Essen. Explodierte Preise für Gas, Mehl, Zucker, Butter. Personal fehlt, Läden müssen schließen: So will Essens Bäcker-Handwerk durch die Krise kommen.

Erst vor drei Jahren hat Essens größter Backbetrieb, Bäcker Peter mit seiner riesigen Zentralbäckerei im Gewerbegebiet M1 im Nordviertel, seine Öfen von Strom auf Gas umgestellt. „Die Öfen sind an Energie-Effizienz kaum zu überbieten“, sagt Geschäftsführer Klaus Peter. Doch mit explodierten Gaspreisen hat damals niemand gerechnet: „Bereits vor sechs Wochen mussten wir die Preise sanft anheben, und um eine weitere, behutsame Preiserhöhung im Herbst kommen wir nicht umhin“, kündigt der Geschäftsmann an. Bäcker Peter betreibt 33 Filialen im Essener Stadtgebiet.

Die explodierten Preise treffen die Bäcker sehr hart. „Ich zahle jetzt das Doppelte für Mehl als vor Ausbruch des Ukraine-Krieges“, berichtet Bäckermeister Stefan Holtkamp, der fünf Filialen im Stadtgebiet hat. Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas. „Selbst, wenn unser Weizenmehl nicht direkt aus dem Land kommt – der Rohstoff fehlt jetzt auf dem Markt, deshalb sind die Preise so angezogen.“ Sein Kollege Klaus Peter sagt, dass auch Zucker exorbitant teurer geworden ist, „trotz bester Ernte-Aussichten, manchmal versteht man es nicht.“

Jetzt wichtiger denn je: Kundentreue

Besonders die kleinen Einzelkämpfer, die sich trotzig im schwierigen Bäcker-Geschäft halten, leben von der Treue ihrer Kunden. „Wir haben neulich den Brotpreis um 30 Cent erhöhen müssen – doch unsere Kunden sagen, wir sind immer noch viel zu billig“, berichtet eine Mitarbeiterin der Traditionsbäckerei Ahlfs auf der Holsterhauser Straße. Auch Klaus Peter betont: „Das Letzte, woran wir jetzt sparen würden, wäre die Qualität – dann haben wir verloren.“

Muss mit gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen umgehen: Bäckermeister Stefan Holtkamp (links), hier mit dem Gesellen Mamadou Sow.
Muss mit gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen umgehen: Bäckermeister Stefan Holtkamp (links), hier mit dem Gesellen Mamadou Sow. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Doch die Betriebe spüren, dass das Brötchen und das Brot, gefertigt mit handwerklicher Qualität, für immer mehr Bürgerinnen und Bürger zum Luxus wird: „Die Kunden stimmen mit den Füßen ab, und das merken wir“, räumt Klaus Peter ein. Stefan Holtkamp ergänzt, dass der Kampf um Qualität und Preise schon lange vor Corona und anderen Krisen tobte: Der Chef von Essens ältestem Backbetrieb erinnert sich daran, „dass mein Vater immer davon sprach, dass es 240 backende Betriebe in Essen gibt.“ Heute dürfte es kaum noch ein Dutzend sein.

Personal fehlt im Verkauf und in der Backstube

Ein weiteres Problem: Personal fehlt an allen Ecken und Enden – das ist auch der Grund, zumindest offiziell, warum die Bäckerei Schmitz auf der Rüttenscheider Straße zuletzt das Handtuch geworfen hat. Der Laden wurden abgegeben; ein anderer Bäcker soll übernehmen, heißt es. „Es bewerben sich kaum Leute, und jene, die sich bewerben, sind kaum qualifiziert“, sagen erfahrene Bäckermeister. Dabei geht es nicht nur um die Kräfte in der Backstube, sondern auch um jene für den Verkauf: „Uns fehlen derzeit etwa zehn Kräfte in Vollzeit, deshalb müssen fünf unserer Filialen schon nachmittags schließen“, sagt Klaus Peter. Auch bei Holtkamp macht die Filiale in Heisingen seit Monaten schon mittags dicht, obwohl händeringend nach Personal gesucht wird; bewerben kann man sich gleich im Laden, auf der Theke liegen entsprechende Formulare.