Essen-Altendorf. Ein mobiles Teecafé bringt Menschen unterschiedlicher Kulturen an einen Tisch. Ein Türöffner für Nachbarn, die sich sonst nie begegnet wären.
Die ersten beiden Kannen sind aufgesetzt, Dampf steigt auf. Es gibt Tee. Marokkanischen und Früchtetee. Direkt an der Straße, Altendorfer Ecke Serlostraße. Clara Gsella schenkt ein, während die Blicke von Joseph Amoa-Bosompem suchend über den Bürgersteig gleiten. Ein Fahrradfahrer hält an, neugierig, was es mit diesem kleinen Auflauf zu tun hat. „Möchtest Du mit uns einen Tee trinken?“ Joseph spricht ihn an, man ist sofort per Du.
Der Fahrradfahrer ist zunächst zurückhaltend – und bleibt. Zumindest ein paar Minuten. Um einen Tee zu trinken und sich zu unterhalten. Über das Leben, den Stadtteil, das Leben im Stadtteil. Das Heißgetränk trägt nicht den berüchtigten Zusatz „to go“, es kommt im Glas daher, damit die Menschen zumindest für ein Gespräch bleiben. Der Tee ist kostenlos, die Gespräche auch.
Begegnungen ermöglichen
Hemmschwellen überwinden, Gemeinsamkeiten entdecken, mit Menschen aus dem Stadtteil ins Gespräch kommen – das ist das Prinzip von Mobilitea, einem Projekt von Viertelimpuls e.V., hinter dem Laura Schöler steckt. „Entstanden ist die Idee 2015“, erinnert sie sich. „Es gab in Katernberg eine Flüchtlingsunterkunft, in der sehr viele Menschen lebten, die aber keinen Kontakt in die Nachbarschaft hatten. Es hat mich schockiert, dass viele Leute Angst haben vor Menschen, die Schutz suchen. Uns war klar, dass man das nur abbauen kann, indem man Begegnung ermöglicht.
Wichtig sei gewesen, etwas zu schaffen, „wo nicht ,Flüchtlingscafé‘ draufsteht, sondern das einen nachbarschaftlichen Aspekt hat. In fast jeder Kultur gibt es auch eine Teekultur. Dafür nimmt man sich Zeit, Tee hat etwas mit Gastfreundschaft zu tun.“ Und Tee ist ein guter Einstieg in ein Gespräch. „Manche machen Kardamom rein, andere Zimt, jeder hat etwas zu erzählen.“
Projekt wird von der Stadt gefördert
Ab Sommer 2017 war das Team von Mobilitea mit einem Fahrrad inklusive Anhänger in Katernberg unterwegs, bereitet vor Ort mit Campingkocher und Wasserkanister die vielfältigsten Teekulturen zu. Damit war das mobile Teecafé entstanden. Gleichzeitig wurde das Projekt erstmals von der „Sozialen Stadt“ gefördert. Mittlerweile konnte dank der Unterstützung der Alfred-Krupp-und-Friedrich-Alfred-Krupp Stiftung ein neuer PiaggioPorter gekauft werden, der von der Jugendberufshilfe Essen umgebaut wurde, und mit dem die Ehrenamtlichen nun zahlreiche Stadtteile besuchen – und dienstags eben Altendorf.
Darüber hinaus wird das Team auch von den Akteuren im Stadtteil begleitet, ob es nun Diakonie, Caritas oder AWO sind, das Jugendamt oder auch Geschäftsleute. Gemeinsam erkunden sie die Themen im Stadtteil. Was bewegt die Menschen, wo brauchen sie Hilfe? Laura: „Ob nun jemand Probleme hat oder einfach nur das Beet vor dem Haus verschönern will – wir kennen die richtigen Anlaufstellen und können Tipps geben.“
Besher Othman ist einer der Freiwilligen von Mobilitea, er ist in jeder Woche in Altendorf dabei. Aus zahlreichen Gesprächen weiß er, wo hier derzeit der Schuh drückt. „Im Moment spricht man viel über Kriminalität. Wir hören zu und versuchen auch, den Menschen die Ängste zu nehmen.“ Das Image des Stadtteils sei derzeit viel schlechter als die Realität, fügt Laura hinzu. „Den Schaden haben vor allem die Geschäftsleute. Dabei gibt es in Altendorf viele schöne Aspekte. Da vorne ist ein Nachbarschaftsgarten, den haben wir schon mal besucht. Wir reden auch darüber, was gut ist im Stadtteil – und das motiviert die Menschen, sich einzusetzen.“
Kleine Erfolge motivieren
Es sind die kleinen Erfolge, die das Team von Mobilitea motivieren. Wenn Nachbarn an ihrem Stand das Zuckerfest organisieren. Wenn ein Problem gelöst werden kann. Oder wenn die Menschen einfach nur reden. Zouheira Al-Kasmatti beispielsweise besucht das Café jede Woche. „Ich komme aus dem Irak. Ich möchte Menschen kennenlernen und muss unbedingt besser Deutsch lernen. Die Gespräche mit Laura und Clara helfen mir dabei.“
Vielleicht spricht sie ja demnächst auch mit Gisela Thelen. Die Haarzopferin hat in der Zeitung vom Projekt gelesen und ist nach Altendorf gekommen, „um mir das mal anzugucken. Aber das sind ja alles junge Leute, die brauchen doch nicht gerade mich.“ Doch, das tun sie, und hier spielt nichts eine Rolle – Alter, Herkunft, Aussehen, jeder Mensch, so Schöler, sei willkommen. Beispielsweise am nächsten Dienstag in Altendorf. Zwischen 15 und 18 Uhr. Direkt an der Straße, Altendorfer Ecke Serlostraße. Es gibt Tee.