Essen-Heisingen. In Heisingen beantragten Grüne die Umbenennung einer Haltestelle, da der Namensgeber eine NS-Größe war. Ruhrbahn erklärt, was nun passiert.
Zur umstrittenen Bushaltestelle und dem Beschluss, diese umzubenennen, gibt es nun ein Datum: Ab dem 7. August soll die Ruhrbahn-Bushaltestelle „Tengelmann-Ring“ der Linien 153 und NE7 in Heisingen Geschichte sein. Die Beschilderung wird dann laut Ruhrbahn ausgetauscht. Zukünftig wird die Haltestelle nach der nahe gelegenen Stichstraße „Soniusweg“ heißen. Vorausgegangen waren Diskussionen um den Namensgeber.
Ruhrbahn-Sprecherin Simone Klose erläutert: „Solche Umbenennungen erfolgen in erster Linie, wenn sich Ziele ändern, die sich im Haltestellennamen befinden. So zum Beispiel bei Krankenhäusern oder Einrichtungen von lokalem Interesse. Oder wenn es Wünsche durch Dritte gibt, die wir erst überprüfen und abstimmen müssen.“ Der Aufwand sei nicht unerheblich: „Hierfür müssen nicht nur die Haltestellenfahnen vor Ort, sondern auch alle Fahrgastinformationen in Print und digital sowie die Versorgung der Fahrzeuge mit neuen Haltestellennamen in den IT-Systemen erfolgen.“
Die Familie stehe für eine tatkräftige Unterstützung Hitlers
Warum also dieser Aufwand? Anlässlich einer Gedenkveranstaltung sprach Ratsherr Jan-Karsten Meier (Grüne) an, dass es sich um eine Familie handele, die für eine tatkräftige Unterstützung Hitlers stehe. Ein von den Grünen im Bezirk VIII in Auftrag gegebenes Gutachten der Ruhr-Universität Bochum habe die NS-Vergangenheit Ernst Tengelmanns detailliert aufgezeigt, so Meier: „Er galt als rechte Hand des verurteilten Kriegsverbrechers Friedrich Flick.“ So steht es auch auf dem Zusatzschild in Heisingen unter dem Straßennamen, der bleiben wird: Der Ruhr-Industrielle Ernst Tengelmann sei ein überzeugter Wegbereiter der Machtübernahme der Nazis in Deutschland gewesen.
Die Grünen und die Bürgerschaft Heisingen gedachten nun eines heiklen Datums, bei dem Ernst Tengelmann eine Rolle spielte, wie Meier berichtete: „Am 20. Februar 1933, abends um 18 Uhr, gab es in Berlin ein Treffen von Adolf Hitler mit den Köpfen der deutschen Schwerindustrie.“ Darunter auch der schon 1930 der NSDAP beigetretene Tengelmann, Vorstandsvorsitzender der Essener Steinkohlebergwerke AG. Meier nannte den Grund für dieses Geheimtreffen: „Die NSPAP hatte sich im Wahlkampf finanziell übernommen und war pleite. Doch sie hatte sogar Stimmen verloren.“
Nun musste finanzielle Unterstützung her: „Heute würde man Fundraising sagen. Die völkische Idee wurde propagiert. Nur ein wehrhaftes Volk könne sich verteidigen. Kurz darauf lagen drei Millionen Reichsmark auf dem Tisch und die Nazis waren ihre Geldsorgen los“, blickt Meier zurück. Ernst Tengelmann habe einen erheblichen Beitrag geleistet. Es folgten Reichstagsbrand, Ermächtigungsgesetz und Abschaffung der Demokratie in Deutschland. Meiers Fazit: „Ohne die Gelder der Industrie und damit auch von Ernst Tengelmann wären Gewaltherrschaft und Kriegsvorbereitung wohl so nicht erfolgt.“
Das Prozedere bei Anträgen zur Namensänderung von Haltestellen ist langwierig
Auch der Sohn Wilhelm Tengelmann sei nicht unbelastet. Er sei schon 1920 beim Kapp-Putsch dabei und persönlich mit Himmler und Göring befreundet gewesen. „Der SS-Obersturmbannführer Wilhelm Tengelmann war als kommissarischer Landrat in Unna 1933 verantwortlich für die Verhaftung und Einlieferung zahlreicher politischer Gegner ins KZ Schönhausen in Oberkamen“, erfahren die Teilnehmer beim Ortstermin.
Bei all dieser Historie und dem Wissen darum, entstand der Wunsch, den Namen von der Bushaltestelle zu streichen. Das Prozedere bei Anträgen zur Namensänderung von Haltestellen ist dann jedoch langwierig: Der zuständige Fachbereich der Ruhrbahn prüft zunächst die Vorschläge auf Notwendigkeit, Umsetzbarkeit und Kosten. Dann wird das Thema im Arbeitskreis ÖPNV zur Abstimmung mit dem Aufgabenträger besprochen.
Anschließend erfolgt eine Beteiligung der zuständigen Bezirksvertretung. Die hatte in ihrer Sitzung bereits am 3. November 2021 die Verwaltung einstimmig um Prüfung gebeten, ob die Bushaltestelle umbenannt werden könne. Nun erfolgt die Umsetzung von der Ruhrbahn. Ab dem 7. August wird also nicht mehr der Name einer in die NS-Zeit verstrickten Familie ausgerufen, sondern der eines Abtes der Werdener Benediktinerabtei. Anselm Sonius war Zeitgenosse Mozarts und starb am 28. Oktober 1774. Er hielt sich oft im zur Werdener Abtei gehörenden Haus Heisingen auf.