Essen. Karl-Ludwig Rehse (†) war Hofschneider der Queen. Beim Heimatbesuch 2015 gab er bei aller Diskretion einiges über seine berühmte Kundin preis.
Karl-Ludwig Rehse hatte am Ende nur noch eine Kundin: die Queen, die seit Jahrzehnten seine Kreationen trug. Der Hofschneider der jetzt verstorbenen britischen Königin Elizabeth II., stammte aus dem Essener Moltkeviertel und pflegte bis ins Alter gute Kontakte zu seinem alten Freund Peter Hohendahl, den er bis ins hohe Alter regelmäßig besuchte. Rehse ist im Mai 2019 in London gestorben. 2015 haben wir ihn bei einem seiner Heimatbesuche in Essen getroffen. Dabei gab er bei aller Diskretion einiges preis.
Wann immer Karl-Ludwig Rehse nach Deutschland kam, versuchte er, seinen alten Freund Peter Hohendahl aus Essen-Haarzopf zu treffen. Viel Zeit hatte Rehse meist nicht. 1937 in Essen geboren, war er 2015 eigentlich längst im Rentenalter. Doch in seiner Wahlheimat London nahm der gelernte Schneider immer noch Aufträge entgegen, allerdings nur von einer einzigen Kundin: Königin Elizabeth II.
Der Hofschneider der Queen besuchte seine alte Heimat Essen regelmäßig
„Peter und ich kennen uns quasi aus dem Kinderwagen, weil unsere Familien befreundet waren“, sagte Rehse, der 2015 den Victoria-Orden verliehen bekam und seitdem die Ordens-Abkürzung MVO hinter dem Namen tragen durfte. Die Freundschaft zu Peter Hohendahl, Jahrgang 1938, hielt, obwohl die beiden ganz unterschiedliche berufliche Laufbahnen einschlugen. Hohendahl war als Industriekaufmann selbstständig, Rehse lebte seit den 1960er-Jahren in London, stieg dort zum Hoflieferanten und Schneider der Queen auf.
Rund 30 Jahre lang war die britische Königin seine Kundin, auch zur Geburt von Urenkelin Charlotte trug die Queen ein rosa Ensemble aus seinem Atelier. Mehrmals im Jahr melde sich der Buckingham-Palast und rufe ihn an den Hof, erzählte Rehse damals. Nicht nur bei der Auswahl der Schnitte und Stoffe, auch bei der Anprobe habe er engen Kontakt zur Königin. „Natürlich sprechen wir da nicht über das Wetter“, sagte er und wahrte dabei strengste Diskretion.
Ja, er sei aufgeregt, wenn er an den Hof und in die privaten Räume der Königin gerufen werde, „nicht mehr so wie früher, aber immer noch bis bisschen“, erzählte Rehse mit charmantem englischen Akzent.
„Die Queen ist eine beeindruckende Persönlichkeit, die für ihren Humor bekannt ist. Und ich kann sagen, das stimmt“, schwang schon ein bisschen Bewunderung mit, wenn Rehse erzählte. Sind die Hunde der Queen, die kurzbeinigen Corgis, bei der Anprobe dabei? „Ja, aber es sind nicht mehr so viele wie früher“, so Rehse. Ob die Vierbeiner beißen? Karl-Ludwig Rehse lächelte vielsagend und schwieg.
Der Hofschneider stammte ursprünglich aus dem Essener Moltkeviertel, seine Familie wohnte an der Wallotstraße. Während des Zweiten Weltkriegs verbrachte die Familie einige Zeit in Bayern, zog aber nach Essen zurück, wo Rehse in Bredeney eine Lehre zum Herrenschneider absolvierte.
Bei einer Urlaubsreise in den 1960er Jahre entdeckte er seine Liebe zu London
„Ich wollte Damenschneider werden, aber die Handwerkskammer meinte, als Mann ginge das nicht“, erinnerte sich der Wahl-Londoner. Seit ihn seine Großmutter zur Düsseldorfer Handwerksmesse mitgenommen hatte, war er vom Thema Mode elektrisiert. Nach der Gesellenprüfung arbeitete Rehse in einer Düsseldorfer Boutique, besuchte später die Modeschule in München, schneiderte dort schon für Adelige und Filmstars. „Eigentlich wollte ich in Paris arbeiten, aber dann wurde es London“, so der Schneidermeister. Nach einer Urlaubsreise in den 1960er Jahren in die englische Hauptstadt war für ihn klar: Das ist meine Stadt, hier will ich arbeiten.
1988 machte sich Karl-Ludwig Rehse dann gemeinsam mit einem Freund in London selbstständig. „Die Sommer-Kollektion 1988 war ein Riesenerfolg“, erinnerte er sich. Nach der Präsentation kam der Anruf, der Rehses Leben veränderte: Er durfte seine Kollektion auf Schloss Windsor vorstellen. Das sollte der Beginn einer langjährigen Geschäftsbeziehung sein. Rehse dufte offiziell das Wappen der Hoflieferanten auf seiner Visitenkarte führen.
„Die Königin trägt Einzelstücke, die nur für sie gemacht sind“, sagt Rehse. 2009 setzte er sich geschäftlich kleiner, hatte nur noch eine langjährige, spanische Mitarbeiterin – und nur die Queen als Kundin. „Das will ich auf jeden Fall weitermachen, solange man mich lässt“, hatte Rehse 2015 bekräftigt.