Essen. Der Sound makellos, die Spielfreude groß: Die britische Band 10cc wurde in der Essener Lichtburg bejubelt. Was sich in der Hit-Schatzkiste fand.

Von „I’m Not in Love“ war 1975 nicht nur einer der erfolgreichsten Hits der britischen Band 10cc, sondern zugleich ein Phänomen des Selbstbetrugs. Zu sphärisch schwebenden Keyboard-Sounds und einem sehnsuchtsvoll klingenden Gesang bewegten sich auf den Tanzflächen bluesig umklammernde Paare und wähnten sich auf einer rosaroten Wolke des Verliebtseins. Aber nur, weil sie schlicht das die romantische Stimmung verderbende Wort „not“ ausgeblendet hatten.

Reichlich nostalgische Gefühle beim Konzert in der Essener Lichtburg

Auch wenn reichlich nostalgische Gefühle in der Stimmung der gut 300 Fans in der Lichtburg, wo 10cc eines ihrer wenigen Greatest-Hits-Deutschland-Konzerte gab, auszumachen waren: Das zu Recht bejubelte Konzert musste sich niemand selbstbetrügerisch schön schwärmen. Dabei sind die beiden Gründungsköpfe Lol Creme und Kevin Godley längst nicht mehr dabei. Jetzt ist es Graham Gouldman, der das 10cc-Erbe verwaltet und zudem Soloprojekte vorantreibt, sofern er nicht mit Ringo Starrs „All Starr Band“ unterwegs ist.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Musste man nun Godley und Creme vermissen? Eindeutig nein! Neben Paul Burgess, Schlagzeuger aus frühen 10cc-Zeiten, mischen nun jüngere Multi-Instrumentalisten wie Iain Hornal, Keith Hayman und Rick Fenn mit, die 10cc klingen lassen, als wäre die Band gerade aus einem kreativen Jungbrunnen entstiegen. Wir sind alle „Old Wild Men“ heißt es vor dem gleichnamigen Song, aber ob gerade mal 40 oder Mitte 70, der Grad der erfrischenden Spielfreude ist bei allen Beteiligten gleich hoch.

Preziosen aus dem Hit-Schatzkästchen

Bewahrt wird hingegen die Kunst der subtilen Ironie, die einen Großteil des 10cc-Werks, das stilistisch zwischen Art-Rock und Pop, letzteres auch gern persifliert, angesiedelt ist, durchzieht. Dank der exzellenten stimmlichen Fähigkeiten der Musiker glaubt man, etwa bei „The Dean and I“, einen Song der Beach Boys zu hören, doch zu diesem Maß britischer Selbstironie wäre Brian Wilson vermutlich kaum fähig gewesen.

Verblüffend sind die seherischen Fähigkeiten in „The Wall Street Shuffle, ein Song der immerhin 34 Jahre vor der Lehman-Pleite veröffentlicht wurde, und in „Art For Art’s Sake“ wird spätestens mit der zweiten Zeile „money for God’s sake“ die Kritik an einem zunehmend ausufernden Kunstmarkt deutlich. „Life Is a Minestrone“, „The Things We Do For Love“ sowie „Dreadlock Holiday“ sind weitere Preziosen aus dem Hit-Schatzkästchen, die von „Standing Next to Me“, aus Gouldmans jüngstem Solowerk „Modesty Forbids“, ergänzt werden.

Makelloser Sound und explosive Spielfreude

Alles erklingt im makellosen Sound, der neben den gelegentlich sich duellierenden Gitarren auch den filigranen Klang eines Glockenspiel glasklar transportiert. Mit dem Doo-Wop-Titel „Donna“ vom ersten Album bei den Zugaben dürfen die Musiker a cappella brillieren, und singen im Falsett ebenso kunstvoll wie liebevoll, ehe mit dem Hit „Rubber Bullets“ 10cc nochmals mit explosiver Spielfreude zum Schlussjubel animiert.