Essen. Ausgerechnet eine Kirche in der Essener Innenstadt wird zum Austragungsort für einen Boxkampf. Wie konnte es dazu kommen?
In der Essener Kreuzeskirche in der nördlichen Innenstadt wird am Freitag, 13. Januar 2023, ein Boxkampf ausgetragen. Der Essener Schwergewichtsboxer Patrick Korte tritt gegen Andreas Masold (Rheinland-Pfalz) an. Rund 300 Box-Fans werden erwartet.
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Darf man das – eine Kirche zum Schauplatz machen für einen Sport, bei dem die Gegner wenig zimperlich miteinander umgehen? Der gemeinhin auch als martialisch, bisweilen als roh gilt? Der, mit Verlaub, nicht unbedingt sofort mit kirchlichen Werten wie Güte und Demut in Verbindung gebracht wird?
In der Kreuzeskirche gab es schon Tattoo-Events
Das sind Vorurteile – doch wie auch immer: „Wir hatten hier schon viele ungewöhnliche Veranstaltungen“, sagt Sabine Stiebel von der zuständigen Agentur „Heavenly Events“. In der Kreuzeskirche hätten schon Techno-Partys oder Tattoo-Conventions stattgefunden und internationale Kollektionspräsentationen großer Modehäuser.
Die Kreuzeskirche hat eine ungewöhnliche Geschichte. Zentral gelegen in der nördlichen Innenstadt, verfiel der Bau bis zum Jahr 2013. Die Evangelische Kirche mit der Altstadt-Gemeinde verkaufte das Gotteshaus an den Kettwiger Bau-Unternehmer Rainer Alt. Die notwendigen drei Millionen Euro zur Sanierung steuerte zur Hälfte der Unternehmer und Projektentwickler Reinhard Wiesemann („Unperfekthaus“) bei, die andere Hälfte waren öffentliche Fördermittel. In „langen und komplizierten Verhandlungen“, erinnert sich Stefan Koppelmann, Sprecher der Evangelischen Kirche, entstand ein Nutzungskonzept, das seit 2014, dem Zeitpunkt der Wiedereröffnung, deutschlandweit bis heute als einmalig gilt.
Das Konzept funktioniert so: Die Kreuzeskirche ist ein religiöser Ort und gleichzeitig auch nicht. Der Eigentümer und der Verein „Forum Kreuzeskirche“ sowie die Altstadt-Gemeinde als Mieter teilen sich den Bau für ihre Veranstaltungen. Der Eigentümer nutzt die Kreuzeskirche für kommerzielle Events, der Verein „Forum Kreuzeskirche“ veranstaltet dort Lesungen und Konzerte, und die Gemeinde hält in der Kreuzeskirche ihre Gottesdienste ab. „Es gibt lediglich die Klausel“, erklärt Stefan Koppelmann, „dass dort keine kirchenfeindlichen Veranstaltungen stattfinden dürfen, zum Beispiel Erotik-Messen oder Ähnliches“.
Nicht die erste Box-Veranstaltung in einem ehemaligen Gotteshaus
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Was die meisten nicht mitbekommen haben dürften: Es ist nicht die erste Box-Veranstaltung in einer (ehemaligen) Kirche, die in Essen stattfindet. „Vor mehreren Monaten habe ich einen Boxkampf im Chorforum stattfinden lassen. Ich bin begeistert von der Idee, ungewöhnliche Orte zu nutzen“, sagt Sebastian Tlatlik, Chef der Box-Firma „Boxing Industry“, die in Essen-Horst ihren Sitz hat. „Boxing Industry“ zeichnet sich auch jetzt für die Veranstaltung in der Kreuzeskirche verantwortlich; ist gleichzeitig Box-Studio, Veranstaltungsfirma und Gesundheitsunternehmen, das Firmen berät. 15 Boxer hat das Unternehmen unter Vertrag.
Das Chorforum an der Fischerstraße (Südviertel) ist die ehemalige St.-Engelbert-Kirche, wurde als solche 2008 geschlossen und 2011 wiedereröffnet als Ort, der mehrheitlich für Konzerte und Musik gedacht ist. Er sei vor einiger Zeit auf die Kreuzeskirche aufmerksam gemacht worden, „da hat es bei mir sofort Klick gemacht“. Der ungewöhnliche Austragungsort würde in der Szene extrem gut ankommen, betont Tlatlik. Und, ach ja, ganz nebenbei: Es gibt noch Karten. Einlass 19 Uhr, die Vorkämpfe beginnen um 20 Uhr.