Essener Norden. Schlechte Wahlbeteiligung, Grüne im Aufwind, AfD auf dem absteigenden Ast: Eine Analyse der Landtagswahl für den Essener Norden.

Der Essener Norden schneidet bei der Wahlbeteiligung besonders schlecht ab. Das war schon bei den vergangenen Wahlen so und hat sich auch bei der Landtagswahl am Wochenende fortgesetzt: In einigen Stadtteilen wie etwa Altenessen-Süd und Vogelheim lag die Wahlbeteiligung bei 35 Prozent, während in Bredeney 74 Prozent erreicht wurden. Bei den Landtagswahlen 2017 machte immerhin noch jeder zweite Nord-Essener ein Kreuzchen.

Frust und Resignation im Essener Norden

Bei der Kommunalwahl vor eineinhalb Jahren zeigte sich jedoch ein ähnliches Dilemma, wie jetzt am Wochenende. Auch damals gingen im Essener Norden zum Teil nur drei von zehn Wahlberechtigten zur Urne. Peter Wülfing, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft Altenessen, sagte danach: „Die Menschen fühlen sich vernachlässigt und verlassen.“ Das Krankenhaus wird geschlossen, der Verkehr auf der Gladbecker Straße sei ein Dauerthema, und alle vier Verkehrsadern werden mit Baustellen belegt. „Da fühlt sich der Norden abgehängt.“ Diese Probleme sind auch jetzt, bei der Landtagswahl noch nicht gelöst. Wülfing habe oft das Gefühl, dass Probleme im Essener Süden deutlich sensibler aufgenommen und bearbeitet würden.

Nun geht es bei der Landtagswahl nicht direkt um Probleme im Stadtteil, die die Menschen umtreiben. Die Resignation und Frustration überträgt sich aber offenbar auch auf andere politische Ebenen.

Ein weiterer Grund für die geringe Wahlbeteiligung könnte der vergleichsweise hohe Migrationsanteil in den nördlichen Stadtteil sein. Generell gilt: Je höher der Migrationsanteil, desto geringer die Wahlbeteiligung. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge liegt die Wahlbeteiligung von Deutschen mit Einwanderungsgeschichte zumindest bei Bundestagswahlen etwa zehn Prozentpunkte hinter der Wahlbeteiligung von Deutschen ohne Einwanderungsgeschichte. Das liege zum Teil an sprachlichen Barrieren, habe aber auch kulturelle Gründe.

SPD stadtweit am erfolgreichsten in Essen-Vogelheim

Und jene, die dann im Essener Norden doch gewählt haben, setzten ihr Kreuzchen oft bei der SPD: Mit einem Ergebnis von 50,63 Prozent ist Vogelheim der einzige Essener Stadtteil, in dem die Genossen und Genossinnen die 50-Prozent-Marke reißen. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als 2017, aber auch zehn weniger als bei den Landtagswahlen vor zehn Jahren.

Karl-Heinz Kirchner ist in Vogelheim geboren, aufgewachsen und verwurzelt. Für die SPD sitzt er in der Bezirksvertretung: „Für meinen Stadtteil tue ich alles, das sehen die Leute und das kommt hier an“, erklärt er. Gleiches gilt für Detlef Schliffke. Der Ratsherr steckt viel Energie in seinen Stadtteil, engagiert sich nicht nur für die SPD in Vogelheim und im Rat, sondern bekleidet zudem diverse Ehrenämter: „Die Menschen rufen mich rund um die Uhr an, wenn sie Hilfe brauchen.“ Das zeige sich dann auch auf dem Wahlzettel, egal ob bei der Kommunal- oder bei der Landtagswahl. Angesichts des Gesamt-Wahlergebnisses klingt jedoch auch bei den Vogelheimer Genossen nicht zu viel Euphorie durch.

Anders ist das bei den Grünen. Die sind im Norden – wie im gesamten Land – im Aufwind und können ihr Ergebnis beispielsweise in Karnap mehr als verdoppeln: von 3,6 auf 9,5 Prozent. Bis zur Stimmenmehrheit, wie in Rüttenscheid, ist es dennoch ein weiter Weg.

Jemand, der im Essener Norden relativ bekannt ist, ist Guido Reil. Der Karnaper tat sich auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 mit asylkritischen Äußerungen hervor und wechselte dann von der SPD zur AfD. Die Partei sammelte im Anschluss 2017 etwa in Karnap 20,3 Prozent der Stimmen. Davon sind jetzt noch 13,1 Prozent übrig geblieben.