Essen-Rüttenscheid. Monika Tolksdorf ist eine der wenigen Maßschneiderinnen in Essen. Sie ist an den Rüttenscheider Platz gezogen – und entwirft nun auch für Herren.
Monika Tolksdorf hat viel zu tun. Die Hochzeitssaison ist in vollem Gange. Im neuen Atelier der 53-Jährigen am Rüttenscheider Platz hängen cremeweiße Brautkleider neben pinken Cocktailroben, auf dem Tisch liegen Beispielbücher mit schweren Einbänden. Wenn nicht gerade Anpassungstermine oder Papierkram anstehen, rattert hier die Nähmaschine. Tolksdorf fertigt jedes Kleid, das man bei ihr bestellt, per Hand an. Seit diesem Monat kann man bei ihr außerdem auch Anzüge für Herren bestellen.
Für Mode interessiert hat sich Tolksdorf schon immer. „Auch, wenn ich als Jugendliche zuerst gar nicht nähen konnte“, ergänzt die Maßschneiderin mit einem Lachen. Schon mit 15 Jahren stieg sie in den Beruf ein und machte eine Ausbildung zur Schneiderin. Erst 19 war sie, als sie das Atelier des ehemaligen Essener Modegeschäftes „Rolf Royce“ leitete. An der Modeschule in Düsseldorf studierte sie dann Schnitttechnik, wurde sich aber relativ schnell darüber bewusst, dass sie nicht bloß am Computer Schnittmuster erstellen möchte.
1990 eröffnete Tolksdorf ihren ersten Laden an der Klarastraße. Sie entwarf damals ihre erste eigene Kollektion, legte aber gleichzeitig schon einen großen Fokus auf Einzelanfertigungen. „Schon zu dieser Zeit wollte jeder das Teil in einer anderen Farbe haben“, erinnert sie sich.
Essener Schneiderin: Auf ein Kleidungsstück wartet man vier bis sechs Wochen
Wer sich heute bei Tolksdorf ein Kleid schneidern lassen möchte, muss zunächst einmal einen Termin vereinbaren. „Die meisten Kundinnen kommen mit einer konkreten Vorstellung zu mir“, berichtet die 53-Jährige. Dann nehme man die Maße und schaue gemeinsam, welche Farbe und welcher Stoff der Auftraggeberin gefalle. Vorproduzierte Stücke gibt es grundsätzlich nicht. Vier bis sechs Wochen dauert es, bis ein Kleidungsstück fertig ist. Zwei bis drei Anproben müsse man einplanen, bis alles perfekt sitze, sagt Tolksdorf. Mit dem reinen Nähen sei sie etwa acht Stunden beschäftigt.
Bei den Herrensachen läuft es ähnlich. „Ich habe immer viele Änderungen an Hochzeitskleidern gemacht. Irgendwann kamen die Männer und wollten ihre Anzüge ändern lassen. Da kam ich auf die Idee, von vornherein auch etwas für sie anzubieten“, erklärt Tolksdorf. In drei Wochen habe sie schon drei Aufträge bekommen. Auch hier wird zunächst einmal Maß genommen, dann können sich die Männer ihren Anzug vom Stoff bis zu den Knöpfen selbst zusammenstellen. Die Anzüge näht Tolksdorf allerdings nicht selbst, sondern lässt sie von einem Partner in Europa produzieren. In ihrem Atelier nimmt sie nur die Änderungen vor.
Keine Angestellten im Rüttenscheider Atelier – Maßschneiderin arbeitet allein
Der Fokus liegt auf Kleidern und Anzügen für festliche Anlässe. „Das sind ganz oft schicke Kleider, wenn zum Beispiel ein Familienmitglied heiratet“, sagt Tolksdorf. Vor allem ihre Stammkundinnen, die sie teils schon seit über 20 Jahren begleiteten, ließen sich aber auch Alltagskleidung von ihr nähen: T-Shirts, Hosen, Sommerkleider.
Termin nach telefonischer Absprache
Das Atelier Tolksdorf am Rüttenscheider Platz 12 ist dienstags bis freitags von 9 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr geöffnet. Samstags ist von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Einen Termin kann man telefonisch unter 0201 784241 vereinbaren.
Für die Anfertigung eines Etuikleides zahlt man 400 bis 500 Euro, für ein Abendkleid 550 bis 800 Euro und für ein Hochzeitskleid 550 bis 1200 Euro. Zweiteilige Anzüge kosten 850 bis 1100 Euro, dreiteilige Anzüge (zum Beispiel mit einer Weste) 1000 bis 1300 Euro.
Tolksdorf hat keine Angestellten, die managt das Geschäft komplett allein. Das bedeutet im Moment: Sieben Tage die Woche arbeiten, montags bis freitags sogar meist zwölf Stunden. „Manchmal ist das sehr stressig“, gibt die Schneiderin zu. „Trotzdem habe ich Spaß, an jedem einzelnen Teil zu arbeiten.“ Um den Fortbestand ihres Handwerkes macht sie sich indes auch im digitalen Zeitalter keine Sorgen.
Gegend um den Rüttenscheider Platz könnte Hochzeitsmeile werden
Ihre Erfahrung: „In der Corona-Zeit haben viele Online-Shopping gemacht. Die Auswahl ist groß, aber die Qualität nicht immer gut.“ Viele ihrer Kundinnen und Kunden hätten deshalb nach der Pandemie das Bedürfnis, in ein besonderes Kleidungsstück zu investieren. Und: Gerade sei die Zeit der Hochzeiten und Abibälle. Immer noch holten viele ihre vor Corona geplanten Veranstaltungen nach. Vor allem im Frühjahr, als viele Beschränkungen fielen, habe sie oft sehr kurzfristig arbeiten müssen.
Apropos Hochzeit: Spätestens mit ihrem Umzug, so hofft Tolksdorf, könnte der Bereich um den Rüttenscheider Platz herum zu einer Hochzeitsmeile werden. Immerhin befindet sie sich dort in direkter Nachbarschaft der Hutmanufaktur Strelow, die Kopfbedeckungen für besondere Anlässe fertigt, und das Geschäft „Zwei machen Schmuck“, bei dem man unter anderem Ringe bekommt. Laut der Schneiderin denke man bereits darüber nach, gemeinsam eine kleine Hochzeitsmesse zu veranstalten.