Essen-Gerschede. Wenn Marcos Eiswagen klingelt, wird Freude gebracht: Bei der Tour durch Essen zeigt sich, warum es ein Traumberuf ist und wie das Geschäft läuft.
Eine Kugel Eis kostet bei Marcos Eiswagen 1,20 Euro. Die hält der dreijährige Elias fest in seiner Faust, als er „einmal Schokolade und eine grüne Kugel“ bestellt. Und dann liegen die 20 Cent doch auf dem Boden. Doch Gaspare Terrana, der gar nicht Marco heißt, ist geduldig, überreicht das Hörnchen und quatscht kurz mit der Mama. In Essen-Gerschede und Bedingrade sind die meisten Kunden an seinem Eiswagen Stammgäste. Deswegen weiß Terrana auch, dass Norbert heute nicht kommt: „Eigentlich holt er sich jeden Tag fünf Kugeln Schokoeis, aber jetzt ist er im Urlaub, er hat mir ‘ne Karte geschrieben.“
Täglich rund 90 Kilometer mit dem Eiswagen durch Essen
Genau das ist gerade das Problem des 51-Jährigen: Das Wetter ist top, aber es sind Sommerferien und nach einer langen Corona-Durststrecke sind viele jetzt verreist. Täglich fährt Terrana rund 90 Kilometer durch den Essener Westen und lässt alle paar Hundert Meter das Lied „Greensleeves“ als elektronische Spieluhr erklingen. Wahlweise könnte er auch „’O sole Mio“ abspielen, aber die Gerscheder haben sich schon an „ihre“ Melodie gewöhnt.
So auch Annika Sievers, die mit Tochter Leonie (12) und einem ihrer Tageskinder im Garten aufspringt, den Geldbeutel schnappt und zur Straße läuft: „Wir kommen so oft, wie das Kleingeld da ist“, sagt die Tagesmutter, während der Eismann die Sorten Amarena und Rocher ins Hörnchen hebt.
„Wenn ich anhalte, warte ich immer zwei bis drei Minuten“, so der Essener Eismann. Die Leute müssten erst ihr Geld und ihre Schlüssel suchen, Schuhe anziehen und zu Hause abfragen, wer welche Sorte wünscht. Manche schaffen es trotzdem nicht, es spielen sich Dramen ab, Kindertränen kullern und dann klingelt mitunter Terranas Telefon: „Dann fahre ich natürlich noch mal zurück, ich hab’ ja ein großes Herz“, sagt Terrana mit einem breiten Lächeln.
Im Corona-Lockdown war der Eiswagen der Höhepunkt des Tages
Der Essener mit italienischen Wurzeln hat nach dem Abitur beim Steuerberater gearbeitet, mit dem umgebauten Mercedes-Sprinter durch die Straßen zu fahren und Eis zu verkaufen sei jedoch sein Traumberuf. Sein Onkel Marco, auf dessen Namen das Unternehmen zurückgeht, hat 1970 das Geschäft mit der kühlen Ware gegründet und die Familie in seinen Bann gezogen: „Man bringt Freude und es gibt nichts Schöneres“, schwärmt Terrana. „Die Kinder freuen sich ein Loch in den Bauch, wenn ich vorfahre.“ Im Corona-Lockdown seien die Menschen in Scharen gekommen, der Eiswagen sei für sie eine der wenigen Höhepunkte des Tages gewesen. „Egal wo wir angehalten haben, die Leute kamen immer gerannt“, erinnert sich Terrana und hält am Wilmsweg an der Grundschule in Gerschede an.
Der 13-jährige Leon spielt dort gerade Fußball und holt sich eine Kugel am Wagen. Sonst kommt niemand vom Schulhof angelaufen. Kindergärten, Feriencamps, Betreuungsgruppen: Man könne den Eiswagen auch buchen sagt Terrana und erklärt das Unternehmenskonzept: Morgens stellt er das Eis zusammen mit seinem siebenköpfigen Team her: Sahne, Milch, Eier und Zucker ist die Basis für cremige Eissorten, für fruchtige werden Eier und Milchprodukte weggelassen. Für den Geschmack werden in der Manufaktur in Essen-Katernberg dann noch verschiedene Zutaten hinzugefügt: „Wir verändern nie die Rezeptur, probieren aber jeden Tag“, sagt Terrana, grinst und streicht sich mit der Hand über die graue Schürze: „Ich esse sehr gerne Eis.“
Eiswagen-Team produziert täglich rund eine Tonne Eis in Essen-Katernberg
Rund 1000 Kilo, umgerechnet 16.600 Kugeln Eis produziert das Team jeden Tag. Ein Teil davon wird in den Eisdielen des Unternehmens in Essen und Recklinghausen verkauft, auch andere Filialen werden beliefert. Vormittags werden Aufträge abgearbeitet, erklärt Terrana und zeigt auf sein Buch, in dem er fein säuberlich aufschreibt und mit pinkem Textmarker umrandet, wo er wann gebucht ist. Rund 20 Sorten gehen dann nachmittags in dem Eiswagen auf die Reise durch die Stadt. „Wir verdienen unser Geld über die Masse“, sagt Terrana, der weiß, dass 1,20 Euro für eine Kugel noch vergleichsweise günstig ist.
Und die sechsjährige Hasna vergisst fast, zu bezahlen. In viel zu großen Badelatschen kommt sie an der Straße „Möllhoven“ angeschlappt, bestellt ein Eis für sich und für ihre Schwester und balanciert es über die Fahrbahn. Dann kommt sie zurück: „Ich habe vergessen, Geld zu geben.“ Der Eismann nimmt es gelassen und bedient schon die nächste Kundin. So geht es von Straße zu Straße, den ganzen Nachmittag. Abends parkt Terrana sein Dienstfahrzeug und kümmert sich um die Buchhaltung.
Und im Oktober macht der Eismann den Motor aus, die Bücher zu. Die Lust auf Eis verebbt bei den Menschen im Essener Westen mit den fallenden Temperaturen und Terrana macht dann Urlaub in Italien bis Februar: „Dann fahre ich nach Hause und erhole mich.“