweise erlebe der DKSB Zweijährige, die täglich bis zu acht Stunden mit Medien beschäftigt werden. Hinzu komme: Häufig beobachte der DKSB ein Nachspielen von Figuren aus dem Medienbereich, die nicht altersentsprechend sind.
Die Auswirkungen auf den Alltag der Kinder und die Familien haben die DKSB-Experten ebenfalls beschrieben. Weil sich Kinder sprachlich nicht angemessen äußern könnten, nähmen Verhaltensauffälligkeiten, wie zum Beispiel Aggressivität, zu. Dies führe vermehrt auch in den Kindertageseinrichtungen zu großen Schwierigkeiten. Teilweise könnten diese Kinder aufgrund des hohen zusätzlichen Betreuungsbedarfs nur stundenweise oder schlimmstenfalls gar nicht mehr betreut werden. Der Fachkräftemängel, auch bei den Integrationshelfern, verstärke diese Problematik
Das Jugendamt der Stadt Essen verweist in seinem Bericht an den Jugendhilfeausschuss auf die „erfolgreiche Bilanz der Post-Corona-Strategie“. In Zahlen ausgedrückt: Durch 728 Förderangebote mit einem Gesamtfördervolumen von fast 3,2 Millionen Euro seien 65.500 hauptsächlich junge Menschen in Essen erreicht worden. „Ein absoluter Sonderfall im interkommunalen Vergleich“, erklärte Muchtar Al Ghusain, Dezernent für Jugend, Bildung und Kultur.