Essen-Karnap. Ein Behinderten-WC auf einem Essener Friedhof soll mit einem Euroschlüssel zugänglich gemacht werden. Sie ist aber gar nicht behindertengerecht.

Wer mal muss, der muss in Essen Glück haben: Toiletten, die jederzeit frei zugänglich sind, sind in der Stadt Mangelware. In Verwaltungsgebäuden, Einkaufszentren und an einigen Marktplätzen gibt es WCs, allerdings sind diese an die jeweiligen Öffnungszeiten gebunden. Hoch im Norden der Stadt gibt es Toiletten auf dem Karnaper Friedhof, die täglich von 7.30 Uhr Uhr bis Einbruch der Dunkelheit geöffnet haben. Die Behindertentoilette sei jedoch überhaupt nicht barrierefrei oder rollstuhlgerecht, beklagt das Karnaper Bürgerbündnis.

Euroschlüssel-Schließsystem für Toilette auf Essener Friedhof vorgeschlagen

Vorangegangen war ein Vorschlag der neuen Inklusionsbeauftragten der Bezirksvertretung, Simone Stodiek (SPD). „Die behindertengerechte Toilette sollte über ein Euroschlüssel-Schließsystem verfügen.“ Zur Erklärung: Der Euroschlüssel ist ein Schließsystem, das körperlich beeinträchtigten Menschen ermöglicht, mit einem Einheitsschlüssel selbstständig und kostenlos Zugang zu behindertengerechten sanitären Anlagen und Einrichtungen zu erhalten, beispielsweise an Autobahn- und Bahnhofstoiletten, aber auch für öffentliche Toiletten in Fußgängerzonen, Museen, Behörden oder eben auf Friedhöfen wie jenem in Karnap. Das System wird in ganz Europa, jedoch vorwiegend in Deutschland, Österreich und der Schweiz angewendet.

Voraussetzung ist eine entsprechende Kennzeichnung im Schwerbehindertenausweis oder ein ärztliches Attest. Stodiek: „Menschen mit Einschränkungen könnten die Toilette dann auch außerhalb der Friedhofs-Öffnungszeiten nutzen und sich auf Sauberkeit verlassen.

„Eins nach dem anderen“, fordern hingegen Mitglieder des Karnaper Bürgerbündnisses und weisen darauf hin, dass der Zugang zum Lokus kompliziert ist. Die kleine Stufe zu Beginn der Rampe, die zum Gebäude führt, ist auf Anregung von Simone Stodiek schnell verschwunden, aber: „Die Tür öffnet sich zur falschen Seite“, beklagt Roland Kaiser vom Bürgerbündnis. Man könne sie zwar mit einer Hand nach links hin öffnen, es fehle dann rechts neben der Tür aber Platz, um Rollstuhl oder Rollator hindurchzuschieben. „Das ist eine gravierende Barriere für mobilitätseingeschränkte Menschen“, so Kaiser.

So sieht das Toilettenhäuschen am Karnaper Friedhof in Essen aus.
So sieht das Toilettenhäuschen am Karnaper Friedhof in Essen aus. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Am besten wäre laut Roland Kaiser ein Knopf, der die automatische Türöffnung auslöst, oder man müsse die Tür andersherum einbauen. Im inneren Bereich fehlen zudem Griffe neben der Toilette und eine Notruf-Anlage, wie sie für Behindertentoiletten vorgeschrieben ist.

Toilette als Lager- und Umschlagplatz für Drogenabhängige

Sollten diese Dinge geändert werden, befürwortet Kaiser durchaus ein Euroschlüssel-Schließsystem für die Behindertentoilette auf dem Karnaper Friedhof. Voraussetzung dafür sind entsprechende Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis oder eine ärztliche Bescheinigung. Die Toilette wäre so vor Beschädigung und Vandalismus Dritter geschützt.

Rund 30 Euroschlüssel-Toiletten in Essen

Die Stadt hatte zuletzt die Pflicht, öffentliche Toiletten zu betreiben, von sich gewiesen. Doch es werden immer wieder Stimmen laut, dass diese fehlen – am Baldeneysee, an Busbahnhöfen und auf Marktplätzen. Zuletzt gab es einen Vorstoß von CDU und Grünen, ein flächendeckendes Toilettennetz in Essen zu schaffen. Dafür braucht es natürlich erstmal ein Konzept – ein Klokonzept in diesem Fall. Bis das fertig ist, prüft die Stadt Pilotprojekte in Grünanlagen, etwa mit mobilen Chemietoiletten. Außerdem soll es erst einmal eine Umfrage unter Interessenvertretern und Bürgern geben, wo diese grundsätzlich überhaupt einen Bedarf für öffentliche Toilettenhäuschen sehen.

Toiletten, die mit dem Euroschlüssel zugänglich sind, gibt es in Essen an rund 30 Orten; unter anderem am Katernberger Markt, am Berliner Platz und am Kopstadtplatz. Genaue Infos zu den Standorten unter https://arge-selbsthilfe.de/.

Der Schlüssel kostet einmalig 23 Euro. Infos zu den Bedingungen und zur Abholung bei der Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter Menschen in Essen unter 0201 228939.

Kaiser weiß, dass sie auch von Drogenabhängigen als Lager- und Umschlagplatz genutzt wird. „Besonders Blinde und hochgradig Sehbehinderte könnten sich mit dem System zuverlässig auf Sauberkeit und Hygiene verlassen“, erklärt Kaiser. Alle anderen könnten dann immer noch die andere Toilette direkt nebenan nutzen.

Verwaltung soll Schließsystem für Essener Friedhof prüfen

Die Mitglieder der Bezirksvertretung stehen dem Euroschlüssel-System zwar grundsätzlich offen gegenüber, regen aber an, dass eine Möglichkeit gefunden werden sollte, dass alle Senioren die Möglichkeit haben, auch die Behinderten-Toilette zu nutzen. Mirko Sehnke (Die Partei): „Unter den Friedhofsbesucherinnen und -besuchern sind viele betagte Personen, die nicht in den Genuss des Privilegs eines Euroschlüssels kommen.“

Die Verwaltung soll nun prüfen, ob ein entsprechendes Schließsystems bei der Behindertentoilette auf dem Karnaper Friedhof überhaupt möglich ist. Weiter wird um Mitteilung gebeten, mit welchen Kosten zu rechnen ist und ob diese seitens der Stadt getragen werden.