Essen. Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Impfpflicht müssen Kita-Kinder, Schüler und Beschäftigte Belege vorweisen. Arbeit für Essens Gesundheitsamt.

Für die Gesundheitsämter kommt sie zur Unzeit: Zwei Jahre nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist, entfaltet die Masern-Impfpflicht nun ihre Wirkung. Bis Anfang August müssen Kita- und Schulkinder ebenso wie Erzieher, Lehrer oder medizinisches Personal nachweisen, dass sie gegen Masern geimpft sind. Ungeimpfte müssen ans Gesundheitsamt gemeldet werden. Also just an jene Stelle, die aktuell mit der Kontrolle der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht befasst ist. „Da die Gesundheitsämter nach wie vor mit der Corona-Pandemie sowie den Anschlussthemen ausgelastet sind, wäre eine Verschiebung sicher wünschenswert“, sagt Essens Stadtsprecherin Silke Lenz.

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Wie viele Essener und Essenerinnen von der Masern-Impfpflicht betroffen sind, könne die Stadt nicht sagen: Die Einrichtungen konnten sich die Impfnachweise bis 31. Juli vorlegen lassen und müssen nur melden, „wenn kein ausreichender Nachweis vorgelegt wird oder Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Nachweises besteht“, sagt Silke Lenz. Die Stadt habe dafür ein Online-Portal eingerichtet. Bis die Daten im Gesundheitsamt bearbeitet sind, dürfte noch einige Zeit vergehen.

Kleinkinder, die ungeimpft sind, kann der Besuch von Tagesmutter oder Kita untersagt werden. Bei Kindern, die der Schulpflicht unterliegen, drohen den Eltern Bußgelder von bis zu 2500 Euro. Beschäftigte ohne gültigen Impfnachweis können mit einem Tätigkeitsverbot belegt werden. Halten sie sich nicht daran, kann auch für sie ein Bußgeld fällig werden. Auch Einrichtungen, die sich nicht um die Einhaltung der Impfpflicht kümmern, drohen solche Bußen.

Kinder, die eine Kita besuchen, müssen gegen Masern geimpft sein. 
Kinder, die eine Kita besuchen, müssen gegen Masern geimpft sein.  © dpa | Monika Skolimowska

Anders als bei der Corona-Impfpflicht dürfte die Zahl der noch Ungeimpften jedoch sehr gering sein. Das liegt zum einen daran, dass Kitas und Tagesmütter bei Kindern, die sie neu aufnehmen schon seit März 2020 kontrollieren müssen, dass sie gegen Masern geimpft sind. Alle Familien und Mitarbeiter, die erst bis zum Stichtag 1. August 2022 den Nachweis erbringen mussten, habe man rechtzeitig informiert, sagt etwa Lina Strafer, Sprecherin des katholischen Kita-Zweckverbandes, der zahlreiche Kitas in Essen betreibt. „So hatten alle Beteiligten einen ausreichenden Vorlauf für ihre Impfungen.“

Manche impf-kritische Eltern lassen die Kindern nun doch noch impfen

Natürlich könne es sein, dass ein ungeimpftes Kind schon länger von einer Tagesmutter betreut werde und ihm nun der Ausschluss aus der Betreuung drohe, erklärt Rebecca Eggeling vom Vorstand der Essener Interessengemeinschaft Kindertagespflege. Die Tageseltern müssten das Kind melden: „Das Gesundheitsamt entscheidet dann über ein Betreuungsverbot.“ Eltern können auch einen ärztlichen Beleg vorlegen, nach dem ihr Kind aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden könne oder bereits eine Masernerkrankung überstanden habe. „Die Atteste werden vom Gesundheitsamt auf Plausibilität geprüft.“

„Das Gesundheitsamt entscheidet dann über ein Betreuungsverbot“, sagt Rebecca Eggeling von der Interessensgemeinschaft Kindertagespflege. Die Tageseltern müssen ungeimpfte Kinder ans Amt melden.
„Das Gesundheitsamt entscheidet dann über ein Betreuungsverbot“, sagt Rebecca Eggeling von der Interessensgemeinschaft Kindertagespflege. Die Tageseltern müssen ungeimpfte Kinder ans Amt melden. © FUNKE Foto Services | Knut Vahlensieck

Es gebe wohl Eltern, die ihre Kinder gegen ihre Überzeugung und quasi „aus der Not heraus“ impfen ließen, weil diese sonst nicht mehr betreut würden. „Andere achten bewusst darauf, dass ihr Kind so spät wie möglich geimpft wird, also nicht schon, wenn es gerade ein Jahr alt ist“, sagt Eggeling. Auch diese Verzögerungstaktik könnte bald bestraft werden: Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) soll die Masern-Mumps-Röteln-Impfung mit elf, zwölf Monaten erfolgen, die zweite Impfung mit 14 Monaten. So erklärt es der Obmann der Essener Kinderärzte, Dr. Ludwig Kleine-Seuken. Eine vermehrte Nachfrage nach Impfungen habe er in jüngster Zeit aber nicht erlebt.

Gesetz soll vor gefährlicher Infektionskrankheit schützen

Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten und bringen oft Komplikationen und Folgeerkrankungen mit sich; im schlimmsten Fall eine tödlich verlaufende Gehirnentzündung. Trotz aller Aufklärungskampagnen sind die Impf-Lücken bei Masern hierzulande laut Robert-Koch-Institut (RKI) zu groß: Zwar haben 97 Prozent der Schulanfänger die erste Impfung, bei der zweiten Impfung wird die gewünschte Impfquote von 95 Prozent aber noch nicht erreicht.

Damit Schul- und Kindergartenkinder vor Masern geschützt werden, trat daher am 1. März 2020 das Masernschutzgesetz in Kraft. Es sieht vor, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen, sobald sie eine Tagesmutter, eine Kita oder die Schule besuchen. Die Masern-Impfpflicht gilt auch Lehrer, Erzieher, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal die in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten.

Tatsächlich liegen die Impfquoten bei Masern schon deutlich über 90 Prozent, Ausbrüche sind selten. „Vor Jahren gab es einzelne Herde bei Impfgegnern in alternativen Schulen und Kitas“, sagt Kleine-Seuken. „Der letzte Masernfall in meiner Praxis liegt fünf Jahre zurück.“ Dass die Impfquote per Gesetz weiter erhöht werden soll, liegt an der hohen Gefährlichkeit der vermeintlichen Kinderkrankheit: Auch in Essen verstarb vor fünf Jahren eine 37 Jahre alte Mutter von drei Kindern an den Masern. Folgerichtig befürworte die ganz große Mehrheit der Essener Kinderärzte befürwortet die Impfpflicht.

Doch nicht jeder, der bislang keinen Impfnachweis erbracht hat, ist ungeimpft: In seiner Praxis habe sich auch ein Patient gemeldet, der zuletzt 1996 da war: Er habe seinen Impfpass verloren. „In den meisten Praxen werden die Dokumente aber nach zehn Jahren ohne Kontakt gelöscht.“ Viele Ärzte haben die Daten aber regelmäßig an die Gesundheitsämter gemeldet – und die sind laut Stadt „gesetzlich gehalten, Impf-Daten 30 Jahre lang aufzubewahren“.

Einige Schüler haben den Impfpass verloren

Vielleicht könnte das auch einigen Schülern der Gesamtschule Bockmühle helfen: „Einige haben einfach keinen Impfpass“, sagt Schulleiterin Julia Gajewski. Sie hat sich um den Impfstatus von Schülern und Kollegium schon seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2020 gekümmert, auch wenn das aufwendig und keine klassische Aufgabe der Schulen sei. Nun hoffe sie nur, „dass nach den Sommerferien alle arbeiten können“.

In der Uniklinik geht man davon fest aus: Man bestimme seit Jahren die Masern-Antikörper bei Einstellungs- und Vorsorgeuntersuchungen, „so dass die Mitarbeiter nach dem Infektionsschutzgesetz der Masernnachweispflicht gegenüber dem Arbeitgeber leicht nachkommen konnten“, heißt es. Neueingestellt werde nur, wer zwei Impfungen oder einen Antikörpernachweis vorlegen könne.

Wer sich über seinen Impfstatus nicht sicher sei, sagt Kleine-Seuken, könne sich gefahrlos noch mal gegen Masern impfen lassen.