Essen-Kupferdreh/Heisingen. Vor 150 Jahren eröffnet, ist sie heute ein beliebter Weg für Fußgänger und Radfahrer: die ehemalige Eisenbahnbrücke. Einst wurde sie gesprengt.
Vor 150 Jahren wurde die ehemalige Eisenbahnbrücke in Betrieb genommen, die über den Baldeneysee hinweg Essen-Kupferdreh und Heisingen verbindet: Am 3. Februar 1872 wurde sie feierlich eröffnet. Sprengung und Neubau gehören zu ihrer Geschichte wie die Tatsache, dass sie auch heute noch rege genutzt wird – längst nicht mehr von Zügen, sondern von Spaziergängern und Radfahrern. Landmarke und beliebtes Fotomotiv ist sie ohnehin.
Bereits 1865 beschloss die Bergisch-Märkische-Eisenbahngesellschaft den Bau der unteren Ruhrtalbahn. „Sie sollte von Kupferdreh abzweigen und über Werden und Kettwig bis nach Düsseldorf führen“, hat der Kupferdreher Johann Rainer Busch in einem seiner Bücher zur Stadtteilgeschichte notiert. Erste Grundstücke seien bereits vier Jahre später unter anderem von Heisinger Bürgern erworben worden, hat wiederum der Heisinger Klaus Dattenberg recherchiert.
Die alte Eisenbahnbrücke ist eine symbolische Verbindung der Stadtteile
Die Brücke beschäftigt nicht nur die beiden Ortshistoriker, sie ist auch symbolisch eine Verbindung der beiden Stadtteile, sagt Henner Höcker, Vorsitzender der Heisinger Bürgerschaft. Und so möchten die Beteiligten zum 150. Geburtstag des Bauwerks an seine Geschichte und Bedeutung erinnern.
Der Baubeginn der Brücke hatte sich seinerzeit durch den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges verzögert. Die Bahn und die Brücke in Kupferdreh wurden in den Jahren 1870 bis 1872 erbaut. Die Eisenbahn hielt aber in den ersten zwei Jahren nicht in Heisingen, da es dort noch keinen Bahnhof gab. Der wurde erst am 15. August 1874 eröffnet. Die Heisinger Fahrgäste mussten bis dahin in Kupferdreh aus- und einsteigen. Das war sehr umständlich, denn sie mussten dafür einen Umweg zur Fähre machen, die sich damals an Stelle der Kampmannbrücke befand.
1925 bis 1926 sei sie umgebaut worden und habe ihr heutiges Aussehen erhalten
Die Bahnhofe in Heisingen und Kupferdreh
Der Heisinger Ortshistoriker hat in seinem Buch „Als Heisingen noch einen Bahnhof hatte“ auch über die Eisenbahnbrücke geschrieben. Darin geht es um Erinnerungen an die Eisenbahn von den Anfängen 1872 bis zur heutigen Zeit. Die Kapitel befassen sich mit der Schifffahrt auf der Ruhr ab 1780, den ersten Eisenbahnen um Ruhrtal um 1800 sowie dem Brückenneubau und der Bahnhofsgaststätte.
Johann Rainer Busch, Kupferdreher Stadtteilhistoriker, berichtet wiederum vom Bahnhof in Kupferdreh: „Die untere Ruhrtalbahn zweigte ab 1872 in Kupferdreh von der Strecke Steele – Wuppertal (die ehemalige Prinz-Wilhelm-Eisenbahn) ab. Kupferdreh wurde dadurch zu einem großen Knotenpunkt, an welchem man nun ein Bahnbetriebswerk errichtete.“ Auch der Bahnhof (Empfangsgebäude) wurde vom Kupferdreher Markt dorthin verlegt. Später (1898) wurde dann auch der pompöse „Königlich Preußische Bahnhof zu Kupferdreh“ gebaut.
In seiner Glanzzeit umfasste der zwei Ringlokschuppen mit Drehscheiben und Lokomotivwerkstatt, einen großen Wasserturm, ein Hauptstellwerk und andere Betriebseinrichtungen. „Der Bahnhof Kupferdreh hat sehr viel zur Entwicklung Kupferdrehs beigetragen.“
Die Brücke bestand ursprünglich aus fünf Rundbögen mit einer Spannweite von jeweils rund 40 Metern Metern. Sie wurde deshalb so lang, „weil sie ein flaches Tal überwinden musste und die Strömungsgeschwindigkeit der Ruhr, auch bei größtem Hochwasser, nicht eingeschränkt werden durfte“, hat Klaus Dattenberg in seinem Buch zum Bau geschrieben.
„Sie ist aus Eisen erbaut und ruht auf vier massiven Strom- und zwei massiven Landpfeilern. Die Ruhr fließt aber nur unter dem zweiten Bogen auf Heisinger Seite hindurch“, erläutert Johann Rainer Busch. 1925 bis 1926 sei die Brücke umgebaut worden und habe ihr heutiges Aussehen erhalten – damals allerdings zweigleisig.
Deutsche Soldaten sprengten die Eisenbahnbrücke 1945
Die Beweggründe für den Neubau der Eisenbahnbrücke haben laut Klaus Dattenberg nicht mehr ermittelt werden können. Ein möglicher Grund könnte die zwischenzeitlich mangelnde Tragkraft gewesen sein. Immerhin waren die Lokomotiven schwerer, die Waggons größer geworden. Es entstand also die Parallelgurt-Ständerfachwerkbrücke. Errichtet wurde sie auf den alten Pfeilern.
„1945, kurz bevor die amerikanischen Truppen in Kupferdreh einrücken, sprengten deutsche Soldaten die Eisenbahnbrücke“, berichtet Busch weiter. Sie sei dann erst 1949 durch die „Gewerkschaft Christine” - jedoch nur eingleisig - wieder aufgebaut worden. Immerhin galt sie auch als Haupttransportweg für die Kohle, die auf Carl Funke abgebaut wurde.
Es gab eine jahrelange, politische Diskussion über die Folgenutzung der Brücke
Nach der Stilllegung der Kupferdreher und Heisinger Zechen war die Ruhrtalbahn zwischen Kupferdreh, Heisingen und Werden nicht mehr notwendig und wurde am 1. Oktober 1978 endgültig stillgelegt.
Es folgten jahrelange, politische Diskussionen über die weitere Nutzung, wollten die einen auf der Brücke einen Rad- und Wanderweg anlegen (SPD), sorgten sich andere (CDU) um die Wirtschaftlichkeit des Projektes. Die Bundesbahn wollte die Brücke schließlich abreißen, da überlegte die Stadt bereits, diese doch als kombinierte Rad- und Fußgängerbrücke zu gestalten. Die aufwendige Umgestaltung kostete am Ende 1,3 Millionen Mark, den größten Teil trug das Land
Am Nikolaustag 1984 wurde die Eisenbahnbrücke durch den Essener Oberbürgermeister Peter Reuschenbach neu eröffnet: für Fußgänger und Radfahrer. Sie ist zuvor zudem um 70 cm angehoben worden (300.000 DM).
Bei der Flutkatastrophe 2021 wurde die frühere Eisenbahnbrücke gesperrt
Überliefert sind zudem auch manche Anekdoten zur Eisenbahnbrücke, wie etwa die, dass sich hier Kupferdreher und Heisinger einst geprügelt hätten, schmunzelt Henner Höcker. Um Frauen soll es gegangen sein. „Um den schiefen Pfeiler wiederum sorgten sich sich Passanten und Polizei bei der Flutkatastrophe im Vorjahr“, berichtet Johann Rainer Busch. Das habe dann dazu geführt, dass die Brücke gesperrt worden sei.
„Dabei war das nichts Akutes“, weiß der Ortshistoriker aus dem Jahr 1943 zu berichten, als die Möhnetalsperre gesprengt wurde. Damals sei die Kampmannbrücke aus der Verankerung gerissen worden, ein Ponton habe sich verklemmt und den Pfeiler beschädigt. „Seitdem steht der Pfeiler schief.“ Dieser ändert jedoch laut Henner Höcker nichts an der Beliebtheit der ehemaligen Eisenbahnbrücke: „Sie ist einfach schön“, schwärmt er und ist überzeugt: „Es gibt wohl kaum einen Essener, der die Brücke nicht schon gesehen und bewundert hat.“