Essen. Rund 300.000 Euro sollte die Wettbüro-Steuer 2023 einbringen. Doch nun macht ein Bundesgericht nicht nur Essen einen Strich durch die Rechnung.
Unter all den Anlaufstellen, die vom großen Glück fabulieren, sind sie ohne Frage die Schmuddelkinder: Anders als Lotto-Annahmestellen gelten Wettbüros vielen als Orte zwielichtigen Müßiggangs, beim Image angesiedelt irgendwo zwischen Spielhallen, Süßigkeiten-Outlets und Matratzen-Läden. Um ihre Verbreitung in der Stadt einzudämmen „und somit die Spielsucht zu bekämpfen“, führte Essen eigens für sie 2015 eine Wettbüro-Steuer ein. 300.000 Euro sollte die allein im kommenden Jahr einspielen, doch daraus wird nichts: Städtische Wettbürosteuern sind schlicht „unzulässig“.
Zu dieser Erkenntnis kommt als großer Spielverderber jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das am Dienstag (20. September) mit einem Streich gleich drei Verfahren der Revier-Nachbarstadt Dortmund erledigte. Danach „ist die Erhebung einer (zusätzlichen) kommunalen Wettbürosteuer nicht zulässig, weil sie den bundesrechtlich im Rennwett-und Lotteriegesetz geregelten Steuern (Rennwetten- und Sportwettensteuer) gleichartig ist“. Heißt: Wenn der Bund schon die Hand aufhält, darf die Stadt in gleicher Sache nicht auch noch mal abkassieren.
300.000 Euro Steuer – das würde Wetteinsätze von zehn Millionen Euro bedeuten
Gar so überraschend kommt die Entscheidung aus Leipzig nicht. Schon als die Wettbürosteuer 2014 erstmals vom Rat beschlossen wurde, liefen die Betreiber Sturm. Und kritisierten nicht zuletzt die Bemessungsgrundlage, denn wo Sport- und Pferdewetten veranstaltet oder vermittelt wurden, entschied anfangs die Größe des Wettbüros darüber, wie viel Steuern zu berappen waren: Zwischen 100 und 230 Euro fielen da je angefangene 20 Quadratmeter an.
Als diese Berechnungs-Grundlage höchstrichterlich gekippt wurde, verlegte sich Essen wie auch andere Städte ab 2017 darauf, die tatsächlichen Wetteinsätze zugrunde zu legen. Seither beträgt die Wettbürosteuer drei Prozent der Wett-Einsätze, und wenn also Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp für 2023 einen Betrag von 300.000 Euro in den Haushaltsplan aufgenommen hat, unterstellt dies stadtweit einen Jahres-Wetteinsatz von zehn Millionen Euro.
Die „Steuerungswirkung“ für Spielsüchtige und Stadtteile blieb ein frommer Wunsch
Dass im vergangenen Jahr von allen offiziell gemeldeten Wetteinsätzen allerdings gerade mal 164.000 Euro in der Stadtkasse hängen blieben, erklärt man im Rathaus mit einem eingeschränktem Betrieb im Zuge der Corona-Pandemie. Aber auch der Umsetzung der Glücksspielstaatsvertrag NRW mit seinen Abstandsgeboten zeigt Wirkung, ablesbar an den Zahlen: Noch 2019 bescherte die Zockerei in den Wettbüros der Stadt über eine Million Euro an Steuereinnahmen. 2020 war es nur noch etwas mehr als die Hälfte.
Und die „Steuerungswirkung“, die man sich einst von der Steuer versprach? Die blieb ein frommer Wunsch: Zwischenzeitlich stieg die Zahl der Wettbüros sogar noch an, um zuletzt wieder etwas zurückzugehen. Derzeit tummeln sich 23 Betreiber mit 40 Wettbüros auf dem Essener Markt.
Ob und wie viel an Steuern zurückzuzahlen ist, lässt sich derzeit noch nicht beziffern
Immerhin, angesichts der Dimensionen beim Essener Stadt-Etat nimmt sich der Verlust der Wettbürosteuer in sechsstelliger Höhe eher bescheiden aus. Wem da in nächster Zeit wie viel an gezahlter Steuer zurückzuzahlen ist, lässt sich zudem noch nicht beziffern: Im Rathaus wartet man zunächst die schriftliche Urteilsbegründung ab.
Die Stadtverwaltung hat sich jedenfalls gewappnet: Seit Dortmunder Wettanbieter im Jahr 2018 die Steuer auf dem Klageweg bekämpfen, sorgt die Stadt mit Rückstellungen dafür, dass das Ausfallrisiko sich in Grenzen hält. Was bleibt ist die Sorge um Spielsüchtige, und wer die für vorgeschoben hält: um die Stadtteile und ihre denkbare Glücksspirale – abwärts.