Essen. Bürger und Firmen beschweren sich massiv über lange Bearbeitungszeiten. Stadt verweist auf Umstellungen und räumt Probleme ein – scheibchenweise.

Der Ärger um die städtische Kfz-Zulassungsstelle reißt nicht ab. Nach wie vor beschweren sich Bürger und private Zulassungsdienste über lange Wartezeiten und die nach ihrem Empfinden schleppende Bearbeitung eingereichter Unterlagen. Eine Sprecherin der Stadt Essen hatte noch vor gut zwei Wochen von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von drei Tagen gesprochen. Auf erneute Nachfrage der Redaktion hieß es nun, tatsächlich werde das oft nicht eingehalten. Die Bearbeitungszeit schwanke zwischen drei und sieben Werktagen.

Weil es derzeit besonders schwierig ist, einen Termin bei der Kfz-Behörde über das Online-Portal der Stadt zu bekommen, behelfen sich Bürger, indem sie kommerzielle Zulassungsdienste beauftragen. Auch dort wächst augenscheinlich der Unmut.

„Wir sind ein Zulassungsdienst, der seit 20 Jahre in Essen tätig ist“, schreibt Antonakoudi Waitsa der Redaktion. Zustände, wie sie aktuell in der Kfz-Zulassungsstelle herrschten, habe er aber noch nie erlebt. „Wie soll das funktionieren“, fragt Waitsa angesichts der von der Stadt genannten Bearbeitungszeit von mehr als einer Woche. Zu seinen Kunden zählten große Firmen, die darauf angewiesen seien, dass ihre Fahrzeuge möglichst schnell zugelassen werden. „Die können sonst nicht arbeiten.“

Anträge auf Ausfuhrzulassungen werden in Essen nicht mehr vordringlich bearbeitet

Verärgert ist der Dienstleister auch über eine neue Regelung der Kfz-Behörde: Anträge auf das Erteilen von Kurz- und Ausfuhrzulassungen, die für die Überführung eines Fahrzeugs benötigt werden, werden nicht mehr wie sonst üblich vordringlich bearbeitet, was eine Stadtsprecherin auf Nachfrage bestätigt. Bislang geschah dies innerhalb eines Tages, berichtet Antonakoudi Waitsa. Nun kommen die eingereichten Unterlagen auf den Stapel noch unbearbeiteter Anträge.

Häufig seien es ausländische Kunden, die in Essen ein Auto kaufen und damit zurück in ihre Heimat fahren. „Sollen diese Personen jetzt mehr als eine Woche warten“, fragt Waitsa. „Wer kommt für die Hotelkosten auf?“ Betroffen seien auch Hunderte von Gebrauchtwagenhändlern in der Stadt. Viele Händler hätten die Corona-Krise gerade so überstanden. „Muss man diesen nun den Rest geben?“, fragt der Dienstleister rhetorisch.

Laut Stadt Essen sind durch die Einführung der Software, Rückstände aufgelaufen

Was der professionelle Kfz-Zulassungsdienst beschreibt, musste auch Hans Weckmüller erfahren. Er hatte sich vergebens um einen Termin bemüht, um seinen Wagen anzumelden, mit dem er seinen Rollator, ein Sauerstoff gerät und wenn nötig einen Rollstuhl transportieren muss. Als Schwerbehinderter sei er auf die rasche Zulassung des Fahrzeugs angewiesen. Als er auch nach mehren Tagen keinen Termin bekam, schaltete der Essener einen kommerziellen Zulassungsdienst ein – und musste dennoch eine Woche auf die Zulassung warten.

Verlängerte Öffnungszeiten

Die Stadt Essen hat die Öffnungszeiten der Kfz-Zulassungsstelle im Monat September erweitert auf: montags bis mittwochs jeweils von 7 Uhr bis 16 Uhr, donnerstags von 8 Uhr bis 18 Uhr und freitags von 7 Uhr bis 14 Uhr.

Online-Termine vergibt die Stadt unter https://service.essen.de/

Auf Nachfrage der Redaktion führt eine Sprecherin der Stadt abermals geänderte Verfahren nach den Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes an. Gemeint ist die Einführung einer neuen, einheitlichen Software in der Zulassungsstelle. Aufgrund dieser Umstellung seien dort schon am 12. und 13. August keine Vorgänge bearbeitet worden. Dadurch seien Rückstände aufgelaufen. Die Software sei schließlich am 15. August im laufenden Betrieb eingeführt worden.

Nach wie vor befänden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einarbeitungsprozess. Termine seien in den vergangenen Wochen nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt worden. Hinzu kommen nicht zum ersten Mal nach Angaben der Stadt personelle Vakanzen durch Urlaub und Krankheit, nun auch durch Corona. Es sei nicht möglich, fehlende Mitarbeiter kurzfristig durch neue zu ersetzen, da diese erst eingearbeitet werden müssten.

Bürger wirft der Stadt vor, ihre Erklärungen seien „Geschwätz“

Hans Weckmüller aus Burgaltendorf, der sich in dieser Sache mehrfach an den OB wandte, hält diese Erklärungen für „Geschwätz“: Andere Straßenverkehrsbehörden hätten die Umstellung schneller und in weniger kundenintensiven Zeiten bewältigt, dort hätten es die Verantwortlichen auch nicht nötig, die einfachen Mitarbeiter mitverantwortlich zu machen für ihre Versäumnisse. Auch stößt er sich an der – falschen – Auskunft, dass man die Arbeit in drei Tagen erledige, obwohl allen klar gewesen sei, dass es mindestens eine Woche dauern werde. Das sei „arrogant und bürgerunfreundlich“.

Rückstände würden nun nach und nach abgearbeitet, verspricht indes die Stadt. Die Öffnungszeiten der Zulassungsstelle wurden für den Monat September erweitert (siehe Infokasten). Anträge auf Kurz- und Überführungskennzeichen würden nur vorübergehend nicht mehr bevorzugt bearbeitet. Wann die Zulassungsstelle zur bislang geübten Praxis zurückkehren wird, ließ die Sprecherin unbeantwortet. Die Stadt bittet um Geduld, einmal mehr.

In seinem resümierenden Brief an den OB wird Weckmüller noch einmal deutlich. Er sei zwar nur ein „nerviger Querulant“, so der Senior selbstironisch, gestatte sich aber dennoch, noch einmal das Grundproblem zu skizzieren: „Entweder bezahle ich zwischen 120 und 150 Euro an einen Zulassungsdienst und bekomme meine Papiere nach einer Woche zurück“ – für einen Normalverdiener sei das viel Geld – „oder ich begebe mich auf eine Odyssee“. Für eine Stadtverwaltung, die dienstleistungsorientiert sein will, sei das entschieden zu wenig. (mit F.S.)