Essen-Steele. Kegelabende, Nikolaus- und Ostereierkegeln: Die Gemütlichen Neun würden 100-Jähriges feiern. Doch ihr Kegelclub ist Geschichte, wie viele andere.
„Nach fröhlichem Kegeln wurde zu einer Gründung geschritten!“ Diese Worte stammen von 1923 und begründen den Anfang der „Gemütlichen neun“. Würde es ihn noch geben, so würde der Verein mit seinen Steeler Kegeljungen nun im Februar 100 Jahre alt. Doch er teilt das Schicksal zahlreicher Kegelvereine, die auch in Essen nach und nach verschwanden.
Wer mit den Steelern kegeln wollte, zahlte seinerzeit 15 Pfennig pro Woche. Dieser Betrag wurde fünf Jahre nach der Gründung festgelegt. Denn bei dieser waren es noch 500 Mark und der Kassierer bald Millionär. Es waren allerdings Zeiten, als schon ein Aschenbecher mit Kegelbrett aus Marmor und Bronze als Wanderpreis 100.000 Mark kostetet. An dieser Preisgestaltung lasse sich die damalige Hyperinflation erkennen, erklärt Norbert Nülens vom Steeler Archiv, dessen Vater 1932 in einem Protokoll als Anschreiber genannt wird, in seinem Beitrag (Stela Historica, Heft 18).
Schon im Gründungsjahr mussten Kegelabend eingestellt werden
Dem Sohn sind nun einige Kladden aus den Anfangsjahren in die Hände gefallen, die die Atmosphäre beim Kegeln lebendig schildern und auch den Umstand, dass es zu Beginn kaum so aussah, als könnte der Klub auch nur zehn Jahre lang bestehen. Denn bereits in seinen Anfängen löste er sich gleich mehrfach auf, um „sich kurz darauf wieder zu gründen bzw. die Klubgeschichte fortzuführen“, hat Norbert Nülens notiert. Es war schon im Oktober 1923 so weit, die Kegelabende mussten eingestellt werden, weil Franzosen die Bahn belegten.
Ein Streit unter den Mitgliedern bei einem Ausflug führte 1927 wiederum dazu, dass einige ihn verließen. Der Verein ruhte mangels Kegelfreunden aber nur kurz, mit zehn Kegelbrüdern und Kegelabenden ging es schließlich doch weiter. Als deutlich harmonischer wird da im Protokoll ein frühes Festessen mit Preiskegeln für Damen und Herren beschrieben und auf Bilder verwiesen. Wie gut sich die Gäste amüsierten, bleibt allerdings ihr Geheimnis – „die Bilder sind nicht erhalten“.
Ein Foto aus dem Gründungsjahr hingegen zeigt einen gemütlichen Abend der „Klubmitglieder und ihrer Begleiterinnen“. Grund zum Feiern hatten die Steeler zudem 1929, als sie im Klubkampf gegen die Freisenbrucher „Bösen Buben“ zehn von zehn Partien gewannen. Im Protokoll stand dann: Die Kegelbrüder der Gemütlichen Neun hatten einen schlechten Tag. Als Belohnung gab es dann 60 Glas Bier, die die Verlierer ausgeben mussten. Getrunken wurden diese gemeinsam.
An manchem Eintrag lassen sich zudem gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwickelungen erkennen, etwa, als ein Kegelbruder bat, seine Kegelgelder zu stunden. Es müssen offenbar schlechte Zeiten für Steeler Einwohner gewesen sein, schlussfolgert auch der Verfasser. Von Problemen und Sorgen zeugt auch ein Gedicht, das den Protokollen beigefügt ist („Da war einer, der bezahlt immer morgen, Und so hatte der Kegelclub seine Sorgen“). Vom zehnjährigen Bestehen berichtete die Zeitung, später auch zum 40. Geburtstag.
Der allerletzte Eintrag stammt dann von 1972
Abrupt enden die Aufzeichnungen der Kegelbrüder dann 1933, Mitte des Jahres hat es noch einen Kegelausflug gegeben. Ein Jahr später ist ein weiteres Mal eine Wiedergründung notiert. Der allerletzte Eintrag stammt dann von 1972. Als Zeitdokumente existieren noch zwei Fotos, die der Autor seinem Beitrag hinzugefügt hat. Unter einem sind nicht nur die Namen der Steeler Kegeljungen geschrieben, sondern auch ihre Berufe wie Gärtnermeister, Schneider, Fliesenleger und Wirt im Kolpinghaus.
Die Mitglieder der Gemütlichen Neun, sie trafen sich über die Jahrzehnte zum Nikolauskegeln oder Eier-Preiskegeln und feierten manchmal bis vier Uhr morgens. Gäbe es den Club noch, sie würden das 100-jährige Bestehen womöglich gebührend feiern. Stattdessen aber bleibt das Bedauern: „Eigentlich schade, dass der Kegelclub sich meines Wissens zu der Zeit aufgelöst hat, als das Kolpinghaus auf der Kaiser-Wilhelm-Straße abgerissen wurde“, formuliert es Norbert Nülens und verspricht, von den Kegelausflügen der Gemütlichen Neun ein anderes Mal zu berichten.