Dass sie „scheinheilig“ sind, ihre neue Steuer ohnehin „verfassungswidrig“ und sie sich mit jahrelangem Streit selber „keinen Gefallen tun“, das haben die Finanzexperten im Rathaus bereits seit Monaten schriftlich – und zwar von denen, die sie da ab dem 1. Januar zur Kasse bitten wollen.

Es hat sie aber nicht abgehalten. Die Wettbüro-Steuer, sie kommt erst einmal. Und wenn man sich als finanziell klamme Kommune schon unbeliebt macht, dann richtig: Mit ihren Steuersätzen geht die Stadt an die Grenze dessen, was ein Verwaltungsgericht in Freiburg im März dieses Jahres schon einmal für rechtmäßig erachtet hat.

Danach sollen Essener Wettbüros, die Sport- und Pferdewetten veranstalten oder vermitteln, ab Januar für jeweils angefangene 20 Quadratmeter ihres Ladenlokals 230 Euro pro Monat an die Stadt abführen. Beschränken sie sich allein auf Sportwetten, sind es nur 200 Euro, bleibt es bei Pferdewetten sogar nur 100 Euro, was die Stadt damit begründet, dass hierzulande erstens die Pferdewett-Tradition nicht ausgeprägt ist und zweitens die Gewinnmargen bei Pferdewetten bescheidener ausfallen.

Bei derzeit 38 Wettbüros im Essener Stadtgebiet mit einer durchschnittlichen Raumgröße von 70 Quadratmetern kalkuliert die Stadt mit Einnahmen von rund 360.000 Euro im Jahr – und dies ohne zusätzlichen Personalaufwand, wie es heißt, denn sind die Daten der jeweiligen Ladenlokale erst einmal ins System eingegeben, kommt nur einmal jährlich der Jahresbescheid in den Versand.

Es ist dieser örtliche Bezug, der die Wettbürosteuer erst lokal begrenzbar möglich macht – und der die Kritiker aus der Sportwett-Branche auf die Palme bringt. Denn besteuert werden nur Wettlokale, in denen Wettscheine angenommen werden und die Besucher die Möglichkeit haben, das Wettereignis, etwa am Fernseher, zu verfolgen. Folge: Sämtliche Lotto- und Toto-Annahmestellen im Stadtgebiet werden mit der Steuer erst gar nicht erfasst.

Genau das aber zeigt für Interessenvertreter wie den Deutschen Sportwetten-Verband die Verlogenheit der Steuer. Denn offiziell geht es ja nicht darum, mit der Wettbürosteuer ein kleines bisschen den maroden Stadt-Etat zu retten. Vielmehr ist es „in erster Linie“ Ziel, „das Glücksspiel einzudämmen, der Zunahme der einzelnen Wettbüros entgegenzuwirken und somit die Spielsucht zu bekämpfen“, heißt es in einer Vorlage für den Stadtrat. Aus diesem Grund würden auch illegale Wettbüros mit der Steuer belegt.

Vor einigen Jahren noch hatte die Stadt versucht, das selbe Ziel zu verfolgen, indem man wegen vermeintlicher Genehmigungsmängel reihenweise Schließungsverfügungen aussprach. Doch die Rechtslage drehte sich – und die Stadt musste viel Lehrgeld zahlen.

Jetzt verweist man darauf, dass die Steuer sich gemessen an dem dort kanalisierten Wett-Eifer doch arg bescheiden ausnimmt: Bei bis zu 300 Betriebsstunden pro Monat und mehr sinke die Steuerbelastung weit unter drei Euro je Öffnungsstunde. Eine „erdrosselnde Wirkung“ sei da wohl nicht zu befürchten.

Dass die Politik die Stadt noch bremst, ist kaum zu erwarten. Denn intern gilt es als ausgemacht, dass sie wegfallende Einnahmen durch eigene Vorschläge kompensiert. Die Entscheidung fällt am 26. November im Rat der Stadt.