Essen-Werden. Das 90 Jahre alte Stauwehr am Baldeneysee wird vom Ruhrverband generalüberholt. Wir zeigen, wie die aktuellen Reparaturen voranschreiten.

Fast sieht es so aus, als hätte ein Verpackungskünstler wie einst Christo seine Hände im Spiel gehabt: Das Stauwehr in Essen-Werden ist teilweise so sehr von Planen umhüllt, dass die Konturen des Bauwerks nur noch zu erahnen sind. Doch was passiert dahinter? Der Ruhrverband gibt einen Einblick in seine umfangreichen Instandhaltungsarbeiten, die aktuell an der dritten Wehrwalze des Baldeneysees vonstatten gehen.

Eigentlich sei immer etwas zu tun, sagt Unternehmenssprecher Markus Rüdel. Denn das Bauwerk hat schon fast 90 Jahre auf dem Buckel. 1929 begannen die Arbeiten, 1933 wurde das Wehr, das die Ruhr auf etwa acht Kilometern Länge zum Baldeneysee anstaut, in Betrieb genommen. Seither regelt die Anlage bei gleichbleibendem Pegel den Zu- und Abfluss der Ruhr, während die Schleuse am Nordufer den Schiffsverkehr über die gut neun Meter Distanz zwischen See und Fluss ermöglicht. Aus der Wasserkraft wird zudem Strom gewonnen: RWE betreibt hier ein Kraftwerk.

Sanierung der Stauwehrtechnik am Baldeneysee erfolgt nach und nach

Damit kein Wasser eindringen kann, ist das Bauwerk für die Sanierungsarbeiten eingepackt worden.
Damit kein Wasser eindringen kann, ist das Bauwerk für die Sanierungsarbeiten eingepackt worden. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Seit 2007 lässt der Ruhrverband das Stauwehr nach und nach sanieren. Im Januar dieses Jahres begannen die Arbeiten an der dritten der jeweils 33 Meter langen Walzen. Diese Walzen sind zwischen starken, zum Tal hin bugartig gestalteten Betonblöcken eingespannt. Um an jene Teile heranzukommen, die normalerweise von Wasser umspült sind, musste die dritte Walze wie zuvor schon ihre beiden Kolleginnen auf trockenen Grund gelegt werden.

Wie im Trockendock: Die 33 Meter lange Walze des Stauwehrs ist eingerüstet.
Wie im Trockendock: Die 33 Meter lange Walze des Stauwehrs ist eingerüstet. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die damit erfolgte Einhausung des Bereichs gelte jedoch noch einem anderen wichtigen Aspekt, erläutert Bauleiterin Saskia Grauduschus: der Sicherheit. „Denn im ersten Schritt wurden die Stahlflächen von den Beschichtungen befreit. Und diese Beschichtungen sind schadstoffbelastet.“ Blei und Asbest seien dies zumeist. Es handele sich auch um giftige Kohlenwasserstoffe, wie sie etwa in Teer vorkommen. Die Arbeiten seien deshalb in Schutzkleidung erfolgt, in der Einhausung, sprich dem verpackten Gebäudeteil, herrsche zudem ein Unterdruck, in dem der abgetragene Staub abgesaugt wird. Er wird anschließend fachgerecht entsorgt.

Die Walze hat einen Durchmesser von 4,7 Metern

„Dann musste die Walze auf schadhafte Stellen hin untersucht werden“, erläutert die Bauingenieurin weiter – wie gesagt auf 33 Metern Länge. Unzählige Nieten mussten überprüft, jeder Quadratmeter auf eventuellen Rost untersucht und farblich gekennzeichnet werden. „Ausgetauscht werden müssen vor allem diejenigen Nieten, die wasserseitig liegen“, so Saskia Grauduschus.

Die Walze hat einen Durchmesser von 4,7 Metern. Auch ins Innere des stählernen Kolosses (Gewicht: 100 Tonnen) kletterte Saskia Grauduschus hinein, machte mit ihrem Team eine Bestandsaufnahme. Dort wurde extra ein Stahlgerüst eingezogen, um an die betroffenen Schadstellen besser heranzukommen.

„Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, aber anfangs hatte ich ziemlichen Muskelkater“, berichtet die Bauleiterin über das ständige Auf und Ab zwischen den Ebenen, die nur über schmale Eisenstiegen erreichbar sind. Um ins Innere der Walze zu gelangen, bedürfe es dazu einiger Gelenkigkeit, sagt sie.

Aktuell werden die schadhaften Stellen ausgebessert

In Inneren der Walze wurde ebenfalls ein Gerüst aufgestellt, um die Reparaturen durchführen zu können.
In Inneren der Walze wurde ebenfalls ein Gerüst aufgestellt, um die Reparaturen durchführen zu können. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Aktuell werden die schadhaften Stellen ausgebessert beziehungsweise Teile der Konstruktion ausgetauscht. Auch muss an einigen Stellen der Stahl, der zwölf Millimeter dick sein soll, aber durch Abnutzung nur noch acht oder zehn Millimeter beträgt, erneuert werden.

Schweißarbeiten an der Außenhaut der dritten Walze im Stauwehr: Einige der Nieten und Bereiche der Stahlkonstruktion müssen erneuert werden.
Schweißarbeiten an der Außenhaut der dritten Walze im Stauwehr: Einige der Nieten und Bereiche der Stahlkonstruktion müssen erneuert werden. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Für die Reparatur müssen die betroffenen Nieten erhitzt werden, entsprechend temperiert ist die Luft in der Einhausung – und staubig. Funken sprühen außerdem durch die Arbeiten mit dem Flexgerät. Dazu schwingen die Arbeiter fleißig den Hammer, jeder Schlag hallt durch die Halle.

An manchen Stellen ist es sehr eng: Die Arbeiten an der Wehrwalze sind körperlich anstrengend.
An manchen Stellen ist es sehr eng: Die Arbeiten an der Wehrwalze sind körperlich anstrengend. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Nach mehr als 25 Jahren, so lange liegt die letzte Überholung zurück, erklärt Unternehmenssprecher Markus Rüdel, seien auch die Dichtungen aus Holz und Gummi verschlissen und müssten ausgetauscht werden. Zuletzt wird der Profilbereich, in dem die Walze mit dem sogenannten Stauschnabel auf den Beton trifft, erneuert, damit der Abschluss zum Wasser dicht hält. Anschließend erfolgt eine neue Beschichtung der Stahlteile mit Korrosionsschutz: in vier Lagen, das soll für die nächsten 25 Jahre reichen.

Für Spaziergänger und Radler bleibt der Überweg weiter möglich

3,5 Millionen Euro hat der Ruhrverband für die Sanierung des Bauwerks veranschlagt. Alles in allem weise die dritte Walze die wenigsten Schäden von allen im Stauwehr Werden auf, berichtet Saskia Grauduschus.„Welche Preise letztlich aufgerufen werden, steht aber angesichts der Krise bei den Baustoffen noch aus.“

Schleuse zum 1. Mai in Betrieb

Ertüchtigt wurde in den vergangenen Monaten auch die Schleuse des Stauwehrs. Hier waren es vor allem Korrosionsschäden, die beseitigt werden mussten. Weiterhin wurde die Steuertechnik modernisiert. Für die Schifffahrt steht damit zum ersten Maiwochenende wieder die Schleuse zur Verfügung.Sukzessive soll die Steuerung und Überwachung der gesamten Werdener Anlagen (Schleuse und Stauwehr) zum Stauwehr nach Kettwig verlagert werden, berichtet der Ruhrverband.Der Fischlift, im Jahr 2020 eingeweiht, bleibt coronabedingt weiterhin für die Öffentlichkeit gesperrt. Erst nach den Sommerferien soll er wieder für den Publikumsverkehr geöffnet werden.

Dass übrigens nur zwei von drei Walzen derzeit in Betrieb sind, sei kein Problem, stellt Markus Rüdel klar. „Das Wehr ist auf einen Durchfluss von maximal 2000 Kubikmeter pro Sekunde ausgelegt.“ Selbst bei einem Hochwasser ließe sich der Durchfluss immer noch mit zwei Walzen bewältigen, so der Sprecher des Ruhrverbandes.

Und noch etwas: Für Spaziergänger und Radler bleibt der Überweg über das Wehr weiterhin möglich. Nur ein 2,5 bis drei Meter breiter Streifen mit Bauzäunen ist abgesperrt. Ebenfalls gesperrt ist einer der beiden Treppenaufgänge zum Wehr am Hardenbergufer (Seite Werden). Die Parkplätze an der Straße quer zum Flussufer nutzt der Ruhrverband für die Baustelleneinrichtung, sie sind also belegt.