Essen. Lit.Ruhr-Premiere: Cornelia Funke stellt in Essen ihr neues Buch vor und denkt sich mit Unterstützung des Publikums gleich neue Geschichten aus.

Ein neues Buch von Cornelia Funke sorgt immer für besondere Erwartungen. Bei der Lit.Ruhr in Essen gab es jetzt nicht nur frisch Gedrucktes, sondern sogar noch ganz Unveröffentlichtes, sogar frisch Erfundenes von der gebürtigen Dorstenerin zu erleben. Für die besondere Premiere sorgte am Sonntagabend ein gemeinsamer Auftritt von Cornelia Funke mit dem Illustrator Mehrdad Zaeri.

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Gemeinsam haben die beiden „Ein Engel in der Nacht“ herausgebracht. Das Werk ist im Vergleich zu anderen Funke-Werken ein eher schmales Büchlein. In Essen erlebte es nun seine Buchpremiere. Entstanden ist „Ein Engel in der Nacht“ zunächst als musikalische Erzählung mit Musik verschiedener Interpreten. Auf die CD-Einspielung folgt nun die Buchfassung mit Illustrationen von Mehrdad Zaeri.

Es erzählt von einem jungen Mädchen, dessen bodenlose Traurigkeit nur mit gemeinschaftlicher Hilfe einer Hexe, eines Raben und eines Engels vertrieben werden kann. Dass auch auf die dunkelsten Stunden wieder ein heller Tag folgt, will dieses poetische Märchen vermitteln. Und Mehrdad Zaeri will es gerne glauben, derweil er beim Lesefest auf Zeche Zollverein an die Geschehnisse in seiner früheren Heimat Iran und den Mut der protestierenden Frauen zu sprechen kommt.

Literatur als Liveexperiment bei der Lit.Ruhr auf Zollverein

Im Alter von 14 Jahren ist Zaeri mit seinem Eltern nach Deutschland geflohen. Jahrelang wurde die Familie nur geduldet, war ständig von Abschiebung bedroht. Aus seiner dramatischen Familiengeschichte hat das Theater Heidelberg irgendwann sogar einen Theaterabend gemacht. Nicht erst seitdem glaubt Mehrdad Zaeri an Bilder mit guten Botschaften. Heute gehört der zu den gefragten Illustratoren und für Cornelia Funke ist er der beste Beweis, wie wichtig der Austausch und die Begegnung mit andere Nationen und Kulturen ist.

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Offen zu sein für Neues, Fremdes, Unerwartetes, das will die Erfolgsautorin dann auch bei der Lit.Ruhr ausprobieren. Und so gibt es nach der Vorstellung von „Ein Engel in der Nacht“ gleich noch Literatur als spontanes Liveexperiment. Mit Zaeris Zeichnungen im Rücken fängt Funke an zu improvisieren. Ein Haus, ein Baum, eine Blume – schon kommt die Geschichte in Gang. Jeder neue, von Zaeri live auf die große Leinwand transportierte Zeichenstrich bringt die Geschichte voran.

Da lugt ein Kater um die Ecke, da kommt ein fremder Mann ins Spiel. Bald ist auch das jüngere Publikum im ausverkauften Zollverein-Saal mit Enthusiasmus dabei, der Autorin zu assistieren. Raumschiffe steigen in den Himmel, ein großes, glücklich dreinblickendes Rindviech nimmt Aufstellung, auf dem breitem Rücken schmiegt sich ein Katzenpärchen aneinander. An diesem Abend weiß noch niemand, wie die Geschichte weitergeht. Gut möglich, dass die nächste Buchpremiere von Cornelia Funke aber nicht lange auf sich warten lässt.