Essen-Leithe. Fasziniert von den Werken Vermeers, dient der Autorin aus Leithe ein Ölgemälde als Buchvorlage. Wie Vermeer nach Essen kam.

Als Kind faszinierte sie ein Druck von Vermeer. „Das Bild des niederländischen Malers hing in einem Rahmen über dem Sofa der Großeltern“, erzählt Regina Schymiczek. Jahrzehnte später diente der Essener Kunsthistorikerin ein Ölgemälde als Basis für einen historischen Roman. „Briefgeheimnis“, ist im Januar 2023 erschienen - ein spannender Plot mit Krimi-Elementen.

In ihrer Wohnung in Leithe lebt die Schriftstellerin ein bisschen wie in einer anderen Zeit. Die Einrichtung zeigt: Sie liebt alte Dinge, Gemälde, Bücher und dunkle Holzmöbel. Im Kamin flackert ein Feuer, im Sessel davor sitzt die 61-Jährige mit ihrem neuesten Werk. „Delft, November 1660. Joris schlug sich den Mantelkragen hoch und zog seine Mütze noch ein bisschen tiefer ins Gesicht, als er aus dem Haus der Lukasgilde trat“, liest Regina Schymiczek den ersten Satz aus „Briefgeheimnis“, ihrem neuesten Werk.

Vor Ort recherchierte Essener Autorin für ihr Buch

Joris ist der 17-jährige Lehrling von Vermeer. Gab es ihn wirklich? „Es ist nicht belegt, dass Vermeer Lehrlinge hatte. Die Figur ist aber ideal, um den Lesenden Einblicke in das Leben und die Ausbildung von Malern im 17. Jahrhundert zu geben.“ Ende 2019 reiste die Essenerin mit ihrer inzwischen verstorbenen Mutter und der besten Freundin in die Porzellanhochburg Delft in Südholland. In der heute rund 110.000 Einwohner zählenden Stadt recherchierte sie für die Geschichte.

Das Werk des Malers Vermeer, „Der Liebsbrief“, darf auf dem Buchumschlag verwendet werden.
Das Werk des Malers Vermeer, „Der Liebsbrief“, darf auf dem Buchumschlag verwendet werden. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Jan Vermeer wuchs am Markt auf, wo seine Mutter eine Schenke betrieb, gleich hinter der Kirche an der Voldersgracht. Später zog er mit Frau und Kindern in ein Haus am Oude Langedijk, auf der anderen Kirchenseite. Beide Häuser gibt es nicht mehr, dennoch finden sich Spuren des späteren Barockmalers, von dem kein Geburtsdatum, sondern nur der Tauftag bekannt ist. „Durch seine Heirat stieg er gesellschaftlich auf. Um seine reiche Frau ehelichen zu können, konvertierte er zum Katholizismus“, weiß Schymiczek. 37 Bilder hat der Meister des Lichts und der Farbe gemalt, fast alle sind derzeit im Rijksmuseum in Amsterdam zu bewundern.

Nach dem Studium verfasste Essenerin Fachtitel, Kinderbücher und Fantasyromane

Erst vor ein paar Tagen reiste die Essener Autorin zur größten jemals gezeigten Vermeer-Ausstellung in die Niederlande. Bei unserem Besuch in Leithe hat sie Vermeers Ölgemälde noch vor Augen. „Die Milchmagd“, „Straße in Delft“ und „Das Mädchen mit dem Perlohrgehänge“. Doch nach wie vor das faszinierendste Bild war ihr „Der Liebesbrief“, entstanden in den Jahren 1669/1670. Mit nur 44 Zentimetern Höhe und 38,5 Zentimetern Breite ein wahrhaft kleines großes Werk. Vermeer war ein guter Beobachter und hielt hier eine Szene zwischen einer Herrin und ihrer Dienstmagd fest.

„Das Motiv gibt einige Rätsel auf“, erläutert die promovierte Kunsthistorikerin. Genau hier setzt ihr Roman an, der das barocke Leben im Goldenen Zeitalter der Niederlande spiegelt und nebenbei versteckte Codes der Bilder jener Zeit enthüllt. Nach dem Studium der Kunstgeschichte – ihre Doktorarbeit schrieb sie über die steinernen Wasserspeier an der Fassade des Kölner Doms - verfasste Regina Schymiczek seit 2002 mehrere Fachtitel sowie Kinderbücher und Fantasyromane.

Nach der Arbeit liest die Essener Autorin selbst gern Thriller

„Der Liebesbrief“ liegt der Kunsthistorikerin jedoch besonders am Herzen. So eine Verbundenheit mit dem Thema verspürte sie zuletzt 2010. Da erschien ihr in Essen spielender Mittelalter-Roman „Hildegundis und die Kinderkrone.“ Darin wird das Ruhrgebiet im Jahre 1040 lebendig, mit Wäldern am Fluss, in denen Wölfe, Wildschweine und Räuber hausten. „Hildegundis ist eine Grafentochter und wird im Alter von zwölf Jahren zur Erziehung in das hochadelige Damenstift Astnide geschickt“, so die Autorin weiter. Damit habe sie nicht nur in Buchhandlungen, sondern auch in einigen Schulen Lesungen veranstaltet. „Das war eine sehr schöne Erfahrung“, sagt sie.

Kontakt zur Autorin

Regina E.G. Schymiczeks historischer Roman „Das Briefgeheimnis“ hat 286 Seiten und ist im Januar 2023 bei BOD unter ISBN 9783756836062 erschienen (gebundene Ausgabe). Auch ein E-Book ist verfügbar (ISBN: 9783757863685).

Wer die Autorin zu öffentlichen Lesungen einladen möchte, kann sich per Mail an sie wenden. Kontakt: .

Nach der Arbeit liest sie selbst gern Thriller, etwa die des US-Autors Dan Brown oder die historischen Romane Rebecca Gablés. Und ein großer Film-Fan ist Schymiczek, die in Leithe schon ihre Kindheit und Jugend verbrachte. „Ich schwärme für die ‚Indiana Jones`-Reihe“, gesteht sie. Ihr neustes Buch, das sie vor allem an Wochenenden und im Urlaub im Ferienhaus in Holland schrieb, sei ein „All-Ager“, geeignet für Leser ab circa 16 Jahren.

Das berühmte Motiv durfte sogar auf den Buchumschlag

Zurück zu Vermeers „Der Liebesbrief“: Durch einen dunklen Vorraum blickt der Betrachter in ein helles Zimmer. Im Vorraum am rechten Bildrand steht ein Stuhl mit Musiknoten. Über dem Stuhl ist ein Vorhang eingeklemmt. In der Mitte des hinteren Raumes sitzt eine Dame mit einer Laute auf dem Schoß. In ihrer rechten Hand hält sie einen Brief, den ihr ihre Dienstmagd überreicht hat. Dass sie das berühmte Motiv so problemlos auf den Umschlag ihres Romans setzen durfte, konnte Schymiczek zunächst kaum glauben. Doch dank des Hinweises des Vermeer Centrums in Delft, gab das Rijksmuseum in Amsterdam der Anfrage schnell und unkompliziert grünes Licht.

„In Vermeers Epoche war es ein beliebter Zeitvertreib, Gemälde in Gesellschaft zu betrachten. Die Bilder waren hinter Vorhängen verborgen, die man erst vor den Gästen aufzog, um dann über die Motive zu diskutieren.“ Viele Deutungen habe der Blick der Herrin hervorgerufen, die zur Magd schaut. Und über den Inhalt des Liebesbriefes rätselte man. Die Autorin aus Leithe hatte da so eine Idee …