Essen-Kettwig. Das Kettwiger Heimatmuseum gehört jetzt zum Heimat- und Verkehrsverein. Was mit dem bisherigen Träger Museums- und Geschichtsfreunde passiert.

Das Problem ist nicht neu, wird aber durch Corona noch verstärkt: Traditionsvereine verlieren immer mehr Mitglieder.

Junge Menschen wollen sich – abgesehen vom zeitlichen Aufwand – nicht mehr in feste Strukturen einbinden lassen, sind nur noch punktuell bereit für ein Engagement. Ältere wiederum verlieren irgendwann die Lust, insbesondere was die Vorstandsarbeit angeht.

Verschmelzungsvertrag unter notarieller Aufsicht

Doch auflösen muss sich ein Verein deshalb noch lange nicht, wie das Beispiel der Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunde zeigt. Diese schlüpfen jetzt unter das Dach des Heimat- und Verkehrsvereins (HVV) Kettwig.

Die Museumsexponate der Kettwiger Sammlung werden nun als Unterabteilung des Essener Stadtarchivs gehandhabt.
Die Museumsexponate der Kettwiger Sammlung werden nun als Unterabteilung des Essener Stadtarchivs gehandhabt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Am 19. September wurde ganz offiziell auf einer Versammlung im Gemeindezentrum Petershof ein sogenannter Verschmelzungsvertrag unter notarieller Aufsicht verlesen. Anschließend stimmten die anwesenden Mitglieder beider Vereine getrennt darüber ab. „Es war ein harmonischer Abend. Gegenstimmen gab es nicht“, resümiert Martin Kryl, Vorsitzender des HVV.

Gültig werde die Vereinbarung zum 30. November – bis dahin bestehe noch formal die Möglichkeit eines Einspruchs, so Kryl. Damit rechne er jedoch nicht. „Wir freuen uns, dass die Museums- und Geschichtsfreunde zu uns kommen.“

Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunde sind überaltert

Die Museumsräume wurden in der Corona-Pause umstrukturiert, der Bestand umgekrempelt und einer Frischzellenkur unterzogen.
Die Museumsräume wurden in der Corona-Pause umstrukturiert, der Bestand umgekrempelt und einer Frischzellenkur unterzogen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunde, die das Vereinsziel haben, den „Brückenschlag zwischen gestern, heute und morgen“ herzustellen, sind wiederum froh, dass der Heimatverein ihnen Unterschlupf bietet. Bereits 2021, zum 30-jährigen Bestehen, waren die Gespräche aufgenommen worden.

Denn: Der Verein sei inzwischen überaltert, und es sei, so der bisherige Vorsitzende Armin Rahmann, „immer schwerer, Leute für die Vorstandsarbeit zu gewinnen“. Ein Beispiel ist Heinz-Herbert Münker, seit mehr als einem Vierteljahrhundert Schatzmeister der Museumsfreunde: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das so lange machen werde.“

Geschichten aus der Geschichte des Ortes

Regelmäßig lädt der Heimat- und Verkehrsverein Kettwig zu einer offenen Führung durch die Altstadt ein – das nächste Mal am Samstag, 24. September. Interessierte können sich unangemeldet um 16 Uhr am Treffpunkt Märchenbrunnen gegenüber dem Rathaus (Bürgermeister-Fiedler-Platz) einfinden.

Die Führung dauert rund zwei Stunden. Geschichten aus der Geschichte des Ortes erzählt die Stadtführerin Katrin Engelhardt und vermittelt, dass die alten Gebäude, Straßen und Gassen viel von den Menschen zu erzählen wissen, die vor uns in Kettwig gelebt haben. Wenn es möglich ist, bezieht die Stadtführerin die evangelische und die katholische Kirche mit in die Führung ein.

Die Kosten betragen pro Teilnehmer fünf Euro, Kinder bis 14 Jahre sind kostenfrei.

Das Herzstück des Vereins – das Heimatmuseum – sollte natürlich erhalten bleiben, und das möglichst im Kettwiger Rathaus-Neubau. Die Miete, die an die Immobilienwirtschaft der Stadt zu zahlen ist, war allerdings ein Problem für den HVV. Schlussendlich habe sich nach langwierigen Verhandlungen eine für alle Beteiligten glückliche Lösung ergeben, erläutert Schriftführer Helmut Wißler. Das Kulturamt übernehme die Miete, das Museum werde dafür als eine Unterabteilung des Stadtarchivs geführt. Wißler: „Davon profitieren alle, denn unsere umfangreiche Sammlung zur Ortsgeschichte sicher einmalig. Auf diese Weise ist sie geschützt. Und wir können auf das Fachwissen des Stadtarchivs zurückgreifen.“

Während der Corona-Pause wurde das Museum umgestaltet

Die Museumsräume wurden in der Corona-Pause umstrukturiert, der Bestand umgekrempelt und einer Frischzellenkur unterzogen. „Wir konzentrieren uns auf die Kettwiger Historie“, so Rahmann. Die Sammlungsobjekte sollen digitalisiert werden. „Damit sind wir noch lange nicht durch“, so Helmut Wißler, der den künftig um den Punkt „Museum“ erweiterten HVV-Ausschuss „Geschichte“ hauptverantwortlich übernehmen wird.

Insgesamt gibt es sechs Ausschüsse im Heimat- und Verkehrsverein, der im Übrigen seit 133 Jahren in Kettwig besteht (ursprünglich gegründet als „Verkehrs- und Verschönerungsverein“). Großartigen Zuwachs werde die Verschmelzung mit den Museumsfreunden übrigens nicht bringen, so Kryl: „Viele haben Doppelmitgliedschaften.“

Ein großes Ziel des dann 650 Mitglieder zählenden Vereins sei die Gewinnung jüngerer Leute. Die Übernahme des Feierabendmarktes durch den HVV sei ein Anfang, ergänzt Geschäftsführerin Rita Forstmann. Auch die Aktion „Lange Tafel“ sei von den Kettwigern gut angenommen worden. Nun müsse das Interesse gehalten werden.