Essen. Die Stadt Essen hat mögliche Standorte für intelligente Kameras identifiziert. Doch das neue Projekt für mehr Sicherheit muss hohe Hürden nehmen.

In Essen ist die nächste Klappe gefallen für mehr Videoüberwachung von Straßen und Plätzen: Die Stadt hat nach einer Prüfung in Zusammenarbeit mit der Polizei erste Orte benannt, an denen „intelligente“ Kameras im öffentlichen Raum Sinn machen sollen: auf dem Kennedyplatz, dem Willy-Brandt-Platz und entlang der Limbecker Straße.

Einen weiteren Straßenzug hatte die Stadtspitze bereits vor mehreren Jahren im Blick: Auch die rund 700 Meter lange Fußgängerzone der Viehofer Straße bis hin zum Flachsmarkt sollte mit der hochauflösenden Technik ausgestattet werden, hieß es – wenn denn alle rechtlichen Hürden beseitigt sind, die bislang dafür sorgen, dass die Planer um Ordnungsdezernent Christian Kromberg über den Vorspann im neuen Essener Sicherheitsfilm noch nicht hinausgekommen sind.

Denn bereits im März 2019 hatte eine städtische Delegation dem baden-württembergischen Mannheim einen Besuch abgestattet, um sich ein Bild von den dort bereits betriebenen Super-Kameras zu machen. Die Software der Geräte soll in der Lage sein, anhand von wiederkehrenden Berechnungen, sogenannten Algorithmen, unnatürliche Bewegungen von Menschen im öffentlichen Raum zu erkennen.

Das System soll automatisch Alarm schlagen

Wird zum Beispiel ein Passant angerempelt, fällt er zu Boden, rennt jemand auffällig schnell durch die Einkaufsstraße oder kommt es zu ungewöhnlichen Zusammenrottungen, schlägt das System automatisch Alarm. Auf einem Monitor einer Behörde erscheint dann eine Warnung, ein Mitarbeiter kann sich die aufgezeichnete Szene schnell anschauen und im Bedarfsfall gezielt Einsatzkräfte zum Ort des Geschehens schicken.

Das sorge nicht nur für mehr objektive Sicherheit, sondern auch für ein besseres Sicherheitsgefühl, das insbesondere an den nun für die Kameras ausgeguckten Orten „deutlich abgenommen“ habe, betont die Stadt. Das hätten Umfragen gezeigt. Eine erste Auswertung des Mannheimer Pilotprojekts zeige indes: Seit dem Ausbau der Videobeobachtung sei die Zahl an Straftaten – insbesondere bei den Delikten der Straßenkriminalität und der Rauschgiftdelikte – binnen zwei Jahren um 18,5 Prozent zurückgegangen. Über die Hälfte der Mannheimer fühlten sich dadurch deutlich oder zumindest etwas sicherer.

Ein ähnliches Fazit hatte die Polizei für ihre Videobeobachtung gezogen. Der große Unterschied des Mannheimer Modells zu den Kameras am Rheinischen Platz, mit denen die Behörde ihre erste und bislang einzige Videobeobachtung in der Stadt bereits Anfang 2017 in Betrieb nahm, ist aber: Im Endausbau des neuen Systems muss niemand mehr die Bildschirme wie auf der Leitstelle im Präsidium an der Büscherstraße ständig im Blick behalten, um zeitnah reagieren zu können.

Die Technik befindet sich in einem Lernprozess

Ist die chipgesteuerte Intelligenz ausgereift und die Bildanalyse-Software vollumfänglich einsatzbereit, was sie derzeit noch nicht ist, kann sie personelle Ressourcen sparen. Bei der örtlichen Polizei wären das rund 7000 Arbeitsstunden pro Jahr, die anderweitig investiert werden könnten.

Doch das ist zumindest in Teilen Zukunftsmusik, da sich die Technik noch in einem „Lernprozess“ befindet, wie es heißt. Vergleichbares gilt wohl für die Landesregierung in Düsseldorf. Im Gegensatz zu Baden-Württemberg, das die rechtlichen Voraussetzungen für die fortschrittlichere Form der Videobeobachtung bereits vor Jahren geschaffen hat, gibt es in NRW bislang keine erkennbaren Anstalten, das Polizeigesetz entsprechend nachzuschärfen.

„Weder das Landespolizei- noch das Landesdatenschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen sehen eine automatisierte Videoanalyse vor. Auch sind weder in den Gesetzesbegründungen noch in den Ausschussberatungen oder öffentlichen Anhörungen Hinweise darauf zu finden, dass der Landesgesetzgeber den Einsatz von intelligenten Analyseverfahren in Betracht gezogen hat“, lautet das Fazit der Stadt. Bislang sei es in NRW deshalb rechtlich nicht möglich, einen Ort, der kein Kriminalitätsbrennpunkt ist, sondern allenfalls ein erhöhtes strukturelles Gefährdungsrisiko hat, mit intelligenten Kameras zu überwachen.

Die Stadt Essen hat die Kosten bereits kalkuliert

Ungeachtet dessen hat die Stadt Essen ihre Kostenrechnung bereits aufgemacht: Geht man davon aus, dass das Land den kommunalen Ordnungsbehörden die Regie für die neuen Kameras überträgt, werden neben den Kameras für eine Beobachtung des Willy-Brandt-Platzes, des Kennedyplatzes und der Limbecker Straße vier zusätzliche Innendienstkräfte benötigt, die an die Leitstelle des Kommunalen Ordnungsdienstes angebunden werden sollen, um kurze Reaktionszeiten zu gewährleisten.

Die Stadt kalkuliert deshalb mit jährlichen Personalkosten in Höhe von 287.500 Euro und Gesamtkosten von 423.500 Euro. Die Arbeitsplätze für den Innendienst, die Wartung der Technik und die wissenschaftliche Begleitung des Projekts sind in dieser Summe eingepreist. Allein im ersten Jahr wird’s mit rund 1,8 Millionen Euro deutlich teurer, da allein die Inbetriebnahme dreier Überwachungsstandorte samt notwendiger Software mit einmalig knapp 1,4 Millionen Euro zu Buche schlagen würde.