Essen-Steele. Frühere Straßenbahnlinien, ehemalige Gebäude, Geschäfte sowie alte Ansichten von Steele: All das zeigt ein neues Buch. Fotos wecken Erinnerungen.
Dort, wo heute Fußgängerzone ist, schlängelte sich einst die Straßenbahn durch Steeles Mitte. Es war die Innenstadtrunde, an die nun ein Kapitel im Buch von Harald Vogelsang erinnert. „125 Jahre Straßenbahn“ heißt das Werk, das die Geschichte der Straßenbahn im Stadtteil erzählt und mehr als 200 Bilder zeigt – und damit auch alte Ansichten Steeles.
Durch das Scheidtmanntor, über den Kaiser-Otto-Platz, entlang der Hansastraße und Bochumer Straße, über die Dreiringstraße und dann Richtung Bahnhof Steele West: Das sind nur einige Stationen der Straßenbahn auf ihrer früheren Innenstadtrunde, dieser aber hat der Autor beinahe das halbe Buch gewidmet. Das umfasst insgesamt rund 150 Seiten, alte Fahrpläne, Karten und Fotos von so vielen Ecken, Häusern und Geschäften Steeles, die verschwunden sind oder sich stark verändert haben.
Während in dem Buch zur Steeler Eisenbahnhistorie von Harald Vogelsang, der zum Steeler Archiv gehört, ausschließlich Schwarz-Weiß-Bilder gedruckt worden sind, ist nun ein Drittel der Bilder farbig. „Zudem ist auf den Straßenbahn-Bildern schon deshalb mehr Umgebung zu sehen, da diese im Gegensatz zur Eisenbahn im Stadtteil unterwegs gewesen ist“, erklärt er und verrät gleichzeitig, dass er sich für alle Gefährte auf Schienen interessiert, ob Feldbahnlore, Eisen- oder Straßenbahn. Ob das wiederum daran liege, dass er schon als Kind an einer Eisenbahnstrecke gewohnt habe, bleibt offen.
Fest steht, dass sein neues Werk nicht nur eines für eingefleischte Straßenbahnfans ist: „Denn das Schöne an dem Buch ist auch der Blick auf den Stadtteil, es zeigt ebenso 125 Jahre Steeler Stadtgeschichte“, sagt Arnd Hepprich, Vorsitzender des Steeler Archivs, über die Zeitreise in die Vergangenheit. Die führt auch auf den Bildern zurück bis in die 1930er Jahre.
Zu sehen sind auf diesen etwa schick gekleidete Passanten auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen und Fahrzeuge, die längst auf keiner Straße mehr unterwegs sind. Abgebildet sind die Schienen samt Straßenbahnen der Linien 4 in Richtung Kray und Steele-Hauptbahnhof, der Linie 17, die nach Nierenhof, fuhr oder auch der Linie 15, die von und nach Rellinghausen verkehrte.
Wenn die Straßenbahn nach Fusel und Rollmöpsen roch
Arbeitnehmer aus Steele kamen damals preiswert und mit kurzen Taktzeiten nach Essen oder auch in andere Ruhrgebietsstädte. Fuhr die Straßenbahn nach Überruhr, „so roch es darin nach Fusel und Rollmöpsen, wenn die Bergleute nach der Schicht auf der Zeche Heinrich einstiegen“, berichtet der Autor auch von Anekdoten aus der Straßenbahn, die ein Chronist notiert haben soll. Ausflügler erreichten mit dieser Steele, um in der Ruhr zu schwimmen, Boot zu fahren oder in eine der damals zahlreichen Gaststätten einzukehren.
Damals waren es gleich mehrere Verkehrsgesellschaften, die Steele ansteuerten und es war keine Essener Straßenbahn, die den Stadtteil als erste erreichte, sondern eine der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG. „Während von Essen aus noch die Kabelverlegearbeiten in Gang waren, eröffnete die BOGESTRA am 23. Oktober 1897 den Betrieb auf ihrer Strecke von Rotthausen über Kray zur Endhaltestelle nach Steele (Apotheke), heute Kaiser-Otto-Platz“, hat Harald Vogelsang in seiner Einleitung geschrieben.
Verkauf und Vorstellung des Buches
Das Buch „125 Jahre Straßenbahn in Steele. Ein Beitrag zum Essener Nahverkehr“ von Harald Vogelsang wird vom Steeler Archiv herausgegeben und ist ab Samstag, 24. September, im örtlichen Buchhandel sowie beim Steeler Archiv und dem Verlag erhältlich. Es erscheint im Essen, Revierbuch-Verlag, ISBN 978-3-947320-08-0, und kostet 24,90 Euro.
Vorgestellt wird das Buch am Freitag, 23. September. Das Steeler Archiv und der Revierbuch-Verlag präsentieren die Neuerscheinung im Gemeindezentrum der evangelischen Kirche Königssteele, Kaiser-Wilhelm-Straße 39. Beginn ist um 19.30 Uhr, Einlass ab 19 Uhr.
Die EVAG (heute Ruhrbahn) folgte ein Jahr später. Aus Richtung Nierenhof über Überruhr wiederum kam die Linie 17 der Bergischen Kleinbahnen AG. So gehörten Straßenbahnen zum Bild des Stadtteils, das sich dann erst in den 1950er und 60er Jahren wandeln sollte, als der Verkehr nach und nach auf Busbetrieb umgestellt wurde.
Bereits zuvor war manche Strecke für Straßenbahnen jedoch nicht befahrbar, wie die, die über die Ruhrbrücke führte. „Deutsche Soldaten hatten die Brücke auf ihrem Rückzug gesprengt“, berichtet Harald Vogelsang von den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Nach einer dürftigen Reparatur sei diese dann lediglich für Fahrzeuge mit einem Gewicht bis zu 1,5 Tonnen befahrbar gewesen.
Die BOGESTRA verabschiedete sich schließlich 1962 von der Straßenbahnstrecke nach Steele, es folgte auf dieser die Buslinie 191. Zwar habe es für manche Straßenbahn ein Abschiedsfest gegeben, aber wirklich nachgetrauert habe dieser bis auf manchen Fan wohl kaum einer besonders lange, sagt Harald Vogelsang. Heute hingegen werde eine Sehnsucht nach Straßenbahnen deutlich spürbar, in manchen Städten Europas baue man die Schienennetze wieder aus. In Steele sahen Fahrgäste damals die Vorteile der Busse: Dass diese von der Strecke abweichen und auch Neubaugebiete wie etwa in Überruhr ansteuern konnten, war einer davon.
In Steele selbst ist dann der Kaiser-Otto-Platz als Verkehrsplatz aufgegeben und 1977 an den Bahnhof Essen-Steele verlegt worden. Seitdem fahren noch die Straßenbahnlinien 109 und 103 nach Steele – seit diesem Jahr sind die allerdings zur Hauptverkehrszeit sogar im Fünf-Minuten-Takt unterwegs.