Essen-Überruhr. Die Stadt möchte den Marktplatz in Überruhr-Hinsel umgestalten. Das geht der Politik nicht weit genug. Was sie fordert und welche Hürden es gibt.
Hitze abmildern, Überflutungen bei Starkregen vermeiden, Aufenthaltsqualität erhöhen: Geht es nach Plänen der Stadt, soll der Marktplatz Überruhr-Hinsel mit seiner Fläche von ca. 2500 Quadratmetern neu gestaltet werden. Dabei haben die Verantwortlichen vor allem das Klima im Blick, es könnten Bäume gepflanzt und Flächen entsiegelt werden.
Das Vorhaben betrifft insgesamt drei Plätze in der Stadt. Bewilligt wurden dafür vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung rund 1,3 Millionen Euro. Da der Bund das Projekt fördert, liegt der Eigenanteil der Stadt bei rund 130.000 Euro.
„Platz fürs Klima - Klimaresiliente Umgestaltung von Plätzen im Essener Stadtgebiet“ heißt das Projekt, über das der Rat am Mittwoch, 15. Februar, entscheiden wird. Diese Anpassung sei mit Blick auf steigende Temperaturen, Hitze- und Trockenphasen sowie Starkregen- und Hochwasserereignisse im Zuge des Klimawandels zwingend notwendig. Dabei denken die Verantwortlichen an Baumrigolen, neue Bäume, Pflanz- und Verschattungselemente, Zisternen und Kapillarrohren sowie Vernebelungsanlagen.
In Überruhr-Hinsel sollen Maßnahmen gegen Hitzebelastung im Vordergrund stehen
Bevor es aber derart konkret wird, haben Zuständige des Amtes für Geoinformation, Vermessung und Kataster analysiert, wie stark die Flächen in Essen verschatten und versiegelt sind. Das wiederum war die Grundlage dafür, Plätze mit besonderem Erneuerungsbedarf auszuwählen. Das sind neben den Marktplätzen in Überruhr-Hinsel und Borbeck auch der Giebelplatz auf der Margarethenhöhe.
Bewilligung der Fördersumme
Das Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ zielt darauf ab, Projekte der Grün- und Freiraumentwicklung mit hoher Wirksamkeit für Klimaschutz (CO2-Minderung) und Klimaanpassung zu fördern. Dafür hat die Stadt Essen hat 2021 erfolgreich eine Projektskizze eingebracht, der Haushaltsausschuss des Bundestages hat diese ausgewählt. Zur Umsetzung des Projektes mit einem Gesamtbudget in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro wurden 1,2 Millionen Euro – also 90 Prozent – der Gesamtkosten in Aussicht gestellt.
Im November 2022 hat das Essener Umweltamt den Projektantrag für das Projekt „Platz fürs Klima – Klimaresiliente Umgestaltung von Plätzen“ im Stadtgebiet dann eingebracht. Seit Ende 2022 liegt nun der Bewilligungsbescheid über die Zuwendung der 1,2 Millionen Euro vor.
Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, einen stadtklimatischen Ausgleich zu schaffen, die Abkopplung von Regenwasser zu ermöglichen, CO2 zu binden, die Ausdehnung von Hitze-Hotspots zu verringern, die Artenvielfalt zu erhöhen und die Aufenthaltsqualität zu steigern. Wenn dann die Umgestaltung erfolge, können diese zudem als Blaupause für andere Plätze in Essen sowie in anderen Städten genutzt werden.
Nun soll zunächst mit Hilfe einer Machbarkeitsstudie geprüft werden, was realistisch sein wird. Zudem soll diese Studie eine Schätzung der zusätzlichen Kosten liefern, die zum reinen Straßentiefbau hinzukämen.
Beim Marktplatz in Überruhr-Hinsel sollen Maßnahmen gegen die Hitzebelastung im Vordergrund stehen, da Schatten hier Mangelware ist. Die aktuelle Klimaanalyse der Stadt weist dort ein „Innenstadtklima“ aus, das bedeutet einen hohen Versiegelungsgrad, Wärmeinseln und lufthygienische Belastungen. Die alten Bäume sollen bei den neuen Plänen bestehen bleiben. Auf die Frage nach Parkplätzen antwortet die Stadt derzeit, dass diese grundsätzlich beibehalten werden sollen, eine verbindliche Aussage soll es jedoch erst geben, wenn die Machbarkeitsstudie ausgewertet sein werde.
Politischer Druck für die Neugestaltung der Mitte in Überruhr-Hinsel
Der Platz in Überruhr ist ohnehin bereits in den Fokus für eine Umgestaltung gerückt, da zuständige Politiker das Thema bereits 2019/20 aufgegriffen hatten. So beschäftigt sich Mitglieder eines Arbeitskreises der Bezirksvertretung mit der Aufwertung des Zentrums Überruhr und des Marktplatzes.
„Wir haben das Thema mit der Bürgerschaft ins Leben gerufen“, blickt CDU-Ratsherr Thomas Ziegler zurück. Dieser politische Druck aus dem „Dörfchen“ habe offenbar geholfen, damit sich etwas tue. Wenn der Rat nun beschließen werde, das Programm umzusetzen, müssten sie alle zunächst schauen, was möglich sein werde. „Denn wir können für und während dieser Umgestaltungen Dinge wie das Kirschblütenfest oder den Wochenmarkt nicht opfern.“
Zudem glauben nicht nur die Christdemokraten, dass man mehr in der Stadtteilmitte machen könne, als das Projekt vorsehe. „Wenn das ein Erfolg werden soll, muss rasch etwas Sichtbares her“, sagt Ziegler, da die Menschen im Stadtteil sich schon lange mit der eher tristen Situation zufrieden geben müssten. Zunächst seien etwa Baumreihen oder Baumbeete denkbar, um die sich Paten wie Bürger oder Händler kümmern könnten. „Mit Grün und Gruga allein funktioniert das leider nicht“, sagt Ziegler aus Erfahrung.
Sorgen bereiten leerstehende Wohnungen über den Geschäften
Er möchte zudem einen Schritt weiter gehen und den Wochenmarkt ertüchtigen. Dort komme man sich mitunter verlassen vor, während nur sechs Kilometer weiter in Heisingen die Hölle los sei. Folglich müsste man in Überruhr zunächst mit den Marktbetreibern sprechen und vor allem für vernünftige Strom- und Wasseranschlüsse sorgen. Dann könnte die Bürgerschaft auch eine Kirmes planen, Schausteller hätten bereits Interesse signalisiert.
Was aber bei all diesen Ideen noch viel wichtiger sei: „Wir dürfen nicht nur an den Marktplatz denken, sondern an das gesamte Konstrukt samt Einkaufszentrum.“ Damit spricht der Politiker auch die Immobilien und die leerstehenden Wohnungen über manchen Geschäften an und bedauert gleichzeitig, dass sie keinen Kontakt zum Investor hätten. Vielleicht könnte ein Passus in der städtischen Satzung helfen, damit die Gebäude nicht verkommen, sagt er Richtung Rathaus. „Derzeit sehen wir verschenktes Potenzial an dringend benötigtem Wohnraum.“
Bürger und Bürgerinnen sollen an den Plänen in Essen-Überruhr beteiligt werden
Dabei gebe es doch keine Denkverbote, sagt Ziegler, hofft auf das Einkaufszentrum als „urbane City“. Hier könne man einiges bewegen, vielleicht könne der Investor im Zuge der Renovierung eine weitere Etage auf die Häuser setzen und die Wohnungen barrierefrei gestalten. „Dieses Thema wird eines unserer Schwerpunkte sein und und wir sind froh um jeden Mitspieler“, sagt Ziegler.
Was die Stadt derzeit bereits bei ihren Plänen zusichert: Die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Platzes als Marktplatz, Aufenthaltsort und Veranstaltungsplatz soll durch die Projektmaßnahmen nicht eingeschränkt werden. Und: Abgesehen von den zahlreichen Fachleuten, die an dem Vorhaben beteiligt sein sollen, sollen auch Bürger und Bürgerinnen gefragt sein. Möglich seien etwa Vor-Ort- oder Online-Infoveranstaltungen sowie Online-Befragungen.