Essen-Schönebeck. Das Schönebecker „Hochzeitswäldchen“ wächst. Wie es die Menschen im Essener Stadtteil zusammenbringt und warum es an seine Grenzen stößt.

Die Mädchen sind schon mal voraus gestürmt, hinein ins Schönebecker Hochzeitswäldchen: „Weißt du, wo unser Baum steht? Wir finden den nicht.“ Der Opa kann helfen. Schließlich hat Klaus Diekmann das kleine Wäldchen im Schönebecker Kamptal vor Jahren auf den Weg gebracht und weiß auswendig, wessen Baum wo steht.

Auch, an welchem der Name von Oberbürgermeister Thomas Kufen zu lesen ist. An einigen Bäumen fehlen die nummerierten Metallplättchen: „Ich habe die Elstern in Verdacht.“ Da hilft die dicke Kladde, in der alles akribisch dokumentiert wurde: „So viele Leute hatten mich angesprochen, weil sie einen Baum stiften wollten. Zu Heirat, Taufe, Kommunion.“

„Mein Gedanke war es, etwas zu tun, das langfristig wirkt. Etwas Dauerhaftes, etwas, das überlebt.“, sagt Klaus Diekmann, der Ideengeber für das Hochzeitswäldchen in Essen-Schönebeck.
„Mein Gedanke war es, etwas zu tun, das langfristig wirkt. Etwas Dauerhaftes, etwas, das überlebt.“, sagt Klaus Diekmann, der Ideengeber für das Hochzeitswäldchen in Essen-Schönebeck. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Der 79-Jährige sieht die Enkeltöchter herumtollen zwischen den schon gut gewachsenen Baumreihen und denkt laut über das Generationenprojekt nach: „Mein Gedanke war es, etwas zu tun, das langfristig wirkt. Etwas Dauerhaftes, etwas, das überlebt.“ Als dann Tochter Claudia ihren Daniel heiratete und ein Erinnerungsbäumchen in den elterlichen Garten pflanzen wollte, kam Klaus Diekmann auf die Idee: „Wir pflanzen ein ganzes Hochzeitswäldchen.“ Gesagt, getan.

Erste Bäume im Schönebecker Wäldchen wurden 2015 gepflanzt

2015 begann die Pflanzaktion. Ein Renner: „Wir haben jetzt 130 Exemplare gepflanzt. So viele Leute wollten sich verewigen. Der Großteil gedeiht prächtig, doch einige Buchen sind nicht angegangen“, erklärt Diekmann. „Die Trockenheit hat ihnen zu schaffen gemacht und der Wildverbiss. Die Firma Knappmann Garten- und Landschaftsbau hat die Lücken aber wieder geschlossen.“

Die ersten freiwilligen Helfer versammeln sich im Schönebecker Hochzeitswäldchen zum Arbeitseinsatz.
Die ersten freiwilligen Helfer versammeln sich im Schönebecker Hochzeitswäldchen zum Arbeitseinsatz. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Heute hat der frühere CDU-Ratsherr zum Arbeitseinsatz gerufen und die Schönebecker sind angerückt. Der 61-Jährige Martin Stockhausen leitet den 35-köpfigen Arbeitstrupp des Bürger- und Verkehrsvereins: „Wir wollen das alles hier erhalten. Wir kümmern uns ums Aufräumen, ums Auf- und Abbauen bei allen Dorffesten, bringen zweimal im Jahr die Dorfwiese auf Vordermann. Jetzt steht das Maibaumfest vor der Tür. Wer bei uns mitmachen möchte, findet uns über die Homepage des Bürger- und Verkehrsvereins.“ Diekmann dankt, indem er Bier bereitstellt, Fleischwurst und Brötchen.

Und betont, dass das Hochzeitswäldchen ein überparteiliches Projekt sei. Zum Beweis „outet“ er den SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Christian Müller. Der 49-Jährige grinst und sagt: „Du bist schwarz und ich rot? Das leben wir in Schönebeck anders.“ Vor 20 Jahren zog ihn die Liebe in den Stadtteil: „Hier ist es wirklich wie in dem berühmten gallischen Dorf. Wir Schönebecker halten zusammen.“

Nachfrage ist mittlerweile größer als die Fläche im Hochzeitswäldchen

Es gibt genug zu tun. Die Brombeeren müssen zurückgeschnitten werden. Stützende Pflöcke müssen eingeschlagen werden, verwitterte Namensschilder bekommen eine neue Holzplatte und werden mit Kabelbindern wieder am Stamm befestigt. Diekmann mahnt zur Vorsicht: „Aber locker, damit der Baum nicht eingeschnürt wird.“ Nun bekommen die Jungbäume noch Holzplatten um den Stamm: „Grün und Gruga möchte demnächst hier mähen. Dieser Schutz verhindert, dass die ganz jungen Bäumchen zu Schaden kommen.“

Sebastian Stockhausen (links) und Daniel Krisch setzen beim Arbeitseinsatz im Hochzeitswäldchen neue Stützpfosten.
Sebastian Stockhausen (links) und Daniel Krisch setzen beim Arbeitseinsatz im Hochzeitswäldchen neue Stützpfosten. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Mehrmals im Jahr stutzt Diekmann „seine“ Bäume und genießt die Zeit auf der 1,3 Hektar großen Anlage: „Das wurde aber einmal richtig unangenehm für mich. Der Zaun schützt nämlich nicht richtig. Der Fuchs geht hier ein und aus. Ich bin da letztens in so ein tiefes Fuchsloch reingetreten und habe mir echt wehgetan. Da war ich auch noch alleine hier.“

In 20, 30 Jahren dürfte es im Schönebecker Hochzeitswäldchen richtig eng werden, denn eigentlich sind die Baumreihen zu dicht gepflanzt. So muss Klaus Diekmann mittlerweile schweren Herzens Absagen erteilen, obwohl die Nachfrage da ist: „So hatte ich zum Beispiel Leute aus Velbert am Apparat. Da war ein Verwandter auf See bestattet worden und die Angehörigen haben sich eine Anlaufstelle hier im Wäldchen gewünscht. Aber wir hier haben schlicht und einfach keinen Platz mehr.“

  • Im Jahr 2012 hatte Grün und Gruga Alarm geschlagen. Der ökologisch wertvolle, bis zu 160 Jahre alte Bestand an Rotbuchen im Naturschutzgebiet Kamptal sei stark beschädigt worden. Zum Beispiel durch Stürme und Spaziergänger. Auch hatten sich Anwohner über dort fahrende Dirtbiker beschwert.
  • Zum Schutz wollte man einen Zaun um den Hain ziehen. Das verärgerte die Bürger.
  • Als Kompromiss kaufte die Stadt eine rund 1,3 Hektar große Feld-Fläche als „Schutzpuffer“ an.
  • Hier, nahe Heißener Straße und Brausewindhang, steht nun das Hochzeitswäldchen.