Essen-Bochold. Angebot von Schülern der Gesamtschule Borbeck: Welche Probleme beim Smartphone am häufigsten auftauchen und was Herzsport damit zu tun hat.
Wie verschicke ich Nachrichten per Smartphone? Was bedeuten die unterschiedlichen Signaltöne? Und warum klappt das mit dem Internet unterwegs eigentlich nicht? Es sind Fragen wie diese, die älteren Menschen im Umgang mit dem Handy häufig unter den Nägeln brennen – und auf die sie oft nur unzureichende Antworten bekommen. Ändern wollen das die Medienscouts der Gesamtschule Borbeck, die seit gut einem dreiviertel Jahr regelmäßig zu Handy-Sprechstunden ins Zentrum 60plus am Butzweg einladen.
Während im großen Saal gerade ruhig und bedächtig die Tische für den Bingo-Nachmittag gedeckt werden, herrscht in einem Nebenraum geschäftiges Treiben. Acht Seniorinnen und Senioren zwischen 64 und 84 Jahren haben sich an mehreren Tischen verteilt. Marina (18), Sophie (16) und Gülten (18) gehen reihum, erklären souverän und ruhig Funktionen, wischen über Bildschirme oder klicken sich durch die Menüs der Handys. Auf den Tischen liegen durch die Bank moderne Smartphones, nicht immer das derzeit aktuelle Modell, doch alles andere als handelsübliche Seniorenhandys mit großen Tasten und eingeschränkten Funktionen.
Angebote in Borbeck und Kray
Die Medienscouts der Gesamtschule Borbeck sind regelmäßig im Zentrum 60plus am Butzweg im Einsatz. Die nächsten Termine: Freitag, 21. Oktober, und Freitag, 4. November, jeweils in der Zeit von 13 bis 14.30 Uhr. Um eine Anmeldung unter 2200744 wird gebeten. Die Schülerinnen und Schüler sind zudem im Zentrum 60plus in Kray aktiv. Hier stehen die nächsten Termine am Montag, 14. November, und Montag, 5. Dezember, jeweils in der Zeit von 14 bis 16 Uhr an (Anmeldung unter 1805971).
Ehrgeiz ist keine Frage des Alters
Auf solche Telefone angesprochen, verziehen die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Gesicht. Und im Gespräch wird schnell klar: Die Smartphone-Technik ist zwar tatsächlich nicht immer ganz einfach; doch der Ehrgeiz, sie trotzdem zu verstehen, hat nichts mit dem eigenen Alter zu tun. Heidemarie (80) bringt die Einstellung der meisten Teilnehmer mit einem Satz auf den Punkt: „Diese Handys sind nicht zu kompliziert; ich habe sie nur noch nicht begriffen. Und deshalb bin ich hier.“
Man hat sich auf die Vornamen geeinigt, nicht zuletzt, weil es da dann doch die Scham gibt, die eigenen kleinen Unzulänglichkeiten später in der Zeitung zu lesen. „Es ist mir schon ein wenig peinlich, aber ich kann ja auch nicht immer meinen Neffen fragen“, sagt Marga (84). Im Löschen alter Nachrichten, erzählt sie, sei sie schon richtig gut – „da macht mir keiner was vor; was aber einfach nicht klappt, sind diese Daumen, mit denen ich in der Herzsport-WhatsApp-Gruppe zu- oder absagen soll“. Das Problem ist schnell gelöst. Sophie führt sie ruhig und sachlich durch die einzelnen Schritte. „Schauen Sie, Sie müssen einfach hier die Ansicht wechseln, und dann dort auf den Pfeil drücken.“
Seit 2011 gibt es an der Gesamtschule Borbeck so genannte Medienscouts. Die Schule war eine der ersten, die in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen an einem Pilotprojekt der Landesanstalt für Medien NRW teilnehmen konnte. Vera Servaty und Reiner Gerrards wurden damals zu Beratungslehrern für Medien ausgebildet und leiten seitdem eine eigene AG, der aktuell 27 Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 9 bis 13 angehören.
Medienberatung auf Augenhöhe
Marina und Sophie allerdings sind tatsächlich schon seit der sechsten Klasse dabei. „Weil Medienkompetenz und ein verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Techniken wichtig sind“, sagt Marina. Und das sei nicht unbedingt eine Frage des Alters: „Jeder sollte das verstehen können. Man kann das ja auch eigentlich ganz einfach vermitteln. Und es ist ja nicht so, als hätte ich selbst nicht auch mal Probleme mit meinem Handy. Aber dann besprechen wir uns untereinander und finden eigentlich immer auch eine Lösung; der eine kennt sich halt besser mit Android aus, der andere mit Apple.“
Medien-Beratung auf Augenhöhe, von Jugendlichen für Jugendliche, bieten die Scouts an ihrer Schule an – angefangen beim richtigen Umgang mit der Technik und der verantwortungsvollen Nutzung von Daten bis hin zu vertraulichen Gesprächen in Fällen von Cybermobbing oder gehackten Accounts.
Die Kooperation mit dem Zentrum 60plus resultiert, wie Vera Servaty es formuliert, aus der „stadtteilbezogenen Netzwerkarbeit“ der AG. „Unsere Scouts besuchen auch andere Schulen und bilden hier Schüler, Eltern und Lehrer aus. So sind die Mitarbeiter des Zentrums 60plus auf uns aufmerksam geworden, und wir wurden gefragt, ob wir uns ein entsprechendes Angebot auch für Senioren vorstellen könnten.“
Wie selbstverständlich das Smartphone heutzutage Teil der Kommunikation ist, musste nicht nur Marga in ihrer Herzsport-WhatsApp-Gruppe erfahren. Auch Gerd (64) bemüht sich darum, weitere Funktionen zu lernen: „Früher hat man Urlaubsfotos gerade mal der Familie oder engen Freunden gezeigt, heute schicken Eltern Bilder von ihren Kindern im Badeanzug durch die halbe Welt.“ Verstehen könne er das nicht wirklich. Gutheißen auch nicht unbedingt. „Ich brauche mein Telefon eigentlich nur, um damit zu telefonieren.“
Wenn der Klempner ein Foto braucht
Allerdings habe ihn der Alltag an diesem Punkt mittlerweile schlicht eingeholt: „Der Klempner hat mich gebeten, ihm ein Foto des defekten Wasserhahns zu schicken, damit er den schon einmal bestellen kann – tja, und dann stand ich da.“ Jetzt also lässt er sich von Sophie und Marina die verschiedenen Möglichkeiten erklären, Fotos per Smartphone zu verschicken – und ist dankbar für das kostenlose Angebot der Scouts. „Die Mädchen machen das wirklich gut und sind sehr kompetent.“ Vor allem, ergänzt Heidemarie, „weil sie alles auch so erklären, dass man es versteht; was nützt es mir, wenn mein Anbieter mir Nachrichten schickt mit Worten, die ich nicht einmal kenne?“
Gerade einmal anderthalb Stunden bleiben den drei Schülerinnen, um jede Mengen Fragen zu beantworten. Zum Luftholen kommen sie kaum. Wichtig, sagt Brigitte (76), die bereits zum zweiten Mal dabei ist, sei da die eigene gute Vorbereitung: Sie hat sich gleich mehrere Fragen im Vorfeld notiert, möchte unter anderem wissen, wie sie die App der Deutschen Bahn laden und nutzen kann. „Kleine Fragen eben, die man so hat.“
Noch Zukunftsmusik ist dagegen eine Art „Grundkurs“ in Sachen Smartphone, auf den Gotthard gehofft hatte. „Vieles habe ich mir selbst beigebracht, vielleicht auch nicht immer ganz richtig. Ich möchte das einfach mal richtig lernen.“ Eine Idee, die Gülten gerne aufgreift: „Wir überlegen bereits, wie sich das Angebot vielleicht noch ausweiten lässt und was wir noch anbieten können.“ Der Bedarf, davon ist Gotthard überzeugt, sei da. „Man möchte einfach richtig verstehen, was man da tut. Und da hilft mir keine unverständliche Betriebsanleitung oder das Gerede der Verkäufer. Da brauche ich kompetente Anleitung.“