Essen-Bredeney. Die Essener Goetheschule ist jetzt offiziell „Schule der Zukunft“. Wie sich die Jugendlichen mit Geschlechtergerechtigkeit auseinandersetzen.
In der Goetheschule knarzen die Stufen, steinerne Skulpturen blicken ernst drein und der Weg zum Sekretariat führt durch holzvertäfelte Räume – die Geschichte des Hauses in Bredeney drängt sich Besucherinnen und Besuchern geradezu auf. Neuerdings trägt das historische Gebäude aber auch die Plakette „Schule der Zukunft“.
Auf die Auszeichnung ist die Schulgemeinschaft stolz – sie soll ein Aushängeschild für das Gymnasium mit seinen rund 800 Schülerinnen und Schülern sein. Marlene, Mieke, Carla und Jakub haben bei der Bewerbung mitgewirkt: Dazu haben sie sich mit der Geschlechtergerechtigkeit auseinandergesetzt – einem der 17 internationalen Ziele für nachhaltige Entwicklung, die das Gymnasium als „Schule der Zukunft“ mitträgt. Das Thema haben sich die 15-Jährigen gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ausgesucht – und im Laufe ihrer Recherchen und Diskussionen festgestellt, dass es auch für ihre Generation noch viel zu tun gibt in Sachen Gleichberechtigung.
Jugendliche diskutieren in der Essener Goetheschule über Gleichberechtigung
„Mir ist so erst klar geworden, wie viel Ungerechtigkeit es zum Beispiel im Berufsleben noch gibt“, sagt Mieke. Etwa bei der Bezahlung, dem Anteil der Frauen, die in Vollzeit arbeiten und Regelungen zum Mutterschutz. Sie diskutierten, warum der Anteil der in Vollzeit erwerbstätigen Frauen in skandinavischen Ländern höher ist als in Deutschland und warum der Frauenanteil im Bundestag bei nur rund 35 Prozent liegt. Sie sprachen mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Essen über den ebenso geringen Frauenanteil im Rat – Barbara Wolf freut sich über das Engagement der Jugendlichen. „Es ist wichtig, dass junge Frauen die Option sehen, Karriere in der Politik zu machen“, sagt sie.
Entmutigen lassen wollen sich die Schülerinnen von ihren Erkenntnissen nicht, im Gegenteil. „Mit dem Problem werden wir noch länger konfrontiert sein, deshalb finde ich es so wichtig, die Fakten zu kennen“, sagt Marlene. „Jetzt kann ich mich zum Beispiel auf das Berufsleben anders vorbereiten.“ Er selbst hätte vor dem Projekt lieber ein anderes Thema gewählt, gibt Jakub zu, jetzt sei er froh über die Wahl. „Im Nachhinein war es eine sehr gute Erfahrung“, sagt er. „Für mich war vor allem der internationale Blick sehr interessant.“
Per Videokonferenz hatten die Essener Jugendlichen mit Schülerinnen und Schülern aus der Türkei über die Frage der Gleichberechtigung diskutiert. Und sie mussten danach so manches Vorurteil revidieren. „Sie waren sehr liberal eingestellt und für die Gleichberechtigung, das hat mich ehrlich gesagt überrascht“, sagt Marlene. „Ich dachte, dass unsere Meinungen weiter auseinander liegen.“
Essener Jugendliche vernetzen sich mit Schule in Uganda
Die aktuellen Neuntklässler führen das Projekt in diesem Jahr fort und vernetzen sich mit der Gulu High School in Uganda. Über das Programm „Chat der Welten“, das zu einem großen Teil das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert wird, starten sie Videokonferenzen mit Gleichaltrigen in Uganda. „Sie tauschen sich über ihren Alltag und ihre Kulturen aus“, sagt Workshop-Leiter Bongani Makhubela. „Die Themen können sie frei wählen.“ Aber auch in diesem Rahmen soll es in den kommenden Monaten in der Goetheschule wieder um Geschlechtergerechtigkeit gehen.
Schulleiterin Nicola Haas setzt darauf, dass sich die Schülerinnen und Schüler dabei sowohl mit ihrem direkten Umfeld als auch anderen Kulturen auseinandersetzen. Das Siegel der „Schule der Zukunft“ gebe dem pädagogischen Konzept einen weiteren Rahmen und sorge für Vernetzung. „Wir sind Teil einer Weltgemeinschaft, die diese Ziele verfolgt“, sagt Haas.