Essen. Premiere fürs Essener Straßenkunstfestival: Artisten und Komödianten aus aller Welt tummeln sich in der City. Was das Festival zu bieten hat.

  • Für das erste Essener Straßenkunst-Festival hat sich die Innenstadt in eine Freilichtbühne verwandelt – für Akrobaten, Zauberer und Komödianten.
  • 18 Künstlergruppen aus 15 Nationen sind am Wochenende in der City unterwegs.
  • Die Künstler zeigen ihre Shows am Samstag, 13. August, bis 23 Uhr und am Sonntag, 14. August, von 12 bis 19 Uhr. An acht Standorten sind die Musiker, Akrobaten und Comedians zu erleben. Zwei Spielorte gibt es auf dem Kennedyplatz, weitere Darbietungen gibt es an der Marktkirche, auf dem Kopstadtplatz, Flachsmarkt, Porscheplatz, Burgplatz und der Kettwiger Straße.
  • Ihre größte Herausforderung bei der Premiere des Festivals: das Wetter.
Die „Wise Fools“ schweben über dem Essener Burgplatz. Dort gibt es einen aufwendigen Aufbau für die Akrobatik-Nummern.
Die „Wise Fools“ schweben über dem Essener Burgplatz. Dort gibt es einen aufwendigen Aufbau für die Akrobatik-Nummern. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Schon am ersten Nachmittag der dreitägigen Veranstaltung wird klar: Für die Akteure wird es angesichts der hochsommerlichen Temperaturen eine schweißtreibende Angelegenheit. Manche haben sich vorbereitet und tragen unter dem dunklen Anzug ein knallbuntes und ausgesprochen knappes Tütü zu dunkelblauen Europa-Socken. „Garaghty und Tom“ beweisen, dass den Briten so schnell nichts peinlich ist – außer vielleicht der Brexit, „großes Sorry“. Dafür sind die Herren von der Insel herrlich laut und lustig und dazu noch Meister auf dem Einrad, wo sie gekonnt mit Worten und Keulen jonglieren.

Hutgeld ist beim Essener Straßenkunstfestival entscheidend

Felice und Cortes Young lassen ebenfalls Bälle und Drumsticks fliegen. Das Duo hat nicht nur viel Musik im Programm, sondern auch jede Menge Straßenkunsterfahrung. „Allein 60 Auftritte in diesem Jahr“, erzählt Cortes Young. Für viele Schaulustige, die sich am ersten Abend um die verschiedenen Formationen drängen, ist die Straßenkunst noch relativ neu, wie Felices spontane Publikumsumfrage ergibt. Und so ist fast jeder Festival-Aufritt an diesem ersten Tag auch ein Aufwärmen, Auflockern und Animieren, nicht nur um die Zuschauer zum Mitklatschen und Mitmachen zu bringen. Am Ende jeder Vorstellung geht schließlich auch der Hut rum – und soll nicht leer bleiben.

El Diabolero nimmt am Samstag, 13. August 2022, am 1. Straßenkunstfestival in Essen teil. Foto: Bastian Haumann / FUNKE Foto Services
El Diabolero nimmt am Samstag, 13. August 2022, am 1. Straßenkunstfestival in Essen teil. Foto: Bastian Haumann / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

„Wir leben davon“, erklären die „Wise Fools“, drei Damen aus Finnland und Südafrika, die für ihre Luft-Akrobatik den aufwendigsten Bühnen-Aufbau am Burgplatz haben und schon am ersten Abend stürmischen Applaus ernten. Andere Künstler wie „El Diabolero“ brauchen kaum mehr als ein paar Quadratmeter Asphalt oder einen Verstärker wie die tanzenden Herren von „Suprise Effect“. Die vier Franzosen sind erstklassige Breakdancer und Akrobaten und lassen ihre Salti so lässig erscheinen wie ihre locker-flockige Publikumsansprache, die wie bei fast allen Künstlern auf Englisch funktioniert. Dass sie nicht nur für Hutgeld tanzen, sondern auch für glückliche Gesichter – das Publikum glaubt es gerne und zahlt in beiden Währungen zurück.

Essener Straßenkunst-Parade startet vom Kopstadtplatz aus

Die drückende Hitze scheint die Menschen in der Innenstadt am Samstag geradezu zu lähmen. Die einen gönnen sich einen Eisbecher oder ein kühles Getränk in einem der Cafés, andere ziehen einen Bummel durch die klimatisierten Geschäfte vor. So ist die Gruppe, die sich für die Parade der Straßenkünstler am Kopstadtplatz versammelt auch überschaubar. Doch mit gemeinsamer Kraft zeigen die Artisten und Musiker, was ihr Metier ausmacht: Sie holen die Menschen ab, scharen beim Gang durch die City immer mehr Publikum um sich, wecken die Neugierde der Passanten, bringen ein Lächeln in vorher gestresste Gesichter und ernten am Ende begeisterten Beifall.

Die Musiker von „Faela“ kommen aus Schweden und Argentinien. Sie führen die Straßenkunstparade durch die Essener Innenstadt an.
Die Musiker von „Faela“ kommen aus Schweden und Argentinien. Sie führen die Straßenkunstparade durch die Essener Innenstadt an. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Vor der Marktkirche darf sich auch Gina Sibila gemeinsam mit der internationalen Künstlertruppe präsentieren. Für die 27-jährige Essenerin ist das Festival ein Heimspiel, deshalb liegt ihr der Erfolg des Formats auch besonders am Herzen. „Zehn Grad weniger wären schön gewesen“, sagt sie. „Aber so ist es jetzt.“ Mit ihrem „Cyr Wheel“, einem großen Reifen, gibt sie alles – anders kann die passionierte Artistin auch gar nicht. „Wow“ und „Unglaublich!“ raunt es durch die Menge.

Die Darbietungen von Fakir „Muy Moi“ aus Venezuela tun schon beim Zuschauen weh.
Die Darbietungen von Fakir „Muy Moi“ aus Venezuela tun schon beim Zuschauen weh. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Begeistert sind auch Pamela Domke und ihre Kinder. „Wir haben heute Morgen vom Festival gelesen und sind spontan aus Bochum gekommen“, sagt sie. Die Familie möchte sich von den Straßenkünstlern begeistern lassen, ein wenig bummeln, sich ein Eis gönnen – zur Feier des Tages, denn Sohn Jonathan wird an diesem Tag 13 Jahre alt.

Essen soll als Bühne für Straßenkunst bekannter werden

Die Straßenkünstler stehen vor der Herausforderung auch diejenigen mitzureißen, die nur zufällig vorbeikommen. „Das Essener Pflaster ist hart zu bespielen“, sagt Sibila, die in diesem Jahr auf eigene Faust auf Tour durch Europa gegangen ist und mittlerweile auch schon in Fernsehshows aufgetreten ist. „Die Menschen im Ruhrpott sind offen und ehrlich, aber sie wollen erst einmal begeistert werden.“ Die Artistin freut sich, dass sie dazu eine große Gruppe internationale Künstlerinnen und Künstler an der Seite hat. Dieser Zusammenhalt habe ihr in den vergangenen Jahren sehr gefehlt.

Nun muss nur noch die Gage stimmen, für die das Publikum verantwortlich ist. Anreise und Unterbringung werden finanziert, darüber hinaus aber sind die Straßenkünstler auf das Geld angewiesen, das in ihrem Hut landet. Ob das Ergebnis passt, wird der Kassensturz zeigen. Darauf hoffen nicht nur die Künstler selbst, sondern auch das Essener Kulturamt, das die Innenstadt als Bühne für Straßenkunst profilieren möchte.