Essen. Premiere im Theater Freudenhaus in Essen-Steele feierte „Fortuna“. Dem Publikum wurde dabei am Donnerstag keine trockene Historie aufgetischt.

Rassismus ist kein neues Phänomen – auch das ist eine Botschaft von „Fortuna“. Das jüngste Stück im Theater Freudenhaus feierte vor vollen Reihen eine glückliche Premiere wie lange nicht. Drehbuch, Schauspieler, Bühnenbild – all das überzeugt in „Fortuna – oder die Suche nach dem Glück“, der jüngsten Eigenproduktion des freien Theaters an der Westfalenstraße in Essen-Steele.

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Rund zwei Stunden anspruchsvolle Unterhaltung aus der Zeit von Fürstäbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach (1696 bis 1776) belohnte das Premierenpublikum mit einem Riesenapplaus. Der Krefelder Autor René Linke tischt jedoch keine trockene Historie auf. Die Komödie spielt mit Fakten des Essener Stifts und belebt sie neu.

Stoff hinter dem Stück ist ernst

Die fünf Charaktere tratschen und intrigieren munter los, es ist eine wahre Freude. Der Stoff dahinter ist allerdings ernst: das Schicksal des „Kammermohren“ Ignatius Fortuna aus dem fernen Surinam. Es steht für viele schwarze Menschen: Aus dem Orient, Afrika sowie Amerika nach Europa verschleppt, wo sie als Page arbeiteten. Auch die Essener Fürstäbtissin Franziska Christine, hatte einen „Kammermohren“ zu ihren Diensten. Sie soll eine vertraute Beziehung zu ihm gepflegt haben. An dieses Glück (lat. „Fortuna“) erinnert ein Ölgemälde von Johann Jakob Schmitz (1772).

Unter der Regie von Tabea Nora Schattmaier gehen die Darsteller mit weiß gepuderten Gesichtern der Frage nach, was die Beziehung mit dem südamerikanischen Findelkind aus Surinam ausmachte. Wie beim Adel im 18. Jahrhundert üblich, trägt die Fürstin (Gina Brooks) pompöse, ausgestellte Spitzenkleider über dem Schnürkorsett. Die Herren treten in edlen Überröcken aus feinsten Stoffen oder Leder auf. Dazu glänzen sie in Kniehosen und Schuhen mit Absätzen. Viel Aufwand für ein kleines Theater.

Der Kostümwechsel wird durch Pappfiguren unterstützt

Fertig angezogene Pappfiguren erleichtern dem Dreier-Ensemble den ansonsten sehr aufwändigen Kostümwechsel. So schlüpft etwa der Essener Thos Renneberg nahtlos aus seiner Fortuna-Rolle in die Besetzung des fürstlichen Verwalters Adam Schiffer. Die Wuppertalerin Caroline Keufen (neu auf der Freudenhaus-Bühne) rotiert gegen Ende ohne Mühe zwischen der Zofe und allen anderen vier Rollen.

Ein ordentliches Durcheinander erwartet die Zuschauer nach der Pause, wenn Klischees deutlich benannt werden. Ein rassistisch denkender Proll, Fortunas weißer Halbbruder aus Steele, sorgt für Ärger: Ignatz Schiffer – ebenfalls gespielt von Gina Brooks –, ein roher Typ, fixiert auf Fäkalsprache. Er zählt ohne Zweifel zu jenen, die „den ganzen Tag Bier saufen und fressen“, wie es Franziska Christine ausdrückt. Seinem Schlag möchte sie einheizen. Auch den unbeweglichen Beamten der Stadtverwaltung.

Denn die Idee, ein Waisenhaus für elternlose und bedürftige Kinder im Essener Osten zu errichten, stößt zunächst auf Ablehnung. Doch „Fortuna“ siegt. Der Herzenswunsch der Fürstäbtissin wird 1764 mit der Grundsteinlegung wahr – zu sehen bis heute. Keinen Kilometer entfernt vom Theater erinnert der Gebäudekomplex an der Steeler Straße an das wohltätige Werk.

Das Stück wurde unter anderem vom NRW-Kulturministerium gefördert. Nächste Aufführungen: Samstag, 24.9. um 20 Uhr, Sonntag, 25.9. um 17 Uhr, Freitag, 30.9. um 20 Uhr. Freitag, 18.11. und Samstag, 19.11. je 20 Uhr. Karten à 21 Euro. Weitere Informationen: www.grend.de