Essen. Bisweilen mit mehr Herzblut bei der Sache als das Original: Brit Floyd macht die Musik der Rocksaurier Pink Floyd in Essen wieder sehr lebendig.
Pink Floyd, in den späten sechziger Jahren eine der innovativsten Rockgruppen, ist auch ohne ein offizielles Datum des Ablebens schon lange ein Fall für die Rock-Historie. Doch ihre Musik lebt für viele Fans weiter, und zwar nicht nur als Konserve, sondern auch auf der Bühne. Zu verdanken ist dieser Umstand dem musikalischen Nachlassverwalter Brit Floyd.
Der Ableger der ebenfalls erfolgreichen Australian Pink Floyd Show kümmert sich seit 2011 als sogenannte Coverband um das Oeuvre des Rocksaurier-Originals. Gut 600 Fans erlebten in der Essener Lichtburg, Musiker, die die Pink Floyd-Songs mit mehr pulsierendem Herzblut „nachspielten“, als die häufig zur Routine erstarrten Original-Akteure, deren Gigantismus zuletzt im krassen Missverhältnis zum kreativen Output stand.
Die Kakophonie von Weckerrasseln und Kirchturmglocken wirkt wie ein Weckruf
Es zeugt von dramaturgischem Mut, dass Brit Floyd ihr insgesamt zweieinhalb stündiges Konzert nicht mit Hits wie „Money“ oder „Another Brick in the Wall“ starten, die Hits werden in der zweiten Konzerthälfte bejubelt. Mit „Cluster One“ vom 94er Album „The Division Bell“ sowie „Learning to Fly“ von „A Momentary Lapse of Reason“ von 1987, ebenfalls ein Spätwerk ohne Roger Waters, wurden Titel gewählt, die sicherlich nicht zum Besten zählen, aber durchaus auf die Setlist einer Retroshow gehören. Die Kakophonie von Weckerrasseln und Kirchturmglocken des „Dark Side of the Moon“-Hits „Time“ wirkt dann im Hinblick auf den aufbrandenden Applaus tatsächlich wie ein Weckruf.
Brit Floyd spielen anders als die Originale nicht in Arenen oder Stadien, in denen manche klangliche Unsauberkeit bauartbedingt verhallt, sondern in der Lichtburg, deren Raumakustik keine Fehler verzeiht. Aber Brit Floyd-Chef Damian Darlington (Gesang, Gitarre, Lap-Steel-Gitarre) sowie seine inklusive Chor acht Gefolgsleute machen keine Fehler. Und mit Unterstützung von Gareth Darlington am Mischpult wird ein perfekter Sound geliefert, umrahmt von Floyd-typischen Videos.
Im Gegensatz zum Original findet zwischenmenschliche Harmonie ihren adäquaten Ausdruck im Zusammenspiel, sei es,wenn sich akustische Gitarren aneinander schmiegen, sich der schwebende Sound der Lap-Steel-Gitarre über die E-Gitarre von Edo Scordo legt oder Ryan Saranich mit wundervollen Saxofon-Soli verzaubert.
Sängerin Jessie Lee Houllier sorgt beim Publikum für gebanntes Staunen
Es gibt reichlich Gänsehaut-Momente, zu denen sicherlich auch der Auftritt von Sängerin Jessie Lee Houllier gehört. Die Blues-Größe aus Frankreich versetzt das Publikum bei „The Great Gig in the Sky“ mit ihren gospelhaft jubilierenden, ekstatischen Tonhöhen einfach nur in gebanntes Staunen.
In der zweiten Konzerthälfte versteht es Brit Floyd nicht nur mit „Comfortably Numb“, sondern auch mit Frühwerken wie dem schwebenden „Echoes“ vom 71er Album „Meddle“ sowie dem düsteren, mystisch-magischem „Set the Controls for the Heart of the Sun“ vom `68er Album „A Saucerful of Secrets“ die Latte ihrer Interpretationskunst nochmals höher zu legen. Kleinste Sounddetails erfahren dabei nicht nur liebevolle Aufmerksamkeit, sondern werden teils auch neu interpretiert. Nach der letzten Zugabe „Run Like Hell“ wird Brit Floyd verdientermaßen mit Ovationen eingedeckt, zu denen sich das Publikum von seinen Kinosesseln erhebt.