Essen. Trotz Corona und Ukraine-Krieg: Die Firmen in Essen haben weiter neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Beschäftigung liegt auf Rekordniveau.

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, explodierende Energiepreise – die Essener Wirtschaft scheint die jüngsten Krisen überraschend gut wegzustecken. Dieser Eindruck entsteht zumindest, wenn man auf die Entwicklung der Arbeitsplätze in der Stadt schaut. Ende Juni 2022 – neuere Zahlen liegen derzeit nicht vor – gab es fast 264.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die ihren Arbeitsort in Essen hatten. Die Arbeitsagentur spricht von einer Rekordbeschäftigung.

„Die Wirtschaft hat sich als relativ standfest erwiesen“, bestätigt der Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes (EUV), Ulrich Kanders. Vor allem aber habe sich gezeigt, dass sich der Arbeitsmarkt von der Krisenlage abgekoppelt hat.

In Essen heißt das konkret: Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sind binnen eines Jahres über 8900 neue Arbeitsplätze entstanden. Selbst nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges ist die Bereitschaft, neue Mitarbeiter einzustellen, in den Unternehmen nicht eingebrochen. Zwischen Ende März und Ende Juni 2022 kamen immer noch neue 575 Jobs hinzu.

Essener Unternehmen halten Personal

Aus Sicht von Andrea Demler, Chefin der Arbeitsagentur, zeigt die Entwicklung: „Die Unternehmen tun alles dafür, um Beschäftigte zu halten.“ Denn der Bedarf an Fachkräften sei hoch. Geholfen habe auch die massive Kurzarbeit während der Corona-Krise. Unternehmen mussten sich dank des Kurzarbeitergeldes, das die Arbeitsagentur in Essen eine dreistellige Millionensumme gekostet hat, nicht von Mitarbeitern trennen.

Dass sich Unternehmen mittlerweile genau überlegen, ob sie Beschäftigten kündigen, beobachtet auch der Essener Unternehmensverband. „Arbeitgeber trennen sich in Anbetracht des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels nicht mehr leichtfertig von Mitarbeitern“, meint Kanders. Im vergangenen Jahr landeten ein Drittel weniger Kündigungsfälle bei den Juristen des Verbandes, die Mitgliedern beratend zur Seite stehen. Kanders: „Daran sieht man, dass die Unternehmen am Personal festhalten.“

Beim Blick auf die Branchen, die besonders viele Mitarbeiter in den vergangenen zwölf Monaten eingestellt haben, ist eins wenig überraschend: Viele Jobs, rund 1600, entstanden allein im Bereich Verkehr und Lagerwirtschaft. Grund ist der rasant gestiegene Onlinehandel während der Corona-Pandemie, der die Nachfrage nach Mitarbeitern in der Logistik enorm angetrieben hat. Aber auch in der Immobilien-Branche und im Dienstleistungsbereich boomt der Arbeitsmarkt.

Dagegen baute die Finanz- und Versicherungswirtschaft am stärksten Arbeitsplätze ab. Hier fielen binnen eines Jahres 500 Arbeitsplätze weg. Von der absoluten Zahl der Jobs her betrachtet ist Essen weiter „Die“ Einkaufsstadt. Die meisten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten im Handel (siehe Grafik).

Verband: Keine Signale für großflächigen Arbeitsplatzabbau

Ob sich der Jobboom fortsetzt, ist noch nicht ausgemacht. Die Nachfrage nach Arbeitskräften hatte zum Ende des Jahres leicht nachgelassen. Die Unternehmen meldeten der Arbeitsagentur etwas weniger freie Stellen als die Monate zuvor. Das Niveau sei dennoch weiter hoch, sagt die Agentur. Nach wie vor stellen vor allem das Gesundheitswesen, der Handel sowie der Verkehrs- und Logistikbereich ein.

Auch der EUV sieht im Moment keine Signale dafür, dass Unternehmen „in großem Stil Arbeitsplätze abbauen“, betont Kanders. Eine Verbandsumfrage in der Metall- und Elektrobranche, die der EUV am Dienstag veröffentlichte, unterstreicht dies. In den letzten sechs Monaten hätten 33 Prozent der Firmen neue Mitarbeiter eingestellt – immerhin 22 Prozent planen dies auch für die kommenden sechs Monate. Nur etwa zehn Prozent dagegen hätten Stellen abbauen müssen oder haben dies im kommenden halben Jahr vor.