Essen-Haarzopf. Bei Züchter Thomas Haffner in Haarzopf werden Schafe der seltenen vierhörnigen Rasse der Jakobschafe geschoren. Sie bieten jede Menge Wolle.

Was für ein Idyll, und das mitten im Ruhrgebiet: Beim Haarzopfer Züchter Thomas Haffner werden die Schafe einer seltenen vierhörnigen Rasse geschoren. Frisch ist es an diesem Morgen auf der Wiese an der Alten Raadter Straße. Die Tiere wehren sich. Die wärmende Wolle soll ab, ihnen droht sprichwörtlich Schafskälte. An diesem Tag werden elf erwachsene Jakobschafe geschoren, die Lämmer sind erst im zweiten Jahr dran.

Thomas Haffner packt seine Antonia an den Hörnern und zieht sie nach vorn. Bei ihrer Geburt vor vier Jahren wurde sie per Mund-zu-Maul-Beatmung gerettet. Antonia auf den Hintern gesetzt und es geht los. Neugierige Zuschauer stehen am Zaun und schauen zu, wie da Hand in Hand gearbeitet wird. Haffner kürzt die Klauen, schaut genau hin, entdeckt ein Geschwür: „Das muss ich wegschneiden.“ Ein leichter Fall

Ab ist die Wolle: Die Schafsherde in Essen-Haarzopf hatte einen Termin zum Scheren, Zuschauer waren dabei.
Ab ist die Wolle: Die Schafsherde in Essen-Haarzopf hatte einen Termin zum Scheren, Zuschauer waren dabei. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Christian Schulze übernimmt das Tier, schert zügig, aber mit Seelenruhe die Wolle herunter. Der Mann vom Niederrhein passt auf, dass er die Tiere nicht verletzt mit seiner elektrischen Schere: „Ich brauche professionelles Equipment, sonst leidet das Tier. Ich mache das schon seit 20 Jahren und lerne immer noch dazu. Jedes Schaf ist anders.“

Schulze möchte lieber „Otto, der Schäfer“ genannt werden und hat nun Hochkonjunktur: „Zu Ostern haben wir angefangen und Termine bis in den Juli hinein.“ Auf die Frage nach der Schafskälte Anfang Juni lächelt der gelernte Schäfer: „Wir erleben den Klimawandel. Der kommt schleichend, Landwirte und Schäfer spüren ihn als erste.“ Die geschorenen Schafe bekommen nun noch eine homöopathische Paste mit Citronella aufs Fell. Die soll Fliegen abhalten, die ihre Eier in die Wolle legen.

Lämmer erkennen zunächst ihre Mutter nicht mehr, weil die beim Friseur war

Nun geht es für das meckernde Tier zurück zur gedrängt zusammenstehenden Herde. Jetzt wird erst einmal gefremdelt, erklärt Haffner: „Die Kinder sind mit den Nerven runter. Zunächst erkennen sie ihre Mutter nicht mehr, weil die beim Friseur war.“ Bald werden sie ihre Scheu wieder ablegen: „Das Mutterschaf hat viel Milch. Bei uns dürfen die Lämmer sechs Monate trinken.“

Bei Jakobschafen häufen sich Zwillings- oder gar Drillingsgeburten. So gibt Haffner einem der Lämmer die Flasche, um die Mutter zu entlasten. Derweil verlesen die Spinnerinnen die Wolle, klauben Heu heraus. Zwischen drei und vier Kilo Material liefert jedes Schaf: „Wir haben mächtig auf Menge gezüchtet und auch die Qualität deutlich angehoben. Die Wolle unserer Jakobschafe ist sehr beliebt.“ Das gelte auch für das Fleisch, das mit dem Alter sogar noch schmackhafter werde.

Zwischen drei und vier Kilo Wolle gibt es pro Schaf.
Zwischen drei und vier Kilo Wolle gibt es pro Schaf. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Durch den Brexit sei allerdings nicht mehr an schottische Zuchtböcke zu kommen. Unter Umwegen gelangten vier nordirische Tiere nach Haarzopf. Über die offene Grenze nach Irland, also in die EU, in der Normandie nahm Haffner die Böcke in Empfang: „Wir züchten bis zehn Jahren und hoffen dann auf einen Rentnerplatz für unsere Tiere.“

Auf jedes Wollbündel kommt ein Zettel mit Namen und Geschlecht des Schafes. Haffner grinst: „Das gibt dann einen Pullover namens Antonia.“ Der Züchter schwitzt. Es ist Schwerstarbeit, die bockigen Tiere an Ort und Stelle zu ziehen: „Eine Mutter hat um die 60 Kilo, dieser Bock hier sogar an die 80 Kilo.“

Mit vier Tieren reist der Züchter Ende September ins hessische Alsfeld zur Bundesschau

Dann brechen einige Tiere aus dem improvisierten Gatter aus. Hündin Fay stürzt los. Sie hat gewartet auf diesen Moment, kann endlich ihre Hüte-Fähigkeiten beweisen. Im Nu sind die Schafe wieder eingefangen. Fay bleibt nervös, ist stets bereit.

Derweil schwärmt Thomas Haffner von der nächsten Kandidatin: „Die schönste Frau hier auf der Wiese.“ Schaf Sydney ist sein Stolz, sie wird eines der vier Tiere sein, mit denen der Züchter Ende September ins hessische Alsfeld zur Bundesschau reisen wird. Und so erklärt sich auch der den Zaungästen sehr früh scheinende Schertermin: „Wer dort teilnehmen möchte, muss die Tiere bis zum 15. Mai geschoren haben.“

Weitere Infos und Kontakt: http://www.jakobschafe-ig.de/