Essen. Die Stadt Essen reagiert mit einem Hochhaus-Konzept auf Anfragen von Investoren. Nicht nur südlich des Hauptbahnhofs soll es hoch hinaus gehen.
Im Mittelalter prägten Kirchtürme die Silhouette der Stadt, im 19. Jahrhundert Schlote und Zechentürme. Nach dem 2. Weltweltkrieg symbolisierten die Hochhäuser südlich des Hauptbahnhofs den wirtschaftlichen Wiederaufstieg der Stadt zur Verwaltungs- und Dienstleistungsmetropole im Ruhrgebiet.
Auch in jüngster Zeit erreichen die Stadtverwaltung immer wieder Anfragen von Investoren, die in die Höhe bauen wollen. Aktuelles Beispiel: Der Essener Projektentwickler Arsatec will unweit des Hauptbahnhofs an der Hachestraße ein Hochhaus errichten. Mit einer Höhe von 135 Metern würde es den 127 Meter hohen RWE-Turm als höchste Gebäude der Stadt ablösen.
Wo könnten sonst noch Hochhäuser gebaut werden? Was ist wünschenswert? Und was geht gar nicht? Darauf will die Stadt Antworten geben – mit einem Hochhausentwicklungskonzept.
Martin Schlegel soll dieses Wortungetüm mit Leben füllen. Der Stadtplaner, der im städtischen Planungsamt für die Innenstadt zuständig, nennt Hochhausbauten, die in der modernen Architektur als beispielhaft gelten: das Bosco Verticale in Mailand, bekannt durch seine spektakulären Terrassen, auf denen Bäume wachsen. Ein Hochhaus in Kanada, aus Holz gebaut...
Der Wohnturm „Phil“ an der Huyssenallee ragt aus seiner Umgebung heraus
Aber Essenerinnen und Essener müssen gar nicht in die Ferne schweifen. An der Huyssenallee ist mit „Phil“ ein 60 Meter hoher Wohnturm entstanden, der im wahrsten Sinne des Wortes herausragt.
„Wir wollen als Verwaltung sprachfähig sein“, sagt Schlegel. Und vorbereitet, wenn weitere Investoren und Bauherrn auf die Stadt zukommen. Auch wenn die Stadt ihr eigenes Hochhaus-Projekt erst kürzlich wegen ausufernder Kosten beerdigt hat. Das Bürgerrathaus wird nicht gebaut.
Ab einer Höhe von 22 Metern gilt ein Gebäude als Hochhaus
Ab was ist es ein Hochhaus? Alles, was höher ist als 22 Meter, sagt die Bauordnung. Die höchsten Gebäude in der Innenstadt sind um die 20 Meter hoch. Doppelt so hoch wäre nach Lesart des Planungsamtes ein kleines Hochhaus, ab einer Höhe von 60 Metern könne man von einem mittelgroßen Hochhaus, ab 80 Metern von einem großen Hochhaus sprechen. Um diese Höhen geht es beim Hochhausentwicklungskonzept, nicht um eine Skyline wie sie New York oder Chicago zu bieten haben, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen.
Essens Skyline lässt sich südlich des Hauptbahnhofs bewundern. Auch wenn es einem nicht gleich vor Bewunderung die Sprache verschlägt: Vergleichbares gibt es im Ruhrgebiet nicht, sagt Martin Schlegel. Da ist es keine Überraschung, dass sich die Stadt eben dort, entlang von Eisenbahngleisen und A 40 weitere Hochhäuser vorstellen kann.
Bei der Planung für neue Hochhäuser soll das unmittelbare Umfeld mitgedacht werden
Auch „Phil“ ganz in der Nähe soll möglichst kein Solitär bleiben. Die breite Huyssenallee sei förmlich dafür angelegt. Obwohl dort das alte RWE-Hochhaus gerade erst abgerissen wurde, um Platz zu machen, für einen Unternehmenscampus des Sensortechnik-Herstellers Ifm.
Als bestens geeignet für Hochhausbauten gilt auch die Schützenbahn. Überhaupt seien die Gebäude entlang der großen Straßenzüge, angelegt in den 1960er und 1970er Jahren, viel zu klein gemessen am Verkehrsraum davor. Wie man diesen Raum nutzt, steht auf einem anderen Blatt, betont Schlegel. Mehr Grün, mehr Platz zum Verweilen – auch das unmittelbare Umfeld soll bei der Planung mitgedacht werden.
Ginge es nach der Stadtplanung, könnte auch die Universität-Duisburg Essen in die Höhe bauen. Pläne für einen Bibliotheksturm auf dem Campus sind zwar schon vor Jahren wieder in den Schubladen verschwunden. Aber dabei muss es ja nicht bleiben, das nahe gelegene Thurmfeld böte genügend Platz nicht nur für Gedankenspiele.
Rund um die Innenstadt soll es nicht ganz so hoch hinaus gehen. Der Stadtkern selbst soll ganz frei bleiben von Hochhäusern. Das Gefälle in Richtung Norden soll bei den Planungen berücksichtigt werden. Ein Hochhaus am nördlichen Rand der City dürfte eines am Hauptbahnhof nicht überragen.
Die Stadt Essen wünscht sich öffentlich zugängige Dachterrassen
Standards wünscht sich die Stadt auch bei der Ausgestaltung der Hochbauten: ein offenes und transparentes Erdgeschoss, öffentlich zugängliche Dachterrassen oder Zwischengeschosse für Restaurants oder Cafés. Welcher dieser Wünsche auch Wirklichkeit wird, bleibt im Einzelfall abzuwarten, hängt an Verhandlungen mit Bauherrn oder Investoren. Letztere müssen in jedem Fall einen Architekten-Wettbewerb ausloben. Die Stadt will dies vorschreiben.
Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Hochhaus zu bauen, weiß also schon, was erwartet wird. Im Laufe der ersten Jahreshälfte soll die Politik über das Hochhausentwicklungskonzept befinden. Planer Martin Schlegel nennt übrigens seinen Arbeitsplatz als besonders gelungenes Beispiel für einen Hochhausbau in Essen: Das Deutschlandhaus an der Lindenallee, erbaut 1928/29 von Jacob Koerfer, ist das erste Hochhaus der Stadt.