Essen-Ostviertel. Vier Mal in der Woche wird bei der Talentschmiede Ruhrpott in Essen geboxt. So wollen die Trainer den Kindern Disziplin und Toleranz vermitteln.

Seit zehn Jahren werden in der Talentschmiede Ruhrpott, einer Kooperation zwischen dem Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ) und dem Boxring Essen e.V., junge Boxer trainiert und aufgebaut. Aber nicht nur das: Das Projekt, bislang in Karnap angesiedelt, holt Kinder und Jugendliche von der Straße und hilft ihnen, eine Perspektive zu entwickeln. Nun wurde ein zweiter Trainingsraum in der nördlichen Innenstadt eröffnet.

Boxring und Fitnessraum an der Essener Gerlingstraße

Dort trainiert auch der 19-jährige Edonis: Bang, Bang, Bang – wie Hammerschläge prasseln seine Fäuste auf die Pratzen, die ihm Gjvedet Gashi entgegenstreckt. Mit kurzen und präzisen Anmerkungen lenkt und korrigiert der 53-jährige Boxtrainer das Talent, das sich auf einen Wettkampf am Wochenende vorbereitet.

„Wir sind sehr froh über die neuen Räume in der Gerlingstraße. Hier können wir die Jungs besser fördern, hier haben wir erstmals einen richtigen Boxring, einen gut ausgestatteten Fitnessraum und funktionierende Duschen“, sagt Mohamed Zaitouni. Gemeinsam mit Gjvedet Gashi, einem ehemaligen Bundesligaboxer, leitet der 43-jährige Mittelgewichtsboxer seit sechs Jahren das Boxprojekt.

Vier Mal in der Woche Boxtraining in Essen

Die beiden ergänzen sich: Während Zaitouni eher der Sozialarbeiter der jungen Boxer ist, fördert Gahsi mit Ehrgeiz die sportliche Entwicklung. Vier Mal in der Woche bieten die beiden ehrenamtlichen Trainer das kostenlose Training an – zwei Mal in der Turnhalle der Karnaper Maria-Kunigunda-Schule und nun zwei weitere Male in der nördlichen Innenstadt. Und die Nachfrage ist groß – rund 40 junge Boxer kamen vor Corona regelmäßig nach Karnap. Nun rechnen die Trainer auch in der Gerlingstraße mit einem großen Zulauf von Kindern aus den angrenzenden Vierteln.

Trainingszeiten

Die neuen Räumlichkeiten werden über die Präventionsoffensive der Stadt Essen finanziert, die Ausrüstung über Spenden.

Das kostenlose Boxtraining wird vier Mal wöchentlich angeboten: Dienstag von 20 bis 22 Uhr und Freitag von 18 bis 20 Uhr in der Turnhalle der Maria-Kunigunda-Schule, Karnaper Straße 84-90; Mittwoch von 18.30 bis 20.30 Uhr und Sonntag von 11.30 bis 13.30 Uhr in der Gerlingstraße 10-12.

Anmeldung über Mohamed Zaitouni, 0174-2043388 oder per E-Mail an boxringessen@gmail.com. www.vkj.de/de/projekte/vkj-talentschmiede-ruhrpott/

Unbeirrt vom Geschehen im Boxring bearbeiten ein paar Meter weiter vier Jungen mit harten Schlägen die Sandsäcke, die baumelnd von der Decke hängen. Zwei weitere wärmen sich beim Seilspringen auf. Es riecht nach Schweiß, Kunstleder und frischer Farbe. Gesprochen wird nicht viel, dafür umso konzentrierter trainiert. „Wir möchten nicht nur Talente finden und aufbauen, bei uns lernen die Kinder, ihre Wut zu kanalisieren, den Gegner zu respektieren und mit Niederlagen umzugehen“, sagt Zaitouni.

Regeln und Hierarchien bei Essener Boxtraining

Klare Regeln gelte es zu befolgen und Hierarchien zu akzeptieren: Wer zum Beispiel zu spät zum Training kommt, müsse von der Bank aus zusehen. „Aber wir setzen keinen unter Druck. Die jungen Kerle sollen ja auch Spaß haben.“ So wie der zehnjährige Dardam, der seit zweieinhalb Jahren regelmäßig zum Training kommt. „Hier werde ich anerkannt. Und ich lerne, Verantwortung zu übernehmen. Aber ich kann mich auch richtig auspowern. Das tut mir gut“, sagt er und klingt dabei ziemlich erwachsen.

Der ehrenamtliche Trainer Gjvedet Gashi trainiert Abdellah (15, l.). Ziel des Essener Projektes ist es auch, Jugendlichen Vertrauen, Toleranz und Selbstbewusstsein zu vermitteln.
Der ehrenamtliche Trainer Gjvedet Gashi trainiert Abdellah (15, l.). Ziel des Essener Projektes ist es auch, Jugendlichen Vertrauen, Toleranz und Selbstbewusstsein zu vermitteln. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Tatsächlich hat das Training einen positiven Einfluss auf das Sozialverhalten der Teilnehmer, „sie lernen, respektvoll miteinander umzugehen, helfen und unterstützen sich gegenseitig. Und sie können viel besser mit Frust und Aggressionen umgehen“, weiß VKJ-Sprecherin Mareike Schulz.

Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl

Aron hört genau zu: Der Neunjährige ist zum ersten Mal dabei, „weil ich Boxen toll finde und stark werden will“, sagt er. Doch so manche Flausen, die die jungen Boxer im Kopf haben, wenn sie das erste Mal die Handschuhe anziehen, werden ihnen ziemlich schnell von den beiden Trainern ausgetrieben. „Stark sein und kämpfen können, um sich auf der Straße zu behaupten, geht gar nicht“, sagt Zaitouni. Hier würden andere Kompetenzen vermittelt und geschult, die den weiteren Lebensweg positiv beeinflussen sollen – nämlich Selbstbewusstsein, Verantwortungsgefühl, Disziplin, Fairness und Toleranz.

Als Autoritätspersonen kümmern sich die beiden Trainer nicht nur um die sportlichen Belange, sondern auch um die Hausaufgaben oder helfen bei Bewerbungen für ein Praktikum oder einen Ausbildungsplatz. Denn ihr erklärtes Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen in allen Bereichen zu unterstützen, „damit sie eine Perspektive für ihre Zukunft haben. Jedes Mal, wenn uns das gelingt, dann hat sich unser ganzer Einsatz gelohnt“, sagt Mohamed Zaitouni.