Essen. Die Essener Philharmoniker glänzen in Mahlers „Auferstehungssinfonie“, meint unser Kritiker und sagt, warum der Auftritt so gelungen war.

Was für ein überwältigender Abend. Den Essener Philharmonikern ist unter ihrem Chef Tomáš Netopil eine maßstäbliche Wiedergabe von Gustav Mahlers Zweiter Sinfonie gelungen. Superlative, die sonst besser im Werbesprech verbleiben, sind in der Tat angebracht. Denn selten wurde in der „Auferstehungssinfonie“ die Verbindung verschiedenartiger musikalischer Mittel und Traditionen so wirkungsvoll und klar vorgestellt.

Selten erklingt das riesige Werk so transparent und durchleuchtet – und gleichzeitig mit aller archaischen Wucht seiner Höhepunkte. Und nur den Top-Orchestern der Welt gelingt es, was die Philharmoniker scheinbar selbstverständlich liefern: Die Fülle souveräner solistischer Auftritte, die subtile Kunst der Mikro-Übergänge zwischen den Soli, die Dramaturgie der Klangfarben tragen den Zuhörer vom Erstaunen übers Bewundern hin zu purer Begeisterung.

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Schon die Eröffnung packt mit dem drohenden „Walküren“-Flirren der Geigen und dem brutalen Akkord-Cluster der tiefen Streicher. Die Holzbläser formulieren ihren Aufstieg düster-grimmig, nicht elegisch. Schnell ist der erste Ausbruch erreicht, aber Netopil weiß, wie er Lautstärke dosieren muss, um sich die Möglichkeit machtvoller Steigerungen nicht zu vergeben. Erst im h-Moll „Verzweiflungsschrei“ des dritten und im Aufbäumen des Entsetzens zu Beginn des fünften Satzes erlaubt er die Entfesselung.

Hervorragendes Dirigat von Tomáš Netopil

Der kalkulierte Spannungsaufbau durch die Dynamik, die geschärften, bis ins Bizarre gesteigerten Rhythmen, die Wirkung der Taktwechsel, schließlich ein durch keine Klangwucht getrübter Blick auf die Struktur zeichnen Netopils Dirigat aus. Und dass er Mahler auch von Dvořák her denken kann, zeigen die lyrischen Momente. Bei Netopil lächeln die Idyllen, wenn sich die Violinen auf sanften Hörnern betten.

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Im „Urlicht“, dem vierten Satz, lässt Bettina Ranch ihren Mezzosopran samtig fließen, artikuliert aber die Worte kaum; im fünften Satz kleidet Giulia Montanari die Hoffnung auf die Auferstehung in ihren leuchtenden Sopran. Der Prager Philharmonische Chor unter Lukáš Vasilek steigert sich unangefochten von ätherischem Piano zu kernigem Forte. Und wenn am Ende Patrick Jaskolka an der Orgel Chor und Orchester feierlich überhöht, hält Netopil die Klangmassen immer noch unter Kontrolle. Mit dieser „Zweiten“ hat sich der Essener GMD in die Reihe großer Mahler-Interpreten eingereiht.