Essen. Nur wenige Stunden nach dem Start der öffentlichen Fahndung in Paraguay gibt es Hinweise, dass die Entführer mit Kindern nach Argentinien wollen.
Auf der Suche nach Clara (10) und Lara (11), den beiden entführten Kindern aus Essen und München, haben die Ermittler im fernen Paraguay offenbar eine erste heiße Spur ausgemacht – und das nur wenige Stunden nach dem Start der öffentlichen Fahndung im Lande.
Wie örtliche Medien berichten, wurde danach am Montagnachmittag um 14 Uhr Ortszeit in Bella Vista, nicht weit von der bei deutschen Auswanderern beliebten paraguayischen Kleinstadt Hohenau, ein verlassener weißer Nissan Terrano aufgefunden. Mit diesem Geländewagen sollen Andreas und Anna Egler unterwegs gewesen sein, jenes „Querdenker“-Paar, das die beiden Kinder im November vergangenen Jahres ohne Wissen der jeweils anderen Elternteile nach Paraguay verschleppte.
Fluchtpunkt Encarnación: Von hier ist es nicht mehr weit bis nach Argentinien
Den Eigentümer des Fahrzeugs habe man in Guairá ausfindig gemacht, so bestätigte Kommissar Arnaldo Báez, Leiter der Sicherheitsabteilung des Departements Itapúa, auf Anfrage von Journalisten. Er habe angegeben, den Wagen für 30 Tage zu einem Preis von drei Millionen Paraguayischer Guaraní, das sind umgerechnet gut 400 Euro, an die Flüchtigen vermietet zu haben.
Zudem gibt es offenbar Zeugenaussagen, nach denen das Paar am vergangenen Mittwoch (25. Mai) in der Stadt Encarnación angekommen sei: „Sie waren in einem bekannten Viertel, nicht weit von der Stadt entfernt, und suchten eine Unterkunft”, wird Báez zitiert: „Wir vermuten, dass sie, nachdem sie nichts gefunden haben, zu den vereinten Kolonien von Itapúa aufgebrochen sind.“
Schwierige Suche unter Auswanderern
Die paraguayischen Behörden prangerten bei der Pressekonferenz „Geheimhaltung und geringe Kooperation in den deutschen Gemeinden in den Gebieten an, in denen die Mädchen gesehen wurden“.Staatsanwältin Carina Sánchez räumte ein, dass die bisherige fünfmonatige Suche nach den Mädchen „ohne größere Fortschritte“ verlaufen sei.„Von nun an werden wir die Suche nach den beiden Mädchen intensivieren“, sagte der Leiter der für Entführungsfälle zuständigen Ermittlungseinheit der Polizei, Mario Vallejos. Bei Hinweisen auf den Verbleib der Mädchen sicherten die Behörden den Tippgebern Anonymität zu.
Die Suche in einem anderen Land fortsetzen zu müssen, wäre ein neuer Kraftakt
Für die in Deutschland und Paraguay bangenden Angehörigen ist das eine eher besorgniserregende Nachricht, denn der Rio Paraná ist nur wenige Kilometer entfernt, ein mächtiger Fluss, der die Grenze nach Argentinien markiert. Inzwischen schließen die Behörden auch nicht mehr aus, dass das Paar – inzwischen womöglich in Kenntnis der Suchaktion – das Land verlassen will. Der Fluss markiert die Staatsgrenze beider Länder, und weitere 40 Kilometer Luftlinie dahinter beginnt sogar schon brasilianisches Staatsgebiet.
Die Suche womöglich in einem anderen Land fortsetzen zu müssen, das wäre ein neuer Kraftakt, nachdem sich die Mutter der entführten Clara, Anne Reiniger-Egler erst dieser Tage dazu durchringen konnte, gemeinsam mit den Behörden in Paraguay die Öffentlichkeitsfahndung anzustrengen.
„Andreas, bitte melde dich und beende diese fürchterliche Situation“
Zur Pressekonferenz am Montagvormittag mit diversen Medienvertretern von TV, Funk und Zeitungen hatte die Tochter des ehemaligen Essener Oberbürgermeisters Wolfgang Reiniger das Schäfchen „Pillow“ mitgebracht, ein kleines Kuscheltier ihrer Tochter, das sich als Kissen umfunktionieren lässt. Für die zehnjährige Clara ein liebgewonnenes Ritual.
Mit tränenerstickter Stimme wandte sich Anne Reiniger-Egler, teils in frisch gelerntem Spanisch, teils auf Deutsch an die Medien. Und flehte vor laufenden TV-Kameras ihren Ex-Mann an, die Flucht endlich aufzugeben: „Andreas, bitte melde dich und beende diese fürchterliche Situation, die mir und so vielen anderen den Schlaf raubt und uns kein normales Leben mehr führen lässt.“ Dies könne ein Anwalt sein, ein Freund oder irgendjemand, dem er vertraue: „Lass uns bitte gemeinsam eine Lösung finden.“
Grüße aus Essen von Familien und Freunden: „Wir alle haben Dich unendlich lieb“
Clara und Lara gehe es mit dieser Situation sicher nicht gut. „Sie können doch nicht ihre weitere Kindheit auf der Flucht verleben.“ Das Leben, das sich die beiden Flüchtigen mit den Kindern vorgestellt hätten, „das werdet ihr doch niemals so leben können. Bitte lenke ein.“
An ihre Tochter gerichtet, formulierte Reiniger-Egler Grüße von allen daheim, von der Familie, von Sportkameraden und Schulfreundinnen: „Wir alle haben Dich unendlich lieb, mein Schatz. Und es bricht mir das Herz, dass Du nicht mehr bei uns bist. Du wirst niemals vergessen.“