Essen. Wir haben den Selbsttest gewagt: Wie fährt es sich unter Alkoholeinfluss? Juristen konnten das auf Einladung der Verkehrswacht in Essen testen.

  • Nach der Corona-Pause lud die Verkehrswacht zur Juristen-Fortbildung ein.
  • Im Mittelpunkt standen die Themen E-Mobilität und „Alkohol am Steuer“.
  • Wir haben an einem Selbsttest teilgenommen.

Dass Alkohol und Auto keine gute Kombination sind, versteht sich von selbst. Doch wie wirkt sich Alkohol auf die eigene Fahrtüchtigkeit aus? Nach wie vielen Gläsern Bier oder Wein erreiche ich bei der Atemalkoholmessung kritische Werte? Warum fallen die Ergebnisse so unterschiedlich aus? Auf Einladung der Verkehrswacht haben wir an einer Fortbildung für Juristen teilgenommen und einen Selbsttest gemacht.

Wie wichtig das Thema „Alkohol im Straßenverkehr“ ist, verdeutlichen Statistiken über schlimme Unfälle mit Toten und Verletzten. Ein solcher Test ist vielleicht eine Chance, etwas über sich und andere zu lernen. Aber will ich mich dabei beobachten lassen, mit zunehmendem Alkoholpegel die Kontrolle und damit die Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen, zu verlieren, auch wenn das in einem geschützten Raum passiert? Noch dazu unter den Augen derjenigen, die im „richtigen Leben“ Verstöße dieser Art ahnden, nämlich Vertreter von Polizei und Justiz?

Fortbildung zum Thema „Alkohol am Steuer“ in Essen

Andererseits: Vielleicht trägt ein solcher Selbstversuch dazu bei, sich noch einmal klar zu machen, wie wichtig 0,0 Promille sind, wenn man, mit welchem Fahrzeug auch immer, sicher am Straßenverkehr teilnehmen will. Denn womöglich wirkt sich das „eine Bierchen“ viel gravierender auf Alkoholwerte und Fahrverhalten aus, als man geglaubt hat.

Das wäre schiefgegangen: Beim Selbsttest zum „Fahren unter Alkohol“ musste der Pylon dran glauben.
Das wäre schiefgegangen: Beim Selbsttest zum „Fahren unter Alkohol“ musste der Pylon dran glauben. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ein Bierchen mit Freunden nach Feierabend ist okay, aber während der Arbeit Alkohol zu trinken – das kommt mir schon einigermaßen absurd vor. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch melde ich mich also an, nicht nur, um über die Veranstaltung zu berichten, sondern um selbst am Test teilzunehmen.

Zum Glück beginnt die Fortbildung, die vor allem für Richter und Staatsanwälte gedacht ist, mit zwei kurzen Vorträgen zu Scooter-Unfällen und Geschwindigkeitsmessungen. Dazu gibt es Kaffee und Softgetränke – zumindest für alle, die anschließend die vier E-Autos verschiedener Marken auf dem Hof der Dekra-Kfz-Prüfstelle am Sulterkamp in Bergeborbeck testen wollen.

Polizisten messen auf Wunsch den Atemalkoholwert

Die Fahrzeuge sollen ja keinen Schaden nehmen. Erst danach werden alkoholische Getränke in Form von Bier, Wein und Schnäpsen gereicht. Zwei Polizistinnen und ein Polizist stehen bereit, um auf Wunsch den Atemalkoholwert zu messen, die Methode, die in der Regel auch bei Verkehrskontrollen zunächst angewendet wird.

In den verschiedenen Phasen des Tests konnte man immer wieder den Atemalkoholwert feststellen lassen.
In den verschiedenen Phasen des Tests konnte man immer wieder den Atemalkoholwert feststellen lassen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ich werde an diesem Nachmittag ausschließlich Bier trinken, wie ich es auch bei einem Abend im Freundeskreis tun würde. Die ersten drei 0,2-Liter-Gläschen trinke ich relativ schnell – und bin schockiert, dass die Atemalkoholmessung unmittelbar nach dem letzten Schluck 0,91 anzeigt. Ein Wert, den man verdoppeln muss, um den Promillewert zu bekommen. Das ist erforderlich, wenn das Messgerät den Wert in Milligramm Alkohol pro Liter Atemluft anzeigt statt in Promille (Gramm pro Kilogramm).

„Der Wert kurz nach dem letzten Schluck ist nicht aussagekräftig, da die Konzentration im Mund noch sehr hoch ist. Nach zehn bis 15 Minuten sinkt der Wert deutlich“, beruhigt mich der Polizist. Na ja, 0,37 Milligramm pro Liter nach drei Gläsern Bier sind aber auch nicht gerade wenig. „Das ist bei jedem anders“, erklärt der Polizist und verweist auf Faktoren wie Geschlecht, Gewicht, leerer oder voller Magen. Im Klartext: Ich werde als nicht allzu schwere Frau sehr schnell kritische Werte erreichen – und esse jetzt erst einmal eine Currywurst, denn den letztgenannten Faktor kann ich ja immerhin beeinflussen.

Testfahrten mit Elektro-Fahrzeugen

Nach dreijähriger Corona-Pause organisierte die Verkehrswacht Essen gemeinsam mit Polizei und Dekra erstmals wieder eine Fortbildung zum Thema „Alkohol im Straßenverkehr“ mit der Möglichkeit zum Selbsttest. Im Mittelpunkt stand dieses Mal die E-Mobilität.

Die Teilnehmer konnten E-Autos und einen E-Scooter Probe fahren, um ein Gefühl für die Fahrzeuge und ihre – kaum vorhandenen – Geräusche zu bekommen. Über Unfälle mit Elektrorollern klärte Dr. Heinz-Lothar Meyer, Orthopäde und Unfallchirurg am Uniklinikum Essen, in seinem Vortrag „Scooter-Unfallopfer – oft jung und alkoholisiert“ auf.

Wider Erwarten ist der Andrang an den beiden Testfahrzeugen, einem alten Golf IV und einem Transporter, nicht sonderlich groß. Die meist jungen Richter und Staatsanwälte, die an der Fortbildung teilnehmen, nutzen zwar die Chance, immer mal wieder in das Röhrchen zu pusten, Autofahren wollen die meisten aber nicht mehr. „Viele wollen sich wohl keine Blöße vor ihren Vorgesetzten und Kollegen geben“, vermutet Anja Löhrmann, Vorsitzende der Verkehrswacht.

Pylonen beim rückwärts Einparken erwischt

So richtig wohl ist mir dabei auch nicht. Trotzdem steige ich in den Golf, ein Dekra-Mitarbeiter begleitet mich sicherheitshalber. Aus Angst, etwas falsch zu machen, fahre ich extrem langsam und vorsichtig, finde meine Leistung aber durchaus noch okay. Nachdem ich rückwärts eingeparkt habe, steht der Golf wieder in der Ausgangsposition. Erleichtert steige ich aus – und sehe erst jetzt, dass das Manöver im „richtigen Leben“ leider nicht gut gegangen wäre. Den rechten Pylonen habe ich erwischt – und es nicht einmal gemerkt. Gut, dass das kein anderes Auto war…

Beim Transporterfahren ergeht es mir ähnlich. Erschwerend kommt hinzu, dass ich keine Erfahrung mit so großen Fahrzeugen habe und – Alkohol macht gleichgültig – es auch offenbar nicht für nötig gehalten habe, die Spiegel vor dem Start korrekt einzustellen. Wieder erwische ich einen Pylonen. Das Problem habe ich auf dem E-Scooter zwar nicht, aber der ist mir eindeutig zu rasant und kommt mir nach mehreren Gläsern Bier – sind es vier oder sechs? – kaum beherrschbar vor. Keine gute Alternative, um nach dem Kneipenbesuch nach Hause zu kommen.

Unter den Augen der Polizistinnen testeten die Teilnehmer auf dem Dekra-Gelände den E-Scooter.
Unter den Augen der Polizistinnen testeten die Teilnehmer auf dem Dekra-Gelände den E-Scooter. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Eine beeindruckende Erfahrung ist es allemal. Nach acht kleinen Gläsern Bier, das Messgerät zeigt inzwischen 0,49 an, beende ich den Selbsttest und meinen Arbeitstag – und fahre nach Hause. Mit dem Taxi natürlich.