Essen/Mülheim. 1,6 Beamten-Planstellen mehr sieht ein Entwurf des Innenministeriums für die Behörde vor. Am Ende steht aber wohl wieder ein Kräfte-Minus.

Die überschwänglich zur Schau getragene Freude des Innenministers Herbert Reul (CDU) über ein „deutliches Personalplus“ bei der Polizei in NRW zum 1. September ist im Essener Präsidium mit säuerlicher Miene quittiert worden: Zwar sollen in diesem Jahr landesweit voraussichtlich 250 zusätzliche Planstellen für Vollzugsbeamtinnen und -beamten geschaffen werden - in Essen jedoch kommt davon zum wiederholten Male (fast) nichts an, während zumindest 40 der insgesamt 47 Kreispolizeibehörden zum Teil ganz deutliche Zuwächse bekommen sollen.

Laut eines ersten Entwurfs kann sich Münster zum Beispiel in 2022 über 15,5 Stellen mehr freuen. Demgegenüber wirft die sogenannte Belastungsbezogene Kräfteverteilung für Essen magere 1,66 aus. Schon auf dem Papier ist das eine verschwindend kleine Größe, die von der Realität umso schneller wegradiert werden kann.

Etwa durch den absehbaren Verlust durch die bevorstehende Pensionierung besonders geburtenstarker 60er-Jahrgänge in einer noch nie dagewesenen Größenordnung oder durch die zunehmende Zahl der Kommissaranwärter, die ihre Prüfung nicht bestehen oder vorher hinwerfen, wie es jeder Fünfte schon getan hat. Die Abbrecherquote lag zuletzt bei 20 Prozent.

Die Folgen für Essen und Mülheim liegen auf der Hand

Vor diesem Hintergrund ist für Heiko Müller von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) jetzt schon klar: „Ich sehe nicht die Entlastung ankommen, die angekündigt worden ist.“ Die Folgen für Essen und Mülheim liegen auf der Hand: Die Präsenz der Polizei auf den Straßen wird trotz des landesweiten Zuwachses eher noch einmal geschmälert anstatt gestärkt.

Das ist zusätzlich dramatisch, weil die Essener Behörde allein in den vergangenen fünf Jahren schon 62 Kräfte auf ihren Wachen verloren hat, so viel wie keine andere im Land. Denn die neu hinzugekommenen Beamten vor Ort mussten nur allzu oft in Besonderen Aufbauorganisationen etwa gegen Cyber- und Clan-Kriminalität oder Kinderpornografie eingesetzt werden.

Deshalb sei das Sicherheitsgefühl der Menschen, das besonders von der Sichtbarkeit der Polizei im öffentlichen Raum beeinflusst werde, in Essen deshalb eher nicht gestärkt worden, auch wenn es summa summarum einen Stellenzuwachs gegeben habe - jedoch insbesondere durch Regierungsangestellte, die allerdings kein Eins-zu-Eins-Ersatz für Beamte im Wach- und Wechseldienst, bei der Kripo oder im Verkehrsdienst seien. Mehr Tarifbeschäftigte seien sehr wohl eine Unterstützung, aber nicht die Lösung der akuten Probleme mit dem Personal, das hoheitliche Aufgaben übernehmen darf und muss, ist die Gewerkschaft der Polizei (GdP) überzeugt.

Die Delikte des Schwarzfahrens werden nicht mehr berücksichtigt

Das Innenministerium hingegen verweist darauf, dass seit 2018 die Vergehen der Beförderungserschleichung bei der Berechnung des Kräftebedarfs sukzessive nicht mehr berücksichtigt werden. Wesentliches Kriterium für die BKV sei vielmehr die Arbeitsbelastung durch andere Straftaten und Verkehrsunfälle. Die Delikte durch Schwarzfahren, die in Essen früher besonders zahlreich registriert worden sind, blieben außen vor.

Dennoch habe sich die Anzahl der Planstellen für Beamtinnen und Beamten beim Polizeipräsidium Essen seit 2017 nicht verringert, so das Innenministerium. Mit Stand 1. Oktober 2021 seien es 1.859 und damit über rund 33 mehr gewesen als noch im Jahr 2017.

Dass dennoch deutlich weniger Kräfte als vor Jahren auf den Straßen Essens und Mülheims unterwegs seien, habe nicht die Landesregierung, sondern die örtliche Polizeiführung zu verantworten, heißt es in einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage der SPD im Düsseldorfer Landtag: Grundsätzlich entscheide die Behördenleitung eigenverantwortlich über die Verwendung des zugewiesenen Personals beziehungsweise über die personelle Ausstattung einzelner Dienststellen. Diese Debatte bei der Polizei - sie bleibt ein Schwarzer Peter-Spiel zwischen Stadt und Land.