Essen. Harfid Hadrovic legt in Essen einen Bilderbuchaufstieg vom Flüchtling zum Bauunternehmer hin. Nun hat der Fußball-Sponsor Probleme. Ein Porträt.
Die Harfid-Unternehmensgruppe schrieb lange eine Erfolgsgeschichte: Immer größer, immer höher war die Devise, und seit das Firmenlogo an den Trikots von Schalke 04 und Rot-Weiss Essen heftet, ist der Name des Essener Bauunternehmens Millionen Fußballfans ein Begriff. Die aktuellen finanziellen Turbulenzen rücken jetzt die Person in den Mittelpunkt, die das Unternehmen gegründet und ihm den Namen gegeben hat: Harfid Hadrovic (45). Wer ist der Mann, der nun um sein Lebenswerk kämpft?
Im Jahr 1992 flüchten seine Eltern vor den Wirren des Bosnienkrieges, dem mehr als 100.000 Menschen zum Opfer fallen. Harfid, der älteste von drei Söhnen, ist 15, als die Familie im Ruhrgebiet eine neue Heimat sucht. Sie stammt aus Kakanj, einer kleinen Bergbaustadt nördlich von Sarajewo – da schafft das Revier, das immer noch Kohle fördert, immerhin emotionale Nähe.
Die Familie flüchtet 1992 vor dem Bosnienkrieg ins Ruhrgebiet
Dass in dem jungen Hadrovic große Talente schlummern, dass er ehrgeizig und fleißig ist, das alles soll erst später erkannt und belohnt werden. Doch vorerst bleiben die Türen zu Gymnasium und Universität verschlossen. Weil den Eltern das nötige Geld fehlt, um ihren Ältesten studieren zu lassen, erlernt der Flüchtlingsjunge erst mal einen soliden Handwerksberuf: Er geht auf den Bau und lässt sich zum Spezialhochbau-Facharbeiter ausbilden. Maurer – das heißt Steine schleppen, Speis anrühren, malochen. Geschadet hat das Harfid Hadrovic keineswegs, denn er weiß auch mit Kelle und Wasserwaage zu glänzen.
In nur wenigen Jahren legt der junge Einwanderer aus Bosnien-Herzegowina eine Bilderbuchkarriere hin – wie der Tellerwäscher, der es zum Millionär bringt. Gleich nach der Lehre steigt er auf zum Polier. Und das auch noch an einem für ihn magischen Ort, der sein Leben nachhaltig prägen wird: Es ist die Baustelle der Veltins-Arena „auf Schalke“. „Hier fing alles an“, sagt er. Danach wirkt er an weiteren renommierten Bauprojekten mit, wird Bauführer, dann Projekt- und schließlich Technischer Leiter eines großen Bauunternehmens. Sein Arbeitsplatz ist fortan nicht mehr die Baustelle, sondern das Büro.
Mitten in der Finanzkrise wagt Harfid Hadrovic den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit 40 Mitarbeitern geht er in Essen an den Start – und landet auf Anhieb einen Coup. Das Start-up führt am Einkaufszentrum Limbecker Platz, einem der größten und modernsten in Deutschland, die Rohbauarbeiten durch: ein Großprojekt und zugleich Referenz für weitere Projekte.
Harfid Hadrovic macht sich 2008 selbstständig und übernimmt Großauftrag am Limbecker Platz
Je mehr Aufträge Harfid an Land zieht, desto größer wird das familiengeführte Unternehmen. Zuerst sind es 100, dann 200 und schließlich 300 Mitarbeiter. Das Rohbauunternehmen steigt auf zu einem – wie es in der Branche heißt – „integrierten Projektentwicklungs- und Totalbauunternehmen“. Der Eigentümer selbst versteht sich selbstbewusst als „wichtigen Wirtschaftsmotor der Region“.
Auch wegen seiner eigenen Biografie als Zuwanderer sieht Harfid Hadrovic in der Vielfalt der Mitarbeiter mit unterschiedlichster Herkunft ein enormes Potenzial. Und mit einer Portion Stolz zeigt er mit seiner Verwurzelung in Essen, wie sehr sich das Unternehmen der Rhein-Ruhr-Region verbunden fühlt. Deshalb das gesellschaftliche Engagement wie auch das Sponsoring für zwei Traditionsclubs des Ruhrgebiets: für Schalke 04 und Rot-Weiss Essen.
Als die Königsblauen in die zweite Liga absteigen und auch wirtschaftlich ungewissen Zeiten entgegensehen, gehört Harfid Hadrovic fast wie selbstverständlich zu den Wortführern einer Gruppe, die sich pathetisch „Tradition und Zukunft – Herzblut auf Schalke“ nennt.
Der Bau, der Fußball und die Wissenschaft: Promotion und Lehraufträge an der Uni
Der Bau und der Fußball – das ist die eine Seite seiner Biografie. Die andere und weitgehend unbekannte ist die akademische Karriere. Parallel zum Aufbau des Unternehmens und seinem stressigen Chef-Job paukt Hadrovic nebenbei für die Uni. Absolviert binnen fünf Jahren den Bachelor- und Masterstudiengang Baubetrieb und Baumanagement und legt den Schwerpunkt auf die Felder Baubetrieb, Personalmanagement, Projektentwicklung und Immobilienmanagement: wertvolles theoretisches Wissen, das er in seinen Projekten in die Praxis umsetzt.
Damit nicht genug: Jüngst promoviert der Bauingenieur an der Universität Duisburg-Essen zum Thema: „Nutzen von modellbasierten Arbeiter bei der Roh- und Ausbauausführung im Wohnungsbau am Beispiel einer mittelständischen Bauunternehmensgruppe“. Derselbe, der einst als Maurergeselle auf dem Gerüstbrett stand, tritt nun als Dr.-Ing. im Hörsaal als Lehrbeauftragter vor die Studierenden und hält Vorlesungen.
Der Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien hat im Ruhrgebiet eine glanzvolle Karriere hingelegt, über die sich auf einmal jäh der Schatten der vorläufigen Insolvenz legt. Wer Harfid Hadrovic näher kennt, ahnt, wie sehr er dies als schmerzhafte Niederlage und als Makel für sein Image empfindet. Aber ans Aufgeben denkt der zweifache Familienvater nicht eine Sekunde. Denn nun kämpft er um sein Lebenswerk und sagt: „Wir sind ein Unternehmen mit Zukunft.“