Essen-Heidhausen. Für jüngere Frauen mit verminderter Schuldfähigkeit fehlen Plätze im Strafvollzug. In Essen-Heidhausen will der LVR nun eine Forensik bauen.
Auf einem Gelände an der Barkhovenallee in Heidhausen wird der Landschaftsverband Rheinland eine forensische Klinik bauen für bis zu 69 Patientinnen. Im Maßregelvollzug sollen Frauen nach rechtswidrigen Taten „im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldunfähigkeit“ untergebracht werden.
Im Oktober 2015 war in der früheren LVR-Klinik eine Flüchtlingsunterkunft eröffnet worden. Seit fünf Jahren steht das Gebäude leer. Es gibt bereits einen gültigen Bebauungsplan, der die Nutzung für psychiatrische Behandlungen vorsieht.
Essener Planungsbeirat besuchte Einrichtung in Bedburg-Hau
Ein Planungsbeirat hat seine Arbeit aufgenommen. Er versammelt Vertreter der Essener Ratsfraktionen, der Bezirksvertretung IX, der Kirchen, Kliniken, aber auch Heidhauser Bürger. Superintendentin Marion Greve wurde als Vorsitzende und Caritasdirektor Björn Enno Hermans als Stellvertreter gewählt.
Die Mitglieder des Planungsbeirates erhielten vor kurzem die Möglichkeit, in der LVR-Klinik Bedburg-Hau eine bestehende Forensik zu besuchen. Da besonders für jüngere Frauen Plätze fehlen, wurde die Notwendigkeit einer zusätzlichen Einrichtung unterstrichen. Eine Unterbringung solle ausdrücklich nicht zum Ausgleich der Schuld dienen, sondern als präventive Maßnahme und zur Abwehr möglicher Gefahren, hieß es bei der Führung.
Für von Psychosen und Persönlichkeitsstörungen betroffene Frauen solle die Forensik ein Schutzraum sein, der eine Behandlung erst möglich mache. Sie hätten zumeist Beziehungstaten begangen wie Tötung des Partners oder der Kinder, aber so gut wie keine Sexualdelikte.
Auch käme Brandstiftung in Einrichtungen vor oder Angriffe auf Mitbewohnerinnen und Personal. Oft kämen die Patientinnen aus einer Obdachlosigkeit heraus und hätten Widerstand gegen Ordnungskräfte geleistet. Viele wiesen schwierige Lebensläufe mit Gewalterfahrungen und Missbrauch im Kindesalter auf.
Schwerpunkt ist die Arbeitstherapie
In einer Forensik liegt ein Schwerpunkt bei der Arbeitstherapie. Hier wird der Umgang mit Werkzeugen penibel überwacht, es gibt Schleusen und ständige Kontrollen. Im ländlichen Heidhausen liege die Beschäftigung mit Tieren auf der Hand. Einerseits könnten so Emotionen kanalisiert werden, andererseits erlernt werden, Verantwortung zu übernehmen.
Die neue Klinik werde den Erfordernissen entsprechend mit modernster Sicherheitstechnik ausgestattet, die Wahrscheinlichkeit von Ausbrüchen sei aber ohnehin nur gering. Das erste Ziel sei es, schnell großen Abstand zu bekommen zur Einrichtung. Anlaufstellen seien da zum Beispiel Hauptbahnhöfe. Zudem kehrten die meisten schnell aus freien Stücken zurück. Die Rückfallquoten lägen auch deutlich niedriger als bei Strafgefangenen.
Fertigstellung bis spätestens 2025 angestrebt
Es geht voran. Der Landschaftsverband Rheinland teilte nun mit, dass der Vergleich möglicher Ausführungsvarianten am Standort Heidhausen und die damit verbundene Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erfolgt seien. Untergebracht werden soll bis zu 69 Patientinnen im Maßregelvollzug.
Ein Neubau in konventioneller Bauart durch einen Generalunternehmer, ohne Nutzung des Bestandes, habe sich als fürs Land vorteilhafteste Lösung herausgestellt, heißt es in der Mitteilung.
Das 4.800 Quadratmeter große Grundstück an der Barkhovenallee wird für das geplante Vorhaben wohl nicht komplett bebaut werden müssen. Die Fertigstellung der Klinik ist bis spätestens 2025 vorgesehen.
Das Land hat die notwendigen Finanzmittel freigegeben
Das NRW-Landesfinanzministerium hat inzwischen die notwendigen Mittel freigegeben. Das Gesundheitsministerium kann jetzt den Bau- und Liegenschaftsbetrieb mit der Umsetzung der Baumaßnahme beauftragen. Zunächst werden Architektur- und Projektsteuerungsleistungen ausgeschrieben. Das Vergabeverfahren wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Zurzeit geht man davon aus, dass erste Entwürfe frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2023 vorgestellt werden können. Spätestens zu diesem Zeitpunkt soll der Planungsbeirat wieder tagen, um konkrete Pläne zu besprechen.
Stadtdirektor Peter Renzel ist als Beigeordneter für Soziales, Arbeit und Gesundheit auch Mitglied des Planungsbeirates. Renzel bevorzugt eine niedrige Bauweise, ähnlich wie im forensischen Dorf in Düren, wo auf einen hochragenden Klinikkomplex verzichtet wurde, und die Integration der Sicherungsanlage in die Umgebung. Ziel des Beirats sei es, eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen. Er schlage daher zu einem geeigneten Zeitpunkt eine Bürgerversammlung in Heidhausen vor. Doch dafür müssten erst einmal konkrete Planungen vorliegen.