Essen. „The Residents“ verstecken sich seit Jahrzehnten hinter Masken. Nun war die geheimnisvolle amerikanische Kultband in Essens Zeche Carl zu hören.
„The Residents“ sind schon mit Masken auf die Bühne gegangen, da haben Künstler wie „Deichkind“ und „Cro“ nicht mal an musikalischen Mummenschanz gedacht. Das skurrile Quartett aus San Francisco kann mittlerweile sein 50-jähriges Jubiläum als „Kultband“ feiern. Dass die Amerikaner mit Songs aus dem ikonischen „Duck Stab!“-Album von 1978 sowie mit neuen Songs vom 2020 veröffentlichten Album „Metal, Meat & Bone“ jetzt in der nahezu ausverkauften Zeche Carl zu erleben waren, darf als echte Sensation gewertet werden.
Videos zeigen tanzende Ku-Klux-Klan-Mitglieder oder einen weinerlichen Donald Trump
„The Residents“ haben es bis heute geschafft, ihren Avantgarde-Rock „Faceless Forever“, also mit noch immer nicht identifizierten Musikern zu präsentieren. Wie viele Musiker im Lauf der Zeit bei der Gruppe, die angeblich 1970 in Louisiana gegründet wurde, aktiv waren, bleibt im obskuren Dunkeln, ebenso wie die aktuellen Musiker. Sie haben ihre klassischen Glubschaugen-Masken wie ihre zuletzt präsentierten Pest-Heiler-Masken abgelegt. Wenn sich der dichte Bühnennebel in Essen einmal lichtet, werden vier Musiker als eine Art Mumie im Satin-Schlafanzug sichtbar.
Schlagzeug, Gitarre und eher minimalistisch eingesetzte Elektrosounds und ein heiserer, expressiver Gesang bilden den musikalischen Rahmen für den Mummenschanz, der in eine theatralisch inszenierte Bühnenshow eingebettet ist. In dem Video-Bullauge, das an frühere Pink Floyd-Shows erinnert jedoch von entschieden kleinerer Dimension ist, laufen Videos, darunter mit Menschen-Bildern, die von Francis Bacon inspiriert scheinen, von tanzenden Ku-Klux-Klan-Mitgliedern oder von einem weinerlichen Donald Trump.
Der Gesang klingt nach waidwund röhrendem Platzhirsch aus der Death Metal-Fraktion
Der Sänger klingt manchmal wie der stimmlich raubeinige Tom Waits, der sich vom Blues abgewandt und sich dafür Frank Zappas Mothers of Invention zugewandt hat. Der Gesang klingt nach waidwund röhrendem Platzhirsch aus der Death Metal-Fraktion, der sich in Richtung klangliche Avantgarde verirrt hat; oder etwa wie bei „Die! Die! Die!“ wie ein tollwütiger Leonard Cohen unter dem Einfluss ganz übler synthetischer Drogen.
Die stilistische Mischung aus Avantgarde, Rock, Funk und Jazz, auch wenn sie bisweilen einem psychedelischen Alptraum gleicht, verirrt sich jedoch nie im Beliebigen, ein inhaltlicher roter Faden von amerikanischer Gesellschaftskritik ist stets auszumachen. Dass ihr Rock-Spektakel-Konzept nach sechs Dekaden mittlerweile ein wenig redundant geworden ist, kann „The Residents“ nicht ernsthaft vorgeworfen werden. Unter dem Strich haben sie aber noch immer die Nase ziemlich weit vorn.