Essen-Bergerhausen. Heidrun Viehweg war 16 Jahre in der evangelischen Gemeinde Bergerhausen tätig. Warum sie jetzt an einer Förderschule im Essener Westen arbeitet.

  • Pfarrerin sucht eine neue Herausforderung.
  • Familie zieht in einen anderen Stadtteil.
  • Neuer Job bringt viele Veränderungen.

Nach 16 Jahren in der evangelischen Gemeinde Essen-Bergerhausen nimmt Pfarrerin Heidrun Viehweg nun offiziell Abschied von ihrer Gemeinde. Ihren neuen Job hat sie bereits angetreten, den Wechsel hat sie gewollt. Warum er ihr dennoch schwerfällt.

Heidrun Viehweg (47), die eigentlich vom Niederrhein stammt, ist bereits seit Februar als Schulpfarrerin und Religionslehrerin an der Traugott-Weise-Schule in Borbeck tätig, einer städtischen Förderschule mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“. Die Mutter zweier Töchter, zwölf und neun Jahre alt, empfindet Wehmut, auch wenn sie sich auf die neue Herausforderung freut: „Die Zeit in Bergerhausen war toll, die Menschen hier sind so großartig“, sagt sie.

Essen war damals nicht die Traumstadt für die junge Pfarrerin

Dabei war Essen damals nicht ihre Traumstadt, Bergerhausen kannte sie nicht, als sie sich auf ihre erste „eigene“ Pfarrstelle bewarb. „In meinem Abschlussjahrgang waren wir 70, die sich auf drei freie Pfarrstellen bewerben konnten. Da gab es keine Auswahl.“

Heute sei das anders. Auf ihre Pfarrstelle hätten sich jetzt fünf Menschen beworben, das Presbyterium entscheide, wer ab Herbst gemeinsam mit ihrer Kollegin Julia Olmesdahl in Bergerhausen tätig sein werde. „Fünf Bewerbungen sind heute schon sehr viel.“ Viele ihrer Studienkolleginnen und -kollegen hätten sich umorientiert, weil sie keine Perspektive im Pfarramt für sich sahen.

Die Johanneskirche in Bergerhausen war lange Zeit die Arbeitsstätte von Heidrun Viehweg. Mit einem Gottesdienst auf dem Vorplatz wird sie am 26. Juni verabschiedet.
Die Johanneskirche in Bergerhausen war lange Zeit die Arbeitsstätte von Heidrun Viehweg. Mit einem Gottesdienst auf dem Vorplatz wird sie am 26. Juni verabschiedet. © FUNKE Foto Services | Carsten Klein

Bessere Voraussetzungen, als sie in Bergerhausen vorgefunden habe, hätte es nicht geben können, betont die scheidende Pfarrerin. „Eigentlich sagt man, ein Wechsel alle zehn Jahre sei gut, um neue Impulse zu bekommen, sowohl für die Gemeinde als auch für die Pfarrerin“, sagt Heidrun Viehweg. „Aber hier war es zu schön, um zu gehen.“ Das habe sich bis heute nicht geändert. Trotzdem habe sie eine Art Berufung gespürt, etwas Neues zu beginnen. „Kirche sollte nicht zu gemütlich, nicht zu sesshaft werden, man muss zu den Menschen nach draußen gehen.“

Das tue sie jetzt. Auch in der Gemeinde hatte sie den Schwerpunkt Kinder- und Jugendarbeit, deshalb sei die Arbeit mit geistig Behinderten an der Traugott-Weise-Schule in Borbeck genau das Richtige. Dort könne sie als Schulpfarrerin, Religionslehrerin und Seelsorgerin den knapp 200 Kindern und Jugendlichen jeden Tag etwas mitgeben und sie dafür sensibilisieren, dass jeder Mensch etwas Besonderes sei.

Bei der Arbeit in der Schule spielt die Konfession keine Rolle

Bei ihrer Arbeit an der Schule spiele die Konfession keine Rolle. Sie werde Religionsunterricht für alle geben, evangelische, katholische, muslimische, buddhistische Kinder und für solche, die keinen religiösen Hintergrund hätten. „Ich bleibe evangelische Pfarrerin, gehe dort aber nicht als Missionarin hin. Ich werde von meinem Glauben berichten, bin aber auch neugierig, was andere Menschen glauben.“

Verabschiedung am 26. Juni

Die offizielle Verabschiedung von Heidrun Viehweg in Bergerhausen erfolgt im Gottesdienst am Sonntag, 26. Juni, um 10 Uhr auf dem Vorplatz der Johanneskirche an der Weserstraße 30.

Bei Regenwetter findet der Gottesdienst in der Johanneskirche statt.

Stolz sei sie im Rückblick vor allem auf zwei Dinge: auf das Kirchenasyl für fünf Menschen aus Tadschikistan, die inzwischen hier Wohnungen und Arbeit gefunden hätten, und auf das neue Gemeinde- und Gottesdienstkonzept, bei dem man viele mitgenommen und einiges verändert habe, ohne die Gläubigen zu frustrieren. Im Zuge der Veränderungen habe man die Kirche auf der Billebrinkhöhe an das Integrationsmodell abgegeben, das Gemeindehaus für die Kita-Erweiterung genutzt, Wohnungen im Pfarrhaus frei vermietet und die Gottesdienste so organisiert, dass jeweils andere Zielgruppen angesprochen werden.

„Was mir fehlen wird, sind die Gottesdienste, vor allem auch die Jugendgottesdienste. Ich liebe Gottesdienste“, sagt Heidrun Viehweg. Künftig werde sie vielleicht zweimal im Jahr, zu Weihnachten und zur Schulentlassung, Gottesdienste gestalten.

Neue Arbeitszeiten und ein neuer Wohnort

Der neue Job bringe regelmäßigere Arbeitszeiten, freie Abende und Wochenenden mit sich, „was ja erstmal nicht schlecht ist“. Auf die Verwaltungsaufgaben, die sie bisher erledigen musste, verzichte sie gern. Da sie keine volle Stelle habe, bleibe Zeit für freiberufliche Tätigkeiten und Hobbys, wie das Puppenspiel, Stückeschreiben und das Angebot von Fortbildungen.

Wie sie und ihre Familie künftig Weihnachten feiern werden, könne sie sich noch nicht so richtig vorstellen – ohne die zahlreichen Gottesdienste und die Krippenspiele, an denen auch ihre Töchter immer beteiligt waren. Auch der Abschied vom Pfarrhaus, wo sie mit Mann und Kindern bis heute wohnt, falle ihr schwer. Inzwischen sei ein neues Zuhause in Kupferdreh gefunden, so weit von Bergerhausen entfernt ist das nicht. „Ich werde vielleicht ab und zu zum Gottesdienst in die Johanneskirche kommen, aber nur als Gast. Hier sind jetzt andere zuständig.“