Essen. Alina verließ Russland, um an der Uni in Essen zu studieren. Zwei Jahre später greift Putin die Ukraine an. So beeinflusst der Krieg ihr Leben.

Ob sie denn genug zu essen bekomme? Schließlich gebe es in den deutschen Supermärkten doch einen gravierenden Mangel an Mehl, Zucker und Öl. Zumindest haben Alinas Großeltern das im russischen Staatsfernsehen gesehen. „Ich schicke ihnen dann regelmäßig Fotos von den gefüllten Supermarktregalen“, sagt Alina. Anlass zur Sorge gebe es hier nun wirklich nicht.

Allgemein ist die Situation aber gerade schwierig für sie: Nach Beginn des Ukraine-Kriegs plagen Alina wochenlang Schuldgefühle. Täglich wird die 19-Jährige von einer inneren Unruhe begleitet, kann sich schlecht konzentrieren. „Schließlich hat unser Präsident den Krieg begonnen.“

Alina, die ihren Nachnamen in dieser unsicheren Zeit nicht in der Öffentlichkeit lesen möchte, ist gebürtige Russin, aufgewachsen in einer kleinen Stadt an der Wolga. Im Oktober 2020 ist sie nach Deutschland gekommen, um Wasser-Wissenschaft („Water-Science“) an der Universität Duisburg-Essen zu studieren. Dort arbeitet die 19-Jährige auch als wissenschaftliche Hilfskraft.

„Ich habe viele ukrainische Freunde, die mit dem gleichen Austauschprogramm wie ich hierhergekommen sind“, erzählt Alina. Als Putin dann am 24. Februar in das Heimatland ihrer Freunde einmarschierte, habe sie das sehr betroffen gemacht.

Russische Studentin demonstriert gegen Ukraine-Krieg

Um ein Zeichen gegen Putins Angriffskrieg zu setzen, demonstriert Alina auf einer großen Demo in Düsseldorf mit, sammelt Spenden für die Ukraine und singt auf einem von ihr mitorganisierten Benefizkonzert in Bochum. Am Essener Hauptbahnhof hilft sie geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern bei der Verständigung.

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Durch ihr Engagement fühle sie sich besser, sagt Alina, ihre Schuldgefühle seien nach und nach gewichen. Auch Youtube-Videos mit Tipps für den Umgang mit der Kriegssituation hätten ihr dabei geholfen. „Ich habe unseren Präsidenten nicht gewählt, er war schon da, bevor ich geboren wurde“, betont die Studentin. Und da sie vor ihrem Umzug nach Deutschland noch nicht volljährig war, habe sie in Russland nicht wählen gehen können. „Also hatte ich keinen Einfluss.“

Angst vor Vorverurteilung, weil sie Russin ist

In den sozialen Medien hat Alina die Beobachtung gemacht, dass die russische Bevölkerung von vielen angefeindet wird, so, als sei sie schuld an diesem Krieg. „Ich verstehe zwar, dass die Menschen bei dem Thema emotional sind, aber solche Aussagen ärgern mich.“

Nicht nur im Netz, auch im realen Leben hat die Studentin zunächst Angst, aufgrund ihrer Herkunft vorverurteilt zu werden. Ihrer Hausärztin verrät sie deshalb zunächst nicht, dass sie Russin ist. „Ich habe immer nur von ,meinem Heimatland’ gesprochen“, erinnert sich Alina. „Als sie es dann schließlich doch herausfand, hat sie ganz normal reagiert.“

Russische UDE-Studentin „Ich wurde noch nie diskriminiert“

In Deutschland, sagt Alina, sei sie selbst noch nie diskriminiert worden. Im Gegenteil: Ihre deutschen Freunde, Kommilitonen und Uni-Mitarbeiter boten ihr Unterstützung in dieser Zeit an. Das werde aber, so die Studentin, im russischen Staatsfernsehen anders dargestellt. „Meine russischen Freunde und Verwandten fragen mich häufig, ob ich angefeindet werde und Hilfe brauche, sie hätten das so im Fernsehen gesehen.“

Alina vermisst ihre Familie und Freunde in Russland, auch wenn sie sich hier in Essen nun ein Leben aufgebaut hat. „Ich liebe die russische Sprache, das Land und meine Schule.“ Ihre Eltern gehen dort regelmäßig auf die Straße, um gegen den Krieg zu demonstrieren. Ein Freund sei bereits bei einer Demonstration von der Polizei aufgegriffen worden und musste Strafe zahlen. Ihre Familie würde sie derzeit deshalb am liebsten in Deutschland wiedersehen.