Essen. Ab 2023 beginnt der dritte Bauabschnitt. Es ist der Startschuss für die „Citybahn“. Aber der ADFC übt Kritik. Und auf Autofahrer warten Staus.
Grünes Licht am Berthold-Beitz-Boulevard in Essen. Der zuständige Fachausschuss für Verkehr und Mobilität des Stadtrates hat den Bau des dritten Teilstücks abgesegnet. Damit biegt eines der größten, bedeutendsten und teuersten Straßenbauprojekte der vergangenen Jahrzehnte auf die Zielgerade ein. Das Teilstück wird von der Frohnhauser Straße bis zur Hans-Böckler-Straße (B 224) führen. Die Stadt Essen rechnet mit Baukosten von rund 27 Millionen Euro. Der Baubeginn in 2023 ist zudem der Startschuss für die „Citybahn“.
Nunmehr 15 Jahre liegt es zurück, dass die Stadt den ersten Spatenstich für den Bau des Berthold-Beitz-Boulevards gefeiert hat. Heute können Autofahrer bereits zwischen der Bottroper Straße und der Frohnhauser Straße bequem und in der Regel ungestört auf der vierspurigen Trasse durch den westlich der Innenstadt gelegenen Krupp-Gürtel fahren.
Berthold-Beitz-Boulevard: Verkehrsbelastung wird zunehmen
Auf dem bereits fertiggestellten Streckenabschnitt herrscht nur selten viel Verkehr. So manchen verleiten freie Sicht und freie Fahrt dazu, zu sehr aufs Tempo zu drücken, weshalb die Polizei regelmäßig die Geschwindigkeit kontrolliert.
Gebaut wird aktuell auf dem Teilstück nördlich der Bottroper Straße. Doch erst mit der Fertigstellung des dritten Bauabschnittes von der Frohnhauser Straße bis zur Hans-Böckler-Straße wird die Verkehrsbelastung auf dem Boulevard spürbar zunehmen. Das 840 Meter lange, sichelförmige Teilstück kommt einem fehlenden Puzzleteil gleich, welches das Gesamtbild erst vollendet. Erst damit findet die vierspurige Hauptverkehrsachse Anschluss an die B 224.
Es ist die stark befahrene Bundesstraße, die der Berthold-Beitz-Boulevard entlasten soll. Mit Fertigstellung des dritten Bauabschnitts werden allein diesen laut Verkehrsprognose täglich 19.000 Kraftfahrzeuge nutzen. „Ganz wesentlich ist aber auch, dass Essen 51 verkehrlich besser angebunden wird“, sagt Rainer Wienke, Leiter des Stadtamtes für Straßen und Verkehr. Immerhin sollen in dem geplanten Stadtquartier bis zu 1600 Wohnungen entstehen.
Bedeutend ist das fehlende Puzzlestück auch für den öffentlichen Personennahverkehr. Seit Oktober 2014 fährt die Straßenbahnlinie 109 über den Berthold-Beitz-Boulevard auf einer eigenen Trasse von der Altendorfer Straße bis zur Frohnhauser Straße. Die Eröffnung der 1,3 Kilometer kurzen Gleistrasse durch den damaligen Oberbürgermeister Reinhard Paß wurde seinerzeit mit einem großen Bahnhof gefeiert, nahm die Stadt doch erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges wieder eine Straßenbahnstrecke in Betrieb.
Über den Berthold-Beitz-Boulevard mit der Citybahn zum Hauptbahnhof Essen
An der Frohnhauser Straße knicken die Schienen in Richtung Frohnhausen ab. Mit dem dritten Bauabschnitt des Berthold-Beitz-Boulevards wird auch die Gleistrasse in Richtung Innenstadt verlängert. Ab 2025 soll darauf Essens „Citybahn“ rollen. Die neue Straßenbahnlinie wird von Steele kommend am Hauptbahnhof vorbei durch den Kruppgürtel bis nach Bergeborbeck führen. Für die Ruhrbahn ist die „Citybahn“ das wichtigste Infrastrukturprojekt seit Jahrzehnten. In der Ruhrbahn-Zentrale sprechen sie von einer Renaissance der Straßenbahn.
Damit die Tram ihren Weg vom Hauptbahnhof über die Hachestraße in Richtung Kruppgürtel ungehindert fortsetzen kann, wird unter der Hans-Böckler-Straße ein Tunnel gebaut, dahinter geht es über den Berthold-Beitz-Boulevard bis zum Stadtquartier Essen 51, durch das die Gleistrasse bis nach Bergeborbeck verlängert wird.
Berthold-Beitz-Boulevard: Allgemeiner Deutsche Fahrradclub übt Kritik
Den Boulevard entlang fährt die Straßenbahn auf einer eigenen Trasse inmitten der zweispurigen Fahrbahnen. Die Schienen werden zu beiden Seiten eines Grünstreifens verlegt, auf dem Bäume wachsen. Auch die Gehwege werden durch Baumreihen und Grün von der Straße getrennt.
Fahrradfahrer dürfen auf den Gehwegen fahren, denn Radwege oder auf der Fahrbahn markierte Radfahrstreifen wird es auch entlang des dritten Bauabschnitts nicht geben.
Beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) stößt dies einmal mehr auf Kritik. „Rechtlich bedeutet dies, dass Fahrradfahrer auf den Gehwegen permanent Schrittgeschwindigkeit fahren müssen“, bemängelt ADFC-Sprecher Mirko Sehnke. Dabei sei der Boulevard prädestiniert dafür, Teil des Fahrrad-Hauptroutennetzes zu werden. Wem es auf dem Velo nicht schnell genug geht, darf auch auf der Straße fahren.
Berthold-Beitz-Boulevard: Mehr Stau auf den Straßen am Krupp-Gürtel
Bis es so weit ist, werden noch gut drei Jahre vergehen. Die Bauarbeiten sind damit aber nicht beendet. Die Brücke der B 224 über die Gleise der Deutschen Bahn soll neu gebaut, die Bundesstraße bis zur A 40 ausgebaut werden. Einen Zeitplan dafür nennt die Verwaltung nicht.
Fest steht: Der vollständig ausgebaute Berthold-Beitz-Boulevard wird Verkehrsströme zwischen der Gladbecker Straße im Norden und der A 40 umleiten. Eine deutliche Entlastung erwartet das Amt für Straßen und Verkehr auf der B 224 zwischen der Friedrichstraße und der Segerothstraße.
Lösen wird der Berthold-Beitz-Boulevard die bestehenden Verkehrsprobleme aber nicht. Die Belastung wird laut Prognose sogar deutlich steigen, zwischen Bottroper Straße und Gladbecker Straße (B 224) von täglich rund 16.000 auf etwa 24.000 Fahrzeugen. Zwar soll auch die Kreuzung zur Gladbecker Straße ausgebaut werden, doch spätestens wenn Autofahrer in Fahrtrichtung Norden dort abbiegen, wartet der nächste Stau.