Essen. Rund 280 Unfälle mit Elektrorollern hat die Polizei Essen binnen drei Jahren registriert. Die Dunkelziffer liegt aber um ein Vielfaches höher.
Die ersten tödlich verunglückten E-Scooter-Fahrer in NRW und immer wieder Alkohol und Drogen als Unfallursache haben die Diskussion um eine Promillegrenze als auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung für die Stadtflitzer befeuert. Heiko Müller, Verkehrsexperte der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen und langjähriger GdP-Chef in Essen, ist überzeugt: „20 km/h sind einfach zu schnell.“
Für die motorisierten Roller fordert die GdP eine Höchstgeschwindigkeit von maximal 15 Stundenkilometern. Gleichzeitig ist Müller ein Verfechter der 0,5-Promille-Grenze, die auf dem jüngsten Verkehrsgerichtstag in Goslar kurzzeitig zur Disposition stand, weil unter anderem der ADAC die Roller mit Fahrrädern gleichsetzen wollte. Für die liegt das Limit bekanntlich bei 1,6 Promille für ein absolutes Fahrverbot.
Der Blick auf die Scooter-Unfälle der vergangenen drei Jahre in Essen mag Müllers Haltung erklären. Auch wenn sich die Zahlenreihen aufgrund der Corona-Pandemie und des zunehmenden Ausbaus der Flotte gewerblicher Anbieter mit zuletzt fast 2500 Fahrzeugen in Essen seit dem Sommer 2019 nur bedingt vergleichen lassen, so seien sie der Vollständigkeit dennoch genannt.
Bei 28 Unfällen waren Alkohol oder Drogen im Spiel
Wie die Polizei Essen auf Nachfrage berichtete, wurden im vergangenen Jahr 144 Unfälle registriert, bei denen Elektro-Roller beteiligt waren. Im Jahr zuvor waren es 75, im Jahr 2020 gerade einmal 31. Macht unterm Strich 281 binnen drei Jahren, die ersten Roller-Crashs des Jahres 2019 noch gar nicht mitgezählt.
In 2022 wurden dabei 123 Menschen verletzt, 16 davon schwer. 15 von ihnen waren Rollerpiloten, die in 103 Fällen als Verursacher ausgemacht wurden. 28 Mal waren zudem Alkohol oder Drogen im Spiel, wodurch 25 Menschen verletzt wurden. Meist sind es junge Männer, die nachts angetrunken verunglücken.
Allerdings dürften die tatsächlichen Unfallzahlen weitaus höher liegen als die statistisch erfassten. Zwei Drittel aller Crashs werden nicht bekannt. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie des Essener Uni-Klinikums gekommen, die auch eine Hauptunfallursache ausgemacht hat: In den meisten Fällen wurden Stürze durch den Kontakt der kleinen Räder mit hohen Bordsteinkanten ausgelöst.
Fast niemand trägt einen Helm
Laut der Studie mussten 70 Prozent der verletzten Scooter-Fahrer stationär im Krankenhaus aufgenommen werden, fast die Hälfte danach operiert werden, ein Fünftel landete sogar auf der Intensivstation. Verletzt wurden am häufigsten der Kopf, die Halswirbelsäule und die oberen Extremitäten.
Nur einer der laut der Studie verunglückten E-Scooter-Fahrer hatte einen Helm auf, obwohl die Kopfbedeckung besonders schwere Verletzungen verhindern könnte. Dagegen hätten zum Vergleich Unfallopfer, die mit dem Fahrrad oder E-Bike unterwegs waren, in über 50 Prozent der Fälle einen Schädelschutz getragen.
Unter Alkoholeinfluss verunglückte etwa jede(r) achte der Fahrerinnen und -Fahrer. Die Hälfte dieser Promille-Unfälle, die insbesondere an Wochenenden oder vor Feiertagen passierten, hatte schwere Kopfverletzungen zur Folge. Vor diesem Hintergrund sollten Rollernutzer intensiver kontrolliert werden, forderten die Macher der Studie.
Jede Menge Alkohol- und Drogensünder erwischt
Nach dem ersten Start der E-Scooter in Essen hatte die Polizei die Überprüfungen in der Tat intensiviert: Allein zwischen Mitte Juni und Mitte Oktober 2019 gingen den Beamten 53 Alkohol- und Drogensünder auf den zwei kleinen Rädern ins Netz. Die, die erwischt werden, meist junge Männer in der Innenstadt und Rüttenscheid, wissen oft gar nicht, was auf den Rollern verboten und was erlaubt ist, hat die Polizei festgestellt.
Unter anderem gelten für die Stromer dieselben Promillegrenzen wie beim Auto- oder Motorradfahren. Schnell ist der Führerschein futsch, und wer mehr als 1,1 Promille Alkohol intus hat, begeht sogar eine Straftat. Und selbst das ist in Essen mehrfach vorgekommen.