Essen-Kupferdreh. Im Kiosk am Ufer des Baldeneysees arbeitet seine Familie, draußen sitzen Gäste, die meisten kennt er seit Jahren: Ein Besuch in Nikos Biergarten.

Als Kind radelte Nikolaos Kyriazopoulos (45) zum Büdchen an den Essener Baldeneysee, das längst sein Arbeitsplatz geworden ist. Früher hat er sich hier nahe der ehemaligen Eisenbahnbrücke ein Eis gekauft, wo er nun Pommes und Pils über die Theke reicht. Über der Durchreiche steht sein Name: Es ist Nikos Biergarten, der vor allem bei gutem Wetter rappelvoll ist. Radfahrer kehren ein, die meisten sind Stammgäste.

In „Nikos Biergarten“ gilt: Selbstbedienung. Das ist ein Teil des Erfolgsrezeptes, glaubt der 45-Jährige, da sich jeder ein Getränk oder etwas zu essen holen kann, wann und so oft er mag. Weitere Gründe sind bestimmt die Lage direkt am See und vor allem der persönliche Kontakt, denn Nikolaos Kyriazopoulos kennt fast alle, die ihr Rad abstellen, um Platz zu nehmen – und das mitunter seit Jahrzehnten. Und es gibt kaum jemanden, der Niko – wie ihn alle nennen – nicht zumindest kurz etwas zuruft.

Bei Nikos Biergarten gibt auch Mozzarella-Sticks, Reibekuchen und Bratwurst

Bis zu 60 Plätze gibt es in dem Biergarten neben dem Kiosk und den Blick auf den Baldeneysee, der kaum einen Steinwurf entfernt liegt. Im Kiosk packt die ganze Familie mit an. Neben Ehefrau Andriana (41), sind es seine Eltern und Schwestern. Ob Küche oder Verkauf, jeder hilft dort, wo er gebraucht wird. Auf der Karte stehen außer Pommes auch Mozzarella-Sticks, Reibekuchen, Rindfleischkroketten, Bratwurst und Frikadellen mit Brötchen oder Toast. Im Winter auch Glühwein. Bei dieser Auswahl ist Nikolaos Kyriazopoulos geblieben, nachdem er einiges ausprobiert hat. Auch Gegrilltes und Gyros. Es lief, aber halt nicht richtig gut.

„Das Publikum möchte eher die Klassiker: Pommes, Currywurst, Pils“, sagt der Kioskbetreiber, der in Griechenland geboren ist. Daran erinnern in seiner Imbissküche nun noch Tzatziki, Oliven und Bauernsalat. Das war’s dann auch schon mit griechischen Spezialitäten, die er, wie alle anderen Speisen, in der vier Quadratmeter großen Imbissküche zubereitet. Darunter die Curry- und Schaschliksoße nach seinem Rezept.

Die Zutaten kauft er jeden Morgen auf dem Großmarkt ein, kümmert sich zudem um den Getränkehandel, den er kürzlich in Kettwig übernommen hat. Der Kiosk öffnet jeden Tag, im Winter sind die Öffnungszeiten je nach Wetter ein wenig eingeschränkt. Im Sommer bestellen die Gäste bis 22 Uhr Speisen und Getränke, bleiben dann vielleicht noch etwas sitzen, während der Gastwirt im Kiosk die Buchhaltung macht.

Im Büdchen Am Baldeneysee sind früher Tickets der Weißen Flotte verkauft worden

Jeden Abend sortiert er die Rechnungen, macht den Kassenabschlag, damit es nicht zu viel auf einmal wird. Feierabend ist mitunter erst um Mitternacht. Ein reiner Bürojob, das wäre dennoch nichts für ihn. Gelernt hat er etwas ganz anderes: Nikolaos Kyriazopoulos hat die Ausbildung zum KFZ-Mechaniker abgeschlossen. Gearbeitet hat er in dem Beruf jedoch nie, sondern zunächst ein paar Monate als Parkhauswächter Geld verdient. Dann ist er seiner Mutter zur Hand gegangen, die damals bereits ausgeholfen hat: im Büdchen.

„Das gibt es schon seit den 1930ern, Tickets für die Weiße Flotte sind hier auch mal verkauft worden“, erzählt Nikolaos Kyriazopoulos über seinen Arbeitsplatz, den Kiosk mit Verkaufsraum, Küche, Lager und Toiletten auf 45 Quadratmetern samt angrenzenden Biergarten (ca. 160 qm) unterhalb der alten Eisenbahnbrücke. All das habe ehemals der Bahn gehört, nun sei es in Privatbesitz. Seit 2011 führe er den Kiosk in Eigenregie, zuvor hätten seine Eltern diesen betrieben.

Die Eltern lebten bereits in den 1960ern in Deutschland

Mit ihnen und seinen Schwestern kam er als knapp Zwölfjähriger aus Griechenland nach Kupferdreh. Glücklich waren die Geschwister nicht, dass sie Olympia, ihre Heimatstadt auf der Halbinsel Peloponnes, verlassen mussten. Kein schöner Gedanke, vor allem nicht für „kleine, rebellische Jungs vom Dorf wie mich“. Kaum in Essen angekommen, war sein erster Eindruck: „Ich will nach Hause.“

Selbstbedienung und Bauernsalat gehören zum Kiosk am Baldeneysee: Betreiber Nikolaos Kyriazopoulos reicht Speisen und Getränke an.
Selbstbedienung und Bauernsalat gehören zum Kiosk am Baldeneysee: Betreiber Nikolaos Kyriazopoulos reicht Speisen und Getränke an. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Die Eltern aber kannten Deutschland schon, hatten hier bereits in den 1960er Jahren gelebt, gearbeitet und sich in Bielefeld kennengelernt, bevor sie zunächst wieder nach Griechenland zurückkehrten. Dann aber ging es um die Zukunft ihrer vier Kinder, das war 1988. „Die wirtschaftliche Lage in Griechenland war nicht gut und mein Vater hat uns erklärt, dass sie für uns Kinder und unsere Ausbildung sorgen müssen“, erinnert sich Nikolaos Kyriazopoulos.

Während der Vater beruflich schließlich im Kupferdreher Fleischhof Rasting Einkäufe zusammenstellte, („er hatte allein in vier Jahren neun Jobs und immer wieder Zeitverträge“), fand sein Sohn schnell Anschluss, lebte sich im Stadtteil ein, wo er bis heute wohnt: inzwischen mit seiner Frau, ihrem Sohn (8) und ihrer Tochter (4). Mindestens einmal im Jahr führt der Weg die Familie in den Ferien nach Griechenland und an allen anderen Tagen in den Kiosk.

Farblich ist der Kiosk am Baldeneysee neu gestaltet worden

Sind die Arbeitstage noch so stressig, das Urlaubsgefühl wird er auch hier nie so ganz los. Er genießt den „besten Blick auf den See“ vor allem dann, wenn es abends langsam ruhiger wird am Hardenbergufer. Tagsüber sind die Stoßzeiten manchmal gar nicht absehbar, so dass sie in Kiosk und Küche alle stets gut vorbereitet sein müssen.

Der Biergarten am See liegt kaum einen Steinwurf vom Baldeneysee entfernt, dahinter steht die Hespertalbahn, davor ist der Fußgänger- und Radweg.
Der Biergarten am See liegt kaum einen Steinwurf vom Baldeneysee entfernt, dahinter steht die Hespertalbahn, davor ist der Fußgänger- und Radweg. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Neues fällt ihnen immer wieder ein, zuletzt sind verschiedene Limos hinzugekommen, der Kiosk wurde schwarz-weiß gestaltet („manche wünschen sich das Blau-Weiß zurück“). Weitere Ideen gebe es durchaus, etwa den gesamten statt nur den halben Biergarten zu überdachen. „Denn bei Regen wird es eng in dem geschützten Bereich“, sagt Nikolaos Kyriazopoulos und weiß gleichzeitig um die Schwierigkeit, das genehmigt zu bekommen.

Rund 90 Prozent der Gäste im Biergarten kommen mit dem Fahrrad

An diesem Abend genießen seine Gäste vor allem die Sonne. Diese seien etwa 90 Prozent Radfahrer, schätzt der 45-Jährige, darunter inzwischen viele mit E-Bike. Inliner gebe es hingegen fast gar nicht mehr. Das sei ein Phänomen Anfang der 2000er gewesen. „Vor dem Kiosk fühlte ich mich wie auf einer dreispurigen Autobahn“, erinnert er sich schmunzelnd. Wenn in seinem Biergarten nicht ganz so viel los ist, bleibt ihm mehr Zeit zum Plaudern mit seinen Gästen, die oftmals gute Bekannte, manchmal Freunde sind.

Nachmittags kommen dann auch sein Sohn und seine Tochter zum Kiosk. Familie, Job, Freizeit, alles spielt sich am Baldeneysee ab, wo sie alle zusammen sind. „Das Büdchen gehört zur Familie“, sagt Nikolaos Kyriazopoulos. Daran hänge nun einmal sein Herz: „Anders kann ich mir das nicht vorstellen, für den Rest meines Lebens.“

Und hier die Eckdaten: Nikos Biergarten, Hardenbergufer 698, öffnet täglich von 10.30 bis 22 Uhr, Kontakt: 0201-487606.