Essen-Kray. Farbenfroh, ziemlich sauber, aber wenig los: Der Bahnhof Kray-Nord schneidet besser ab als erwartet. Das größte Rätsel bleibt aber ungelöst.
20.000 Einwohner hat Kray, da sind zwei Bahnhöfe oder Haltepunkte für einen einzigen Stadtteil eigentlich ganz schön komfortabel: Kray-Süd und, wie der Name schon sagt, am nördlichen Ende der Stadtteilmitte: Essen-Kray Nord. Um es kurz zu machen: Der Bahnhof ist besser, als man denkt.
Das Bahnhofs-Häuschen ist kein Bahnhofs-Häuschen mehr
Was denkt man denn? Nun ja, Sie kommen vom Heinrich-Sense-Weg auf den Bahnhof zu und sind erst mal irritiert, denn das erkennbar als Bahnhofsgebäude errichtete Haus aus ockerfarbenem Ziegelstein ist schon lange kein Teil des Bahnhofs mehr. Das kleine, aber durchaus stattliche Haus, erbaut 1875 und heute unter Denkmalschutz stehend, erinnert an die Blütezeit der Industrialisierung, an aufstrebende Dörfer und Gemeinden, und der Anschluss ans revolutionäre Verkehrsmittel namens Eisenbahn war damals sicher etwas, was die Leute stolz machte vor Ort.
Wir schweifen ab. Also: Das Bahnhofsgebäude ist schon lang eine Moschee, und der direkte Zugang zum Gleis verläuft 50 Meter weiter links, durch einen Tunnel.
Wo sich an anderen Bahnhöfen finstere Schluchten eröffnen, haben wir es hier mit einem hellen, farbenfroh gestalteten Durchgang zu tun, und sogar die Sauberkeit ist – Momentaufnahme Dienstag Mittag - ganz in Ordnung. Hier und da eine Coladose, die nicht auf den Asphalt gehört, aber ansonsten könnte dieser Tunnel als Sinnbild dafür stehen, wie sehr sich die Verantwortlichen mühen, solche schwierigen Objekte sowohl hell und freundlich als auch einigermaßen sauber zu halten. Wildes Graffiti? Sehen wir wenig.
Der positive Eindruck setzt sich auf dem Bahnsteig fort – es gibt saubere Wartehäuschen mit intakten, gepflegten Bänken aus Metall, kein Windschutz-Glas kaputt oder zerkratzt oder verschmiert, und auch die Sichtkästen, in denen die Zeitpläne hängen, sind in Ordnung. Weil auch in Kray die Welt nicht immer in Ordnung ist: Man hätte, mit Verlaub, mehr Zerstörung erwarten können und wird erfreulicherweise eines Besseren belehrt.
Wo sind Gleis 1 und 2?
Wer mäkeln will, der findet natürlich Unschönes: Wucherndes Gras zwischen den Steinen. Etwas Graffiti am Ende des Bahnsteigs. Und die ganze Szene hat etwas seltsam Stilles – das liegt wohl allgemein an Bahnhöfen, die gerade mal stündlich von Zügen angefahren werden. Ihre leicht verpennte Aura kriegen sie wohl nur schwerlich los.
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Und jetzt kommt das größte Rätsel des Bahnhofs Kray-Nord, das wir an dieser Stelle nicht lösen können: Es gibt zwei Gleise, eins in Richtung Essen Mitte, das andere in Richtung Gelsenkirchen. Das eine Gleis heißt Gleis 3, das andere heißt Gleis 4.
Frage: Wo sind 1 und 2? Antwort: Nicht da.
Ortshistoriker und/oder Hobby-Bahnologen aus dem Ruhrgebiet wissen ganz sicher die Antwort.
Kommen wir noch zu den formalen Kriterien unseres Bahnhof-Checks:
Anbindung
Hier hält als einziger Zug die S2 zwischen Essen und Dortmund. Gefahren wird im Stundentakt, was sicherlich ausbaufähig ist. Besser ist die Bus-Anbindung: Vor dem Bahnhof halten die Fahrzeuge der Linien 170 (Steele), 194 (Haarzopf), 144 (Stadtwald) und 146 (Leithe/Essen Hauptbahnhof).
Barrierefreiheit
Die Gleise sind durch lange, gut ausgebaute Rampen zu erreichen. Die Lösung ist erkennbar aufwändig gewesen, die Rampen ziehen sich 30, 40 Meter, damit die Steigung nicht zu steil wird. Doch das ist alles besser als ein ständig kaputter oder vollgeschmierter Aufzug. Gut gelöst!
Service
Naja, es gibt - Überraschung - einen Ticketautomaten. Essen, Trinken, Zeitung? Der Bahnhof Kray-Nord liegt sehr zentral an Krays Zentrum, und nur ein paar Schritte Richtung Ort gibt es große Kiosk-Läden mit einem beeindruckenden Angebot an – nun ja, an so ziemlich allem, was Trinkhallen so haben. Selten so viele verschiedene Energy-Drinks in nur einer Kühltheke gesehen.
Leider fehlt eine Fahrgast-Information am Bahnsteig, so ein Laufband, das zeigt, wann der nächste Zug kommt. Obwohl - bei einem Zug, der stündlich fährt . . .
Und sonst?
Gibt der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) in seinem aktuellen „Stationsbericht“ dem Bahnhof Kray-Nord durchschnittliche (Aufenthaltsqualität) bis gute (Barrierefreiheit) Noten. Das zeugt fast von nüchterner Bescheidenheit, denn unserer Meinung nach kommt Kray-Nord wesentlich besser weg als, sagen wir, Kettwig Stausee oder Dellwig Ost. Wesentlich!
Und dann . . .
. . . sind wir ganz am Ende noch am Ticket-Automaten vorbeigegangen. Jemand hat offenbar vor ein paar Nächten ein Feuer gemacht auf der Tastatur. Geschmolzener Kunststoff, schwarzer Ruß, Gerät komplett im Eimer. Vandalismus, leider doch akut. Ach, Kray-Nord.
Wir checken Essener Bahnhöfe: Das sind die bisherigen Tests