Essen-Byfang. 150 Jahre: Die Stiefgedrettenen aus Essen-Byfang sind wohl einer der ältesten Kegelclubs Deutschlands. Was die Männer heute verbindet.
Als der deutsch-französische Krieg 1872 endete, da gründeten Bauern in Byfang ihren Kegelverein. Ob eine gewisse Euphorie, die die Historie damals auslöste, auch in das ländliche Byfang schwappte, bleibt eine Vermutung der Kegelbrüder. Fest steht, dass die „Stiefgedrettene“ sich bis heute treffen. 150 Jahre später sind es acht Mitglieder, die diesen Geburtstag ihres Clubs feiern und auf die Vereinsgeschichte blicken.
Politische Diskussionen mit der Freude am Kegeln zu verbinden und dabei die Geselligkeit nach verrichteter Arbeit auf dem Feld und im Stall zu genießen: Das war das Ansinnen der Byfanger, Niederweniger und Dumberger, als sie im Mai 1872 erstmals zusammenkamen. Es waren die Bauern Paas, Breuer, Deilmann, Reul, Düsche, Großheimann, der Schulleiter der Oberbyfanger Schule und auch Josef Uhle, dessen Gaststätte zum Vereinslokal der Stiefgedrettenen wurde.
Die erste Bundeskegelbahn entstand nach dem Zweiten Weltkrieg
„Die erste Kegelbahn war eine überdachte, einfache Holzbahn, die im Laufe der Jahre in ein festes Gebäude umgebaut wurde“, berichtet Kegelbruder Norbert Denis genannt Stoodt über die Anfänge. Die ursprüngliche Holzbahn sei aber erhalten geblieben. Die erste Bundeskegelbahn entstand, als das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg umgebaut wurde, sagt der 69-Jährige, der selbst seit 1990 zu dem Kegelverein gehört. Inzwischen kegelt auch sein Schwiegersohn mit.
Als Josef Uhle damals starb, wurde die Gaststätte verpachtet. Die Tochter folgte mit ihrem Mann, Erich Linnemann, auf den Vater. Die beiden waren es auch, die die erste Automatikbahn einbauten. Und was den Kegelclub betraf, so wurde die Mitgliedschaft nicht nur vom Vater auf den Sohn, sondern auch auf den Schwiegersohn übertragen. Auch Brüder der Hoferben traten oftmals in den Club ein.
Weihnachts- und Nikolausfeiern zählen zum Vereinsleben
„Noch heute sind Bauern zum Teil mit ihren Brüdern im Kegelclub vertreten“, erzählt Norbert Denis genannt Stoodt. Weitere Mitglieder entstammten wiederum alteingesessenen Familien, die allesamt eine enge Bindung zu ihren geerbten Kotten hätten. Frauen hingegen, die gibt es auch heute nicht im Verein.
„Wenn wir runde Geburtstage gemeinsam feiern oder uns zu anderen festlichen Anlässen treffen, dann sind unsere Frauen dabei“, sagt Alois Wennersheide. Denn Weihnachts- und Nikolausfeiern zählen ebenso zum Vereinsleben wie Geselligkeit und Gemütlichkeit. Früher machten sich die Männer zudem auf zu Kegeltouren, die sie an Rhein, Ahr und Mosel sowie in Städte wie Minden führten.
Von der langen Vereinsgeschichte zeugt auch eine Zeichnung: „Seit Mai 1872 nach dem Sieg über Frankreich gründeten die Oberbyfanger Bauern in der Gastwirtschaft zum Heimbusch - jetzt Uhle - einen Kegelclub.“ Auch dass die Kegelbahn im Freien später wetterfest und heizbar gemacht wurde, steht unter der bunten Zeichnung der Gaststätte zu lesen.
Es gab dann Zeiten, da hatten die Stiefgedrettenen 13 Mitglieder, heute sind es neun, die zwischen 41 und 84 Jahre alt sind. Politik ist nach wie vor eines der Themen, über die sie gern miteinander sprechen. Sie tauschen sich aber auch über Familie, ihre Sorgen und Nöte aus und sind längst freundschaftlich miteinander verbunden. Früher allerdings, da blieben sie nach dem Kegeln noch länger zusammen. Dann haben sie noch Karten gespielt, geknobelt, sind noch auf ein Bier an der Theke zusammen geblieben.
Byfanger gehört seit 54 Jahren zum Kegelverein
Diese Kameradschaft und Unterhaltung schätzt Norbert Denis genannt Stoodt bis heute. Das Kegeln selbst reizt Alois Wennersheide: „Da ist durchaus ein gewisser Ehrgeiz dabei“, sagt er lächelnd, der in Byfang geboren und immer geblieben ist, auf dem Hof, von dem aus er früher Milch auslieferte. „Als es dann auch Milch in den Märkten gab, war das Geschäft kaputt“, erinnert sich der 84-Jährige, der dann zur Stadt wechselte. Treu geblieben ist er seinem Club, seit immerhin 54 Jahren.
Seit der Schließung der Gaststätte Uhle kegeln sie nun bei Bredde. Immer ab 20 Uhr, weil das immer so gewesen ist – eine Tradition des Kegelvereins, der wohl mit 150 Jahren einer der ältesten Deutschlands sein werde, glauben sie. Was sich die Kegelbrüder zu diesem Geburtstag wünschen: „Weitere Mitglieder, damit die Stiefgedrettenen weiter bestehen.“